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Ein Gesundheitsmitarbeiter in Colombo (Sri Lanka) trägt ein T-Shirt, um auf die Gefahr von Moskitos aufmerksam zu machen. Sri Lanka leidet derzeit unter einer Epidemie des Denguefiebers mit mehr als 200 Toten. Die zunehmende Globalisierung spielt bei der Ausbreitung von Infektionskrankheiten eine wichtige Rolle.

© Eranga Jayawardena/AP/dpa

Globale Gesundheit: Epidemien verhindern, Wissen verbreiten

Die wissenschaftlichen Akademien der G-20-Länder mahnen vor dem Gipfel Strategien zur Verbesserung der Weltgesundheit an – vom Umgang mit Infektionskrankheiten bis zu bezahlbaren Medikamenten.

Ein großes „G“ wie bei G20 – das wäre eigentlich auch ein passendes Kürzel für die flankierende Vorbereitungsarbeit der wissenschaftlichen Akademien aus den teilnehmenden Industrie- und Schwellenländern gewesen. Denn bei der Arbeit der S20 – wobei der Buchstabe für „Science“ steht – geht es diesmal um die globale Gesundheit. Wenn sich die Weltlenker in den kommenden beiden Tagen in Hamburg treffen, werden auch ihre Handlungsempfehlungen eine Rolle spielen. Übergeben wurden sie Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits im März in Halle an der Saale.
Erarbeitet wurde das Papier unter Federführung der Nationalen Akademie der Wissenschaften des Gastgeberlandes Deutschland, der altehrwürdigen Leopoldina. Sie hatte ihren Sachverstand schon vor zwei Jahren anlässlich des Treffens der G7 im oberbayerischen Elmau eingebracht.
Dass die wissenschaftlichen Akademien von 19 Industrie- und Schwellenländern – 20. Teilnehmer ist die EU – sich für ein Statement zusammentun, ist allerdings eine Premiere: „Wir äußern uns damit erstmals gemeinsam, und uns verbindet der Wunsch, unseren gesammelten Sachverstand zum Thema Verbesserung der globalen Gesundheit einzubringen“, sagt Marina Koch-Krumrei, Leiterin der Abteilung Internationale Beziehungen der Leopoldina. Das habe es möglich gemacht, trotz unterschiedlicher Problemlagen in den einzelnen Ländern nach zwei intensiven Beratungstagen einen klaren, knackigen Text vorzulegen „der faktengesättigt ist und in dem sich jeder der beteiligten Wissenschaftler wiedererkennen kann“. Nun verbindet die Vertreter der Akademien die Hoffnung, dass die von ihnen formulierten Empfehlungen Aufnahme in die Gipfelerklärung finden und in den nächsten Jahren nachhaltig umgesetzt werden.

Ebola und Zika haben die Weltgemeinschaft erschüttert

Ebola und Zika – die großen Epidemien der vergangenen Jahre – haben die Weltgemeinschaft erschüttert und nachdenklich gemacht. Sie haben gezeigt, dass Infektionskrankheiten zwar zuerst in einzelnen Ländern ausbrechen, aber heute nicht mehr vor Landesgrenzen Halt machen. Beim Treffen der Gesundheitsminister im Mai, im Vorfeld des G-20-Treffens, wurde deshalb schon in der Simulation durchgespielt, welche Verantwortlichkeiten im Fall einer Bedrohung durch einen sehr ansteckenden lebensgefährlichen Erreger vor Ort bestehen – und welche Maßnahmen nötig sind, damit daraus keine Pandemie wird.
Die Vorsorge für künftige Ausbrüche müsse dringend verbessert werden, fordern auch die Akademien. Was die Krankheitsüberwachung und vor allem die zeitnahe Berichterstattung bei Epidemien betrifft, so können sich die Wissenschaftler vorstellen, dass deren finanzielle Förderung einen Anreiz darstellen könnte.
Ohne starke Gesundheitssysteme vor Ort kann all das allerdings nicht gelingen. Sie müssen den Bürgern nicht nur zuverlässige Versorgung im Krankheitsfall bieten, sondern auch Programme zur Vorbeugung bereitstellen und die Überwachung im Fall eines Ausbruchs sicherstellen. Die Experten betonen, wie entscheidend wirksame Impfprogramme, der Zugang zu erschwinglichen Medikamenten und deren Einsatz nach wissenschaftlich geprüften Prinzipien für die globale Gesundheit sind.
Ein Beispiel sind Antibiotika: Sie können Leben retten, doch werden sie unnötigerweise oder falsch eingesetzt, kann das auch die gefürchteten Resistenzen fördern. Eines der wichtigsten Schwerter der modernen Medizin wird damit stumpf. Nationale Aktionspläne, wie sie im Globalen Aktionsplan der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefordert werden, sollen helfen, das zu verhindern. Mit der Deutschen Antibiotika Resistenzstrategie (DART) nimmt Deutschland hier eine Vorreiterrolle ein. Beim G-20-Gesundheitsministertreffen legte die Bundesregierung einen Zwischenbericht vor, der den Stand der Anstrengungen zeigt. Deutschland wirbt dabei auch für eine Verschreibungspflicht, die noch nicht in allen Ländern besteht.

Fließende Grenzen zwischen ansteckenden und nicht ansteckenden Krankheiten

So wie sich Epidemien heute nicht um Landesgrenzen scheren, sind auch die Grenzen zwischen ansteckenden und nicht ansteckenden Krankheiten längst als fließend erkannt: Beispielsweise werden mindestens 15 Prozent aller Krebserkrankungen durch Erreger von Infektionskrankheiten angestoßen. Das bekannteste Beispiel sind Humane Papillomviren, die nicht nur Gebärmutterhalskrebs, sondern auch Tumoren im Bereich von Kopf und Hals hervorrufen können. In die Diskussion geraten ist der vom deutschen Nobelpreisträger Harald zur Hausen entdeckte Zusammenhang auch deshalb, weil es mittlerweile Impfstoffe gegen diese Viren gibt. Den Akademiemitgliedern geht es aber auch um Impfungen gegen Hepatitis B oder Medikamente, die sich gegen Hepatitis-C-Viren und das Magenbakterium Helicobacter pylori richten.
Umgekehrt begünstigen auch weitverbreitete chronische Krankheiten, die nicht ansteckend sind, Infektionen. „So könnten zum Beispiel 15 Prozent der Tuberkulosefälle weltweit mit Typ-II-Diabetes zusammenhängen“, heißt es in dem Papier. Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen und Bewegungsmangel, die lange Zeit typisch waren für die reichen Länder dieser Welt, gewinnen längst in Schwellenländern und sogar in ärmeren Ländern an Bedeutung. Trotzdem bleibt Mangelernährung ein Problem.

Armut, Flucht, Klimawandel: Gigantische Herausforderungen bleiben

Umso wichtiger, dass schon Heranwachsende in aller Welt über Risikofaktoren für Krankheiten informiert werden. Gesundheitskompetenz durch Wissenserwerb zu ermöglichen, das ist eine der politischen Forderungen, die die Forscher anlässlich des G-20-Treffens erheben. Sie setzen sich für Programme ein, mit denen Multiplikatoren wie Gesundheitsfachkräfte, Eltern, Arbeitgeber, Kollegen am Arbeitsplatz und nicht zuletzt Lehrer ausgebildet und sensibilisiert werden sollen.
Als Wissenschaftsorganisationen plädieren die Akademien selbstverständlich auch dafür, dass weltweit weiter intensiv geforscht wird. Und das nicht allein im „klassischen“ Bereich der Medizin, um dringend benötigte neue Medikamente und Impfstoffe zu entwickeln. Sondern auch in den Gesundheits- und Sozialwissenschaften, weil wir dringend weitere Erkenntnisse darüber brauchen, wie wissenschaftlich fundierte Maßnahmen praktisch umgesetzt werden können.
Sauberes Wasser, gute sanitäre Einrichtungen und flächendeckende Impfprogramme haben in den vergangenen Jahrzehnten das Leben von Milliarden von Erdenbürgern entscheidend verbessert. Die Akademien weisen allerdings darauf hin, dass gigantische Herausforderungen bleiben – von Ungleichheit und Armut über Bevölkerungswachstum und Klimawandel bis hin zu Krieg, Vertreibung und Flucht. Man kann davon ausgehen, dass ihre Vertreter sich nicht zum letzten Mal getroffen haben.

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