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Universalgelehrter. Günter Tembrock forschte bis ins hohe Alter.

© Thilo Rückeis

Günter Tembrock: Ein Ohr für Tiere

Schon 1951 hatte Tembrock mit dem Aufbau eines Tierstimmenarchivs begonnen, das mit den Jahren auf mehr als 110 000 Aufnahmen wuchs. Zum Tod des Verhaltensbiologen Günter Tembrock.

Der Fuchs hätte sein Wappentier sein können. In Günter Tembrocks Büro an der Humboldt-Universität hing ein von ihm selbst gezeichnetes Bild eines seiner Forschungsobjekte, der Füchsin Fifi. Der Biologe habilitierte sich 1955 über den Rotfuchs, jenes Tier, das seit Äsops Zeiten als schlau und listig gilt. Als Forscher tat Tembrock sich mit solchen „Vermenschlichungen“ eher schwer. „Es steckt das ganze Tier im Menschen, aber nicht der gesamte Mensch im Tier“, hat er in unnachahmlicher Tembrock-Klarheit einmal dem Tagesspiegel gesagt. Und dennoch: Schlau und listig musste sein, wer wie Tembrock sich in der DDR auf einem so umstrittenen Gebiet wie der Verhaltensbiologie tummelte. Also doch ein Fuchs, der Tembrock.

Geboren wurde der Biologe am 7. Juni 1918 in Berlin, 1937 nahm er hier das Studium der Zoologie, Anthropologie und Paläontologie auf. Seitdem ist Tembrock, der sich später gern als „lebendes Fossil“ bezeichnete, „seiner“ Berliner Universität treu geblieben. Er erlebte und überlebte die Bombenangriffe auf Berlin im Museum für Naturkunde, das er nach schweren Treffern notdürftig mit Pappe und Brettern flicken half.

1948 gründete Tembrock mit der Forschungsstätte für Tierpsychologie an der Humboldt-Universität die erste deutsche Einrichtung für Verhaltensforschung, obwohl es von Beginn an Widerstand zu überwinden galt. Denn in der DDR war es Staatsdoktrin, dass es ein angeborenes Verhalten nicht geben durfte.

Der Mensch sei das Produkt des „Ensembles gesellschaftlicher Verhältnisse“ war ein Satz, der ihm ständig um die Ohren gehauen wurde, erinnerte sich Tembrock. Wer wie er der Überzeugung war, dass der Mensch viele Verhaltensmuster mit auf die Welt bringt, musste sich des „Biologismus“ zeihen lassen – auch heute noch ein Standardvorwurf in der Debatte um das Wesen des Menschen.

Trotzdem machte der wissenschaftlich ungeheuer produktive Tembrock Karriere, im Rahmen des in der DDR Möglichen. 1961 wurde er Professor an der Humboldt-Universität. Er war kein SED-Mitglied, durfte nicht in den Westen reisen und konnte daher am wissenschaftlichen Fortschritt nur eingeschränkt teilnehmen.

Schon 1951 hatte Tembrock mit dem Aufbau eines Tierstimmenarchivs begonnen, das mit den Jahren auf mehr als 110 000 Aufnahmen wuchs. „Bioakustik“ nannte er dieses Teilgebiet der Verhaltensforschung. Tembrocks Musikalität – er hatte eine Gesangsausbildung als Bariton – mag die Forschung erleichtert und beflügelt haben. Seine Leidenschaft für das Beobachten und Sammeln kennzeichnet ihn als Biologen einer Ära, in der die Molekulargenetik noch nicht das Ruder übernommen hatte.

„Er begeistert, weil er selbst begeistert ist!“ lobten Tembrocks Studenten. Seine Vorlesungen und Vorträge waren wegen ihrer Lebendigkeit legendär. So verwundert es nicht, dass er seit 1978 auch mit Sendungen wie „Die Sprache der Tiere“ und „Rendezvous mit Tieren“ im DDR-Fernsehen populär wurde. Der „Grzimek des Ostens“ wurde er genannt, aber das wurde ihm nicht gerecht. Tembrock war Tembrock.

Am 26. Januar ist Günter Tembrock mit 92 Jahren in Berlin gestorben. Hartmut Wewetzer

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