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Gebirgshobel. Der Aletschgletscher in der Schweiz hat ein typisches U-förmiges Tal geschaffen. Damit entsteht viel Platz für Eis, sollte es zu einer neuen Vereisung kommen.

© Nature/Jean Braun

Glaziologie: Eisige Vorbereitung

Gletscher schaffen selbst die Voraussetzungen für ihren nächsten Vorstoß. Dort, wo sie die Oberfläche abhobeln, kann während einer neuen Kälteperiode das Eis besser wachsen.

Sinken die Temperaturen, wachsen im hohen Norden und in Gebirgen wie den Alpen die Gletscher – und nach einigen Jahrtausenden hat eine neue Eiszeit begonnen. Ganz so einfach, wie diese Erklärung nahelegt, sind die Verhältnisse in der Natur allerdings nicht. Das Wachsen und Schrumpfen von Gletschern hängt nicht allein vom Klima ab, sondern auch von anderen Faktoren wie der Form der Oberfläche. Davon berichten Vivi Kathrine Pedersen von der Universität Bergen und David Lundbek Egholm von der Universität Aarhus im Fachmagazin „Nature“.

Die beiden Forscher zeigen anhand von Computersimulationen über die letzten zwei Millionen Jahre, dass Gletscher in verschiedenen Regionen recht unterschiedlich auf sinkende Temperaturen reagieren. Auf der einen Seite steht das höchste Gebirge Spaniens, die Sierra Nevada. Sie blieb in den letzten Jahrmillionen von den Eismassen weitgehend verschont und wurde daher kaum von Gletschern modelliert. Dort sind die Zusammenhänge so simpel wie erwartet: Je kälter es wird und je tiefer die Schneegrenze sinkt, umso mehr Eis häuft sich in der Region an.

Ganz anders fällt das Ergebnis für die Bitterroot-Gebirgskette in den Rocky Mountains aus, wo sich während der letzten Eiszeit sehr viele Gletscher bildeten. Sobald dort die Schneegrenze eine bestimmte Höhe unterschreitet, wachsen die Gletscher dramatisch. Sinkt die Schneegrenze weiter, vergrößern sich die Eismassen zwar weiter, aber deutlich langsamer als vorher. Von einem linearen Zusammenhang zwischen sinkender Schneegrenze und zunehmender Eismenge ist nichts zu sehen.

Offensichtlich hängt das Wachsen der Gletscher von der Form der Oberfläche ab. „Die Topografie verändert sich, sobald Gletscher fließen“, bestätigt Michael Zemp, Glaziologe an der Universität Zürich. Während Flüsse zum Beispiel Täler in das Gelände fressen, deren Querschnitt einem „V“ ähneln, hobeln Gletscher den Talboden erheblich breiter aus. Gleichzeitig werden dabei die seitlichen Felswände steiler. Im Lauf der Zeit ähneln die Einschnitte eher einem „U“.

In höheren Lagen tragen die Eismassen viel mehr Material ab als in tieferen Regionen, sie ebnen das Gelände etwas ein. Dadurch schrumpfen die Hochlagen über der Schneegrenze. Kommt nach einer wärmeren Epoche dann die Kälte zurück und sinkt die Schneegrenze, tut sich bei den Eismassen zunächst wenig. Sobald der Schnee aber auf den von der letzten Vergletscherung ein wenig eingeebneten, tieferen Regionen das ganze Jahr über liegen bleibt, beginnen sich Gletscher zu bilden. Und das auf einer sehr großen Fläche gleichzeitig. Offensichtlich hat also die vorherige Eiszeit die Oberfläche so verändert, dass sich die Gletscher beim nächsten Mal viel schneller bilden, schreiben Pedersen und Egholm.

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