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Grundschüler sitzen in einem Klassenraum, zwei von ihnen gucken durch Virtuell-Reality-Brillen.

© Kai-Uwe Heinrich

Grundschul-Studie: Berlins Grundschüler sind nur durchschnittlich versorgt

8700 Euro pro Kind in Hamburg, 4800 in NRW: Bei der Grundschul-Finanzierung gibt es bundesweit große Unterschiede. Berlin steht im Mittelfeld.

Die Finanzierung der Grundschulen in Deutschland hat sich seit dem Jahr 2000 deutlich verbessert. Doch aus der Sicht des Grundschulverbandes reicht das bei weitem nicht aus, um die großen Anforderungen etwa durch die Inklusion zu stemmen. Im Bundesdurchschnitt geben Länder und Kommunen pro Schülerin und Schüler an Grundschulen 5600 Euro aus – 2000 Euro mehr als im Jahr 2000. Spitzenreiter bei den Pro-Kopf-Ausgaben ist Hamburg mit 8700 Euro, Schlusslicht ist Nordrhein-Westfalen mit 4800 Euro.

6500 Euro pro Grundschulkind in Berlin - gleichauf mit Bayern

Berlin liegt gemeinsam mit Bayern, Sachsen-Anhalt und Thüringen, wo die Ausgaben jeweils bei 6500 Euro liegen, im Mittelfeld. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Expertise des Essener Bildungsforschers Klaus Klemm im Auftrag des Grundschulverbands hervor.

Klemm beruft sich auf Angaben des Statistischen Bundesamts von 2013; frischere Zahlen lägen nicht vor. Vom Bundesamt stammen auch die Erklärungen für die Länderunterschiede: Sie seien unter anderem auf die Schüler-Lehrer-Relationen, Pflichtstundenzahlen der Lehrkräfte und Klassengrößen sowie auf Besonderheiten bei der Ganztagsbetreuung zurückzuführen. Genannt werden aber auch „Unterschiede in der zeitlichen Verteilung und Höhe von Investitionsprogrammen“.

Sanierungsstau: Was den Schulen in Berlin versprochen wird

Gegen fehlende Investitionen in Sanierung und Neubau auch von Grundschulen protestieren in Berlin immer wieder Schüler, Eltern und Lehrkräfte, zuletzt in Zehlendorf. Viele Gebäude sind bis zur Einsturzgefahr marode. Wie berichtet hat die Berliner SPD jetzt ein großes Investitionsprogramm angekündigt. In den kommenden zehn Jahren sollten insgesamt 5,5 Milliarden Euro fließen, um den Sanierungsstau abzubauen und Neu- sowie Ausbauten zu starten. Gleichzeitig verspricht die SPD – für die Zeit nach der Abgeordnetenhauswahl im September – die Bezirke beim Neubau und bei der Sanierung teilweise zu entmachten. Zuständig sollten zwei neue Landesgesellschaften und vier regionale Gesellschaften sein. Die CDU kritisiert die Schaffung zusätzlicher bürokratischer Strukturen, den Grünen geht die Strukturreform nicht weit genug.

Weiterführende Schulen haben fast durchweg mehr Geld

Den stärksten Zuwachs bei den Ausgaben pro Schulkind verzeichnete (bis 2013) Brandenburg, den schwächsten Schlusslicht Nordrhein-Westfalen. Klaus Klemm hebt hervor, dass die Investitionen für Schülerinnen und Schüler von Sekundarschulen bundesweit – mit Ausnahmen vor allem in Hamburg – höher sind. Der Durchschnittswert liegt für Realschulen bei 5900 Euro, bei Gymnasien und Gesamtschulen bei jeweils 7500 Euro.

Der Grundschulverband beziffert nicht den finanziellen Mehrbedarf der Primarschulen, betont aber, dass diese im Vergleich zu den anderen Schulformen durch die Inklusion von Kindern mit Behinderungen und durch das Ganztagsangebot besonders belastet sind. Grundschulen seien als die Schule für alle auch besonders gefordert, Bildungsgerechtigkeit herzustellen. Vielerorts kämen 30 Prozent oder mehr Kinder aus „Armutsfamilien“. Für all dies fehle es an Zeit und an Geld, das für zusätzliches Personal notwendig wäre.

Grundschulverband fordert mehr Geld für Bildungsgerechtigkeit

Im Vergleich der OECD-Länder liegt Deutschland knapp über dem Mittelwert der durchschnittlichen Ausgaben pro Grundschulkind. Allerdings geben viele europäische Länder -darunter Österreich, Dänemark und Großbritannien - und auch die USA mit umgerechnet knapp 6700 Euro pro Kind deutlich mehr aus als den deutschen Durchschnittswert von 5600 Euro.

Das sei für ein reiches Land wie Deutschland zu wenig, kommentiert Hans Brügelmann, Erziehungswissenschaftler und Fachreferent des Grundschulverbands. Gerade die Bildungsgerechtigkeit verlange, dass die Qualität der Schulen nicht länger „von der Finanzkraft von Bund und Ländern bestimmt werden“, erklärt der Verband. Deshalb müsse das Kooperationsverbot von Bund und Ländern auch für den Schulbereich aufgehoben werden. „Wenn das Fundament des Schulsystems nicht aufgabengerecht finanziert wird, dann wackelt das ganze Gebäude“, sagt Brügelmann.

Große Unterschiede auch bei Stundentafel und Klassengrößen

Groß sind die bundesweiten Unterschiede auch bei den erteilten Wochenstunden. Von Klasse 1 bis 4 erhalten die Kinder im Bundesschnitt 96,9 Wochenstunden. Vorne liegt Hamburg mit 108 Stunden, gefolgt von Bayern mit 104 Stunden. Am wenigsten Lernzeit haben Berlin, Hessen und Schleswig-Holstein mit jeweils 92 Stunden. In Brandenburg sind es 93 Stunden. Die Klassengrößen reichen bei einem Durchschnittswert von 20,7 Kindern pro Klasse von 18,3 in Rheinland-Pfalz bis 23,1 in Nordrhein-Westfalen. Zu große Klassen sind für viele Eltern ein Grund, ihr Kind lieber auf eine Privatschule zu schicken. Klemm hat allerdings nur die Bedingungen für die öffentlichen Grundschulen untersucht.

Der Grundschulverband kündigte an, seinen Landesgruppen Klemms Zahlenwerk zur Verfügung zu stellen, „damit diese vor Ort mit den Ministerien und Kommunalverbänden klären können, wo es besonders auffällige Ungleichgewichte gibt“. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierte, dass in Deutschland immer noch der verfehlte Wahlspruch „Kleine Kinder – kleines Geld, große Kinder – großes Geld“ gelte. Dies müsse sich auch bei den Lehrergehältern ändern. Für den Verband Bildung und Erziehung (VBE) ist die "Unterfinanzierung der Grundschulen in Deutschland ein Armutszeugnis".

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