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Werden die Wurzeln von Mais mit einem Penicillium-Pilz behandelt, können sie mehr Phosphat aufnehmen.

© BioAg Alliance

Global Bioeconomy Summit 2018: Wie "Bioökonomie" die Umwelt besser schützen soll

Mikroben statt Pestizide: Düngen mit Bakterien, Waschen mit Enzymen – mit „Bioökonomie“ soll die Industrie nachhaltiger werden.

Herr Videbæk, vergangene Woche tagte in Berlin der „Global Bioeconomy Summit“. Was ist das eigentlich, „Bioökonomie“?

Es ist die Art und Weise, wie wir nachwachsende Rohstoffe nutzen und für die Herstellung von Produkten einsetzen, um die Folgen für den Planeten so gering wie möglich zu halten.

Was für Produkte sind das?

Im Fall von Novozymes sind es vor allem Enzyme und Mikroben, also Bakterien oder Hefepilze, die von Menschen schon seit Tausenden von Jahren benutzt werden, etwa um Käse, Bier oder Wein herzustellen – auch wenn man lange Zeit nicht wusste, dass daran Mikroben und deren Enzyme beteiligt sind. Aber inzwischen kennen wir diese Moleküle genau und setzen sie gezielt ein, etwa beim Gerben von Leder oder in Waschmitteln.

Was machen diese Enzyme?

Im Grunde beschleunigen Enzyme chemische Reaktionen. Sie verdauen etwa das Essen im Magen und Darm. Wenn wir solche Enzyme auch in ein Waschmittel mischen, dann wird der Fleck auf einem weißen Hemd in kleinere Bestandteile zersetzt, die leichter herausgewaschen werden können. Das klingt trivial, aber die Enzyme sorgen dafür, dass die Wäsche mit deutlich weniger Wasser und vor allem bei geringeren Temperaturen sauber wird. Wenn alle Haushalte in Europa statt mit 40 nur mit 30 Grad Celsius waschen würden, entspräche das einer Einsparung des Jahres-Elektrizitätsverbrauchs von zwei Millionen Haushalten – oder sechs Millionen Tonnen Kohlendioxid. Eine kleine Änderung im Alltag mit großen Konsequenzen.

Thomas Videbæk (57) hat an der Technischen Universität Kopenhagen chemische Ingenieurswissenschaft studiert und leitet bei der dänischen Firma Novozymes (die 2000 aus dem Novo Nordisk-Konzern entstand) das operative Geschäft. 2016 übernahm Novozymes das Berliner Biotech-Unternehmen Organobalance, das nach Bakterien für die Anwendung in der Lebens- und Futtermittelindustrie, der Landwirtschaft, Chemie und Pharmazie sucht.
Thomas Videbæk (57) hat an der Technischen Universität Kopenhagen chemische Ingenieurswissenschaft studiert und leitet bei der dänischen Firma Novozymes (die 2000 aus dem Novo Nordisk-Konzern entstand) das operative Geschäft. 2016 übernahm Novozymes das Berliner Biotech-Unternehmen Organobalance, das nach Bakterien für die Anwendung in der Lebens- und Futtermittelindustrie, der Landwirtschaft, Chemie und Pharmazie sucht.

© Novozymes

Wo werden Enzyme sonst noch gebraucht?

Zum Beispiel in der Herstellung von Stärke, die aus Mais oder Kartoffeln gewonnen wird. Aber mit den herkömmlichen Verfahren lässt sich nicht alle Stärke aus dem pflanzlichen Rohstoff gewinnen. Mit Enzymen können wir die Ausbeute erhöhen, der Rohstoff wird also effektiver genutzt. Das gleiche gilt für die Produktion von Öl. Und Schweine, Rinder, Hühner und andere Nutztiere verdauen ihre Nahrung mit ihren eigenen Enzymen im Verdauungstrakt, verwerten aber nicht alle Nährstoffe. Geben wir Enzyme zum Futter hinzu, wird das Futter besser genutzt. So entsteht auch weniger Abfall.

Enzyme sind chemische Moleküle – wie kann das dann „Bio“ sein?

Lebende Organismen produzieren und nutzen Enzyme seit Milliarden von Jahren. Sie steuern alle Lebensprozesse. Wir tun nichts anderes, als diese Enzyme für eine ganze Reihe von verschiedenen Anwendungen zu nutzen. Dazu werden die Bakterien oder auch bestimmte Pilze in großen Tanks vermehrt, bis sie die optimale Menge des gewünschten Enzyms produziert haben. Dann werden die Enzyme geerntet. Gefüttert werden die Mikroben mit Abfallprodukten aus der Landwirtschaft und am Ende landet die übrig gebliebene Zellmasse wieder als Dünger auf dem Acker. Anders als chemische Stoffe, die mitunter nicht abbaubar sind und sich in der Natur anreichern, zersetzen sich Enzyme sehr schnell.

Lassen sich auch die Mikroben selbst nutzen, um beispielsweise chemische Stoffe in der Landwirtschaft zu ersetzen, etwa Dünger oder Pestizide wie Glyphosat?

Mikroben werden in der Landwirtschaft schon seit mehr als hundert Jahren eingesetzt. So hängt das Wachstum von Sojabohnen etwa von Knöllchenbakterien ab, den Rhizobien, die an der Wurzel wachsen. Sie versorgen die Pflanze mit Stickstoffverbindungen. Gibt man dem Samen also Rhizobien mit, sorgt man für besseres Wachstum der Pflanze. Wir haben gerade ein Produkt auf den Markt gebracht, mit dem Mais-Saaten mit einem Pilz behandelt werden, der an den Wurzeln der Pflanze wächst und die Aufnahme von wichtigem Phosphat fördert. Andere Mikroben können Schädlinge vertreiben, etwa Pilze, Fadenwürmer oder Insekten. Wir suchen in einem Forschungsprojekt im großen Stil nach Mikroben, die solche und andere Effekte auf Pflanzen haben.

In welchem Umfang werden Mikroben bereits auf dem Acker eingesetzt?

Noch ist der Prozentsatz gering und nur bei bestimmten Pflanzensorten gibt es Anwendungen, etwa bei Tomaten, Kartoffeln und Wein, um Schädlinge zu bekämpfen. Was Sojabohnen betrifft, werden in den USA bereits etwa 40 Prozent der Saat mit Bakterien versetzt, in Argentinien sind es sogar 80 Prozent. Man kann sagen, dass die Biologie, also Enzyme, andere biologische Moleküle und Mikroben, seit etwa zehn Jahren eine immer größere Rolle in der Landwirtschaft spielen.

Erwägenen Sie, die Mikroben zu optimieren, etwa mit Hilfe von gentechnischen Methoden wie der Genschere Crispr/Cas9?

Die Natur optimiert ständig selbst. Gene verändern sich ununterbrochen, etwa durch Sonnenlicht. Wir können solche Genveränderungen nachahmen, mit chemischen Mitteln oder Bestrahlung, aber auch mit neueren Methoden wie Crispr, die wir bereits in unserer Forschung einsetzen. Wir hoffen, dass es bald einen regulatorischen Rahmen geben wird, damit auch solche Produkte geprüft und zugelassen werden können.

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