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Gewebeglibber. Ein 3D-Drucker bettet Zellen in ein Netz aus Gelatine und Fibrinogen ein, in dem sie von Nährstoffen umspült Blutgefäße und andere Strukturen bilden können.

© Wyss-Institut

Gewebezucht mit 3-D-Druckern: Gedrucktes Gewebe lebt mehr als sechs Wochen

Organen aus dem 3-D-Drucker fehlten bislang Blutgefäße. Das Problem scheint nun gelöst zu sein.

Zeile für Zeile versprüht der Drucker seine Tinte, fährt zurück auf Anfang, druckt erneut ... Die Technik, die im Büro nur schwarze Lettern auf weißem Papier hinterlässt, baut im Labor der Keramikforscherin Jennifer Lewis ein lebendes Gewebe auf. Allerdings enthält die spezielle, von Lewis’ Team am Wyss Institut der Harvard Universität in Cambridge entwickelte „Tinte“ verschiedenartige Zellen, Gelatine und Fibrinogen, Enzyme und Wachstumsfaktoren.

Damit konnte sie nun erstmals ein fingerdickes Stück Gewebe basteln, in dem sich aus den Zellen Blutgefäße bildeten. Das gedruckte Organ lebte über sechs Wochen und begann sich sogar in Knochengewebe umzuwandeln. „Das sei ein „grundlegender“ Schritt auf dem Weg zu einer Zucht künstlicher Gewebe für Menschen, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „PNAS“.

Tintenstrahl- oder Laserdruck?

Von einem Durchbruch möchte Lothar Koch aber noch nicht sprechen, so interessant die Arbeit der Kollegen sei. Der Physiker vom Laserzentrum Hannover entwickelt, anders als die auf Tintenstrahl-ähnliche Techniken setzenden Kollegen, einen laserbasierten Gewebedruck. Dabei erhitzt der Laser punktuell eine Glasplatte, auf deren Unterseite die zu druckende Zelle klebt. Durch den Dampfdruck werden sie in einem winzigen Tropfen auf die Fläche geschleudert, auf der Tropfen für Tropfen das neue Gewebe entsteht. Koch hat damit bereits zwei Millimeter dicke und Zwei-Euro-Stück-große Haut oder auch Herzmuskelzellen gedruckt. „Die haben danach sogar geschlagen.“

Im Vergleich zum Tintenstrahldruck kann der Laserdruck die Zellen 100-mal dichter nebeneinander setzen. „Das ist wichtig, weil sich nur bei geringen Abständen zwischen den gedruckten Zellen Gewebe bilden kann“, sagt Koch. Tatsächlich sei die Auflösung in dem Gewebestück der Wyss-Forscher vergleichsweise schlecht, sagt der Forscher. Der Abstand der Gefäße in dem Gewebestück betrage etwa drei Millimeter. „Das ist zu viel, denn die Strecke, die Nährstoffe und Sauerstoff per Diffusion zurücklegen können, beträgt nur einige 100 Mikrometer.“

Unbrauchbar ist die Entwicklung der Wyss-Forscher damit aber nicht. „Es bleibt abzuwarten, wie fein sie die Details in Zukunft werden herstellen können“, sagt Koch. Vielleicht sei es möglich, aus den mit einem Millimeter Durchmesser recht großen Gefäßen noch kleinere Äderchen heraussprießen zu lassen, um wirklich alle Zellen im Gewebe versorgen zu können.

Dreidimensionaler Käfig für Zellen

Koch faszinieren an der Arbeit vor allem die Materialien, mit denen Lewis’ Team das dreidimensionale Gewebe aufgebaut hat. Dabei wird die Struktur durch die extrazelluläre Matrix bestimmt, jene Substanz, mit der sich die Zellen umgeben und die dem Körper Stabilität verleiht. Lewis mischt ihrer „Tinte“ nicht nur ein Gemisch aus Gelatine und Fibrinogen bei, sondern verknüpft die Moleküle mit Hilfe von zwei natürlichen Enzymen, Thrombin und Transglutaminase, zu einem stabilen Netzwerk – simple Körperreaktionen, die jedes Kind beispielsweise von der Blutgerinnung nach einem Sturz aufs Knie kennt.

Bislang versuchten Gewebezüchter solch stabilisierende Vernetzung der Moleküle mit Hilfe von UV-Licht zu erreichen, was aber nur an der Oberfläche funktioniert – ein Nachteil, wenn man dicke, organartige Gewebe schaffen will, die Patienten helfen.

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