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Abwechslung ist sinnvoll. Wer große Mengen ein und derselben Teesorte trinkt, läuft Gefahr, zu viele der schädlichen Stoffe aufzunehmen.

© picture alliance / dpa-tmn

Giftige Pflanzenstoffe: Tee unter Verdacht

Nahrungsmittel - von Tee über Blattgemüse bis zu Honig - können pflanzliche Giftstoffe enthalten. Wann ein Risiko besteht, ist schwer zu beurteilen.

Was gibt es Gemütlicheres, als in der Vorweihnachtszeit einen anstrengenden Tag bei einem guten Buch und einer Tasse heißem Kräutertee ausklingen zu lassen? Gesünder als Glühwein ist das alkoholfreie Heißgetränk noch dazu. Erstmals trübte allerdings vor zwei Jahren die Nachricht den Genuss, dass Tees – neben Pestiziden und anderen unerwünschten Beigaben – oftmals schädliche Stoffe enthalten, die Pflanzen selbst produzieren. Es sind Substanzen mit dem unaussprechlichen Namen Pyrrolizidinalkaloide, von denen rund 660 bekannt sind. Pflanzen bilden diese PAs, um sich gegen Tiere zu wehren, die sich an ihnen gütlich tun wollen. Doch was natürlich ist, ist nicht automatisch auch sicher: So wurde vor einigen Jahren über Vergiftungen durch „Buschtees“ in Jamaica berichtet, die größere Mengen PA-haltiger Pflanzenteile enthielten. Deren Abbauprodukte können im Extremfall dazu führen, dass sich Venen der Leber verschließen – mit oftmals tödlichen, in anderen Fällen auch chronisch belastenden Folgen für die Leber und den gesamten Organismus.

Die giftigen Stoffe können auch in die Muttermilch gelangen

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) in Berlin hatte nach eigenen Untersuchungen im Sommer 2013 eine Stellungnahme zu PAs in Tees und Kräutertees veröffentlicht. Inzwischen wurde weiter an den sekundären Pflanzeninhaltsstoffen geforscht. Beim jüngsten BfR-Forum Verbraucherschutz ging es jetzt um die Herausforderungen, die sie für Landwirtschaft und Verbraucherschutz darstellen.

Derzeit ist die oben erwähnte veno-okklusive Krankheit der Leber Gegenstand eines Forschungsprojekts des BfR, wie Alfonso Lampen, Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit, berichtete. Der Blick in die Leber von Versuchsmäusen habe inzwischen erste Aufschlüsse darüber gebracht, welche Regionen des Entgiftungsorgans zuerst geschädigt und welche Gene an- und abgeschaltet werden.

Mehr als solche akuten Vergiftungen bei hoher Dosierung, die hierzulande praktisch ausgeschlossen sind, dürfte langjährige Teetrinker aber beunruhigen, dass sich in Tests an Ratten bestimmte PAs als prinzipiell erbgutverändernd und krebserregend erwiesen haben. Zwar fehlen epidemiologische Studien, die eine solche Wirkung auch beim Menschen bestätigen. Zudem ist noch unklar, auf welchem Weg die PAs Krebs erregen. Grund zur Vorsicht ist durch die Tierstudien aber trotzdem gegeben – zumal diese Untersuchungen auch zeigen, dass die pflanzlichen Stoffwechselprodukte in den Mutterkuchen und in die Muttermilch übergehen. Schließlich trinken gerade schwangere und stillende Frauen gern Kräutertees.

Erhebliche Schwankungen zwischen den Produkten

Doch wie viele Tassen sind unbedenklich? Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und das BfR legen für die langfristige Aufnahme von Stoffen mit möglichem Krebsrisiko den Ansatz des „Margin of Exposure“ (MOE) zugrunde. Zwei Faktoren werden dafür berücksichtigt: Die im Tierversuch ermittelte kleinste Dosis, bei der eine nachteilige Wirkung beobachtet wird und der Umfang des Kontakts mit einem Stoff. Je höher der MOE-Wert, desto höher der Sicherheitsabstand und desto geringer das mögliche Gesundheitsrisiko. Den empfohlenen Wert über 10 000 würde einhalten, wer täglich höchstens 0,007 Mikrogramm PAs pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nimmt.

So präzise das klingt, so schwer ist es allerdings zu ermitteln: Denn die Pflanzeninhaltsstoffe sind vielfältig, sie kommen außer in Tees auch in zahlreichen anderen Lebensmitteln vor, allerdings immer in geringer Konzentration und mit großen Schwankungen. Für das BfR-Forschungsprojekt zum PA-Gehalt von Lebens- und Futtermitteln wurden mit einer neuen Analysemethode 221 Stichproben handelsüblicher Tees aus deutschen Märkten untersucht, darunter Baby-Fenchel-, Fenchel-, Kamillen-, Kräuter-, Pfefferminz-, Brennnessel- und Melissentee. Der Gehalt erwies sich als recht unterschiedlich, wobei Kamillen- und Melissentee in dieser (nicht repräsentativen) Untersuchung tendenziell belasteter waren.

Auch Nahrungsergänzungsmittel können belastet sein

„Durchschnittsverzehrer“, die zwischen den Sorten und Marken abwechseln, könnten jedoch unbesorgt sein, so das Fazit des BfR. Der Durchschnitt liegt laut Nationaler Verzehrstudie II bei rund 200 Milliliter Tee- und Kräutertee-Aufguss am Tag. Wer jedoch jeden Tag größere Mengen ein und derselben Lieblings-Teebeutelsorte verwendet, bleibt wahrscheinlich nicht innerhalb der von der Efsa empfohlenen Grenzen.

Zumal es auch andere Quellen gibt. In einer Efsa-Studie enthielten 91 Prozent der untersuchten Tees PAs, tierische Lebensmittel erwiesen sich dagegen als nur vereinzelt und sehr niedrig belastet. Eine problematische zusätzliche Quelle sind dieser Untersuchung zufolge aber Nahrungsergänzungsmittel. 60 Prozent der untersuchten Proben enthielten PAs, wobei die Dosierungen sehr variabel waren. Hohe Werte enthalten naturgemäß Mittel auf der Basis von Pflanzen, die selbst PAs bilden, etwa Huflattich. Er ist bisweilen auch Bestandteil der beliebten Smoothies. Auch Pollenprodukte sind betroffen – wie auch Honig, wenn die Bienenvölker auf entsprechenden Flächen geweidet haben. Dazu kommen Mittel, deren Hauptbestandteile nicht sauber geerntet wurden und Beikräuter wie etwa das Jakobskreuzkraut enthalten.

Teetrinker sollten zwischen den Marken und Kräutersorten wechseln

„Wichtig ist die Gesamtmenge, der Körper unterscheidet nicht, ob die PAs aus Nahrungs- oder Nahrungsergänzungsmitteln stammen“, resümierte beim Symposium Jacqueline Wiesner vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn. Sie verwies darauf, dass in diesem Punkt für pflanzliche Arzneimittel, anders als bisher für Nahrungsergänzungsmittel, zumindest schon Regularien existieren. Zudem geht man davon aus, dass sie nur kurze Zeit eingenommen werden.

Grenzwerte für Lebensmittel gibt es bisher nicht. Das BfR fordert mehr Sorgfalt beim Anbau und der Ernte von Kräutern und Tee, aber auch von Salat und Blattgemüse. In all diesen Fällen sind nämlich mitgeerntete und -verarbeitete „Unkräuter“ das Hauptproblem. Die Hersteller müssten ihre Chargen vor der Vermarktung besser prüfen, Lebensmittelunternehmer sollten den Ursachen für höhere Belastungen nachgehen, auch Lebensmittelkontrollen und mehr Transparenz werden als Wege zu einem höheren Sicherheitslevel gesehen. „Wir haben ein Problem, aber es ist lösbar“, sagte Lampen.

Einstweilen rät das Bundesinstitut, dass vor allem Schwangere, Stillende und Kinder ihren Durst nicht allein mit Kräutertees löschen. Und es empfiehlt den Konsumenten, sicherheitshalber zwischen den Marken und Kräutersorten zu wechseln.

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