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Hubble-Aufnahme vom Adlernebel

© NASA, ESA, and The Hubble Herita

Happy Birthday, Hubble!: Das Auge im All wird 25 Jahre alt

Ein Fiasko, stichelten Kritiker zuerst über das fehlsichtige Weltraumteleskop. „Hubble“ wurde trotzdem ein Triumph. Seit 25 Jahren prägen seine Aufnahmen unser Bild vom All.

Von Rainer Kayser, dpa

Ungläubig schauten die Forscher und Techniker auf ihre Monitore. Nach dem Start des Weltraumteleskops „Hubble“ am 24. April 1990 hatten sie zwei Monate auf die ersten Aufnahmen gewartet. Und nun diese Enttäuschung. „Das Fernrohr leidet an sphärischer Aberration“, diagnostizierte sofort einer der Astronomen angesichts der unscharf abgebildeten Sterne. Auf gut Deutsch: Das Teleskop war fehlsichtig. Jean Olivier, der frühere Hubble-Chefingenieur, erinnert sich mit Schaudern an diesen Moment: „Da hatten wir es geschafft, ein Fernrohr ins Weltall zu bringen – doch es konnte kaum sehen.“

Es ist eine der peinlichsten Pannen in der Geschichte der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa: Der 2,4 Meter große Hauptspiegel hatte nicht nur den falschen Schliff, der Fehler war auch noch allen Kontrollen entgangen. Zwei Milliarden Dollar hatte das Teleskop den Steuerzahler gekostet. Nun hing es weitgehend nutzlos im Weltall herum.

Niemand konnte sich vor 25 Jahren vorstellen, dass aus dem Desaster ein Triumph für die Astronomie und für die bemannte Raumfahrt werden sollte. „Ich hatte die zweifelhafte Ehre, der Öffentlichkeit das Fiasko zu erklären“, sagt Edward Weiler, damals Chefwissenschaftler der Mission. „Zum Glück präsentierte mir zwei Stunden vor der Pressekonferenz unser Bildexperte John Trauger die rettende Lösung.“ Man könne Hubble eine Brille verpassen, um die Fehlsichtigkeit zu korrigieren. „Natürlich glaubte uns das keiner“, sagt Weiler.

Eine Brille verhalf Hubble zur erwünschten Sehschärfe

Doch die „Brille“ funktionierte. Zwei kleine Spiegel glichen den Fehler des Hauptspiegels durch ihren trickreichen Schliff exakt aus. Im Dezember 1993 installierten amerikanische und europäische Astronauten von der Raumfähre Endeavour aus das Korrektursystem. Die fünf dafür nötigen Außeneinsätze im All dauerten insgesamt 28,5 Stunden.

Die harte Arbeit der Astronauten in der Schwerelosigkeit hat sich gelohnt. Bereits die ersten Bilder nach der Reparatur zeigten, dass Hubbles Sehvermögen endlich die angestrebte Schärfe erreicht hatte. Zwar ist das Spiegelobjektiv des Fernrohrs klein im Vergleich zu den acht oder gar zehn Meter großen Riesenteleskopen moderner Sternwarten. In einer Höhe von 560 Kilometern zieht das Teleskop seine Bahn jedoch außerhalb aller von der irdischen Atmosphäre verursachten Störungen. Deshalb ist seine Auflösung zehnmal besser als die seiner Geschwister auf der Erde. Selbst aus einer Entfernung von drei Kilometern könnte man mit Hubble die Beschriftung auf einer Münze lesen. Auch Wellenlängenbereiche wie ultraviolettes Licht kann es im Orbit beobachten.

Seit der Reparatur reißen sich Astronomen in aller Welt darum, das Auge im All auf ferne Sterne und Galaxien zu richten. Über ein Million Bilder hat Hubble in 25 Jahren geliefert, Woche für Woche überträgt das nach dem amerikanischen Astronomen Edwin Hubble benannte Instrument 120 Gigabyte wissenschaftlicher Daten zur Erde. In 12 800 Fachartikeln haben Forscher ihre dank Hubble erzielten Erkenntnisse präsentiert. Darunter sind viele bekannte Entdeckungen. So half das Weltraumteleskop beim Nachweis, dass sich der Kosmos nicht nur ausdehnt, sondern dass sich diese Expansion beschleunigt. Zuvor waren Forscher irrtümlich davon ausgegangen, dass die Anziehungskraft der Materie die Expansion seit dem Urknall abbremst.

Dunkle Energie und Schwarze Löcher - Hubble ermöglichte viele Entdeckungen

Bei der Vermessung des Universums orientieren sich Astronomen an explodierenden Sternen, Supernovae eines bestimmten Typs. Sie sind „Standardkerzen“, also Lichtquellen, deren Helligkeit man kennt und mit deren Hilfe sich die Distanz zu fernen Galaxien bestimmen lässt. Je weiter weg sie sind, umso weniger hell erscheinen sie von der Erde aus gesehen. Als Hubble Supernovae in mehreren Milliarden Lichtjahren Entfernung aufnahm, leuchteten diese noch schwächer als erwartet. Sie mussten also noch weiter entfernt sein, der Kosmos dehnte sich rasanter aus als angenommen. Die überraschten Forscher folgerten daraus, dass eine geheimnisvolle „Dunkle Energie“ den Weltraum erfüllt und die beschleunigte Expansion antreibt. Für diese Entdeckung erhielten Saul Perlmutter, Brian Schmidt und Adam Riess im Jahr 2011 den Physik-Nobelpreis.

Beim Nachweis gigantischer Schwarzer Löcher in den Zentren von Galaxien spielte Hubble ebenfalls eine wichtige Rolle. Nahezu jedes Sternsystem enthält ein solches Monster mit der millionen- oder gar milliardenfachen Masse unserer Sonne, zeigen die Messungen des Weltraumteleskops. Wenn Materie in diese Schwarzen Löcher hineinfällt, leuchten die Zentren der Galaxien hell auf und extrem energiereiche Teilchenstrahlen schießen Hunderttausende von Lichtjahren weit ins All hinaus.

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Das Teleskop hat Forschern zudem den tiefsten Blick ins Universum gewährt, das „Hubble Ultra Deep Field“. Dabei handelt es sich um eine Himmelsregion nahe dem Sternbild Orion, in dem es kaum Sterne im Vordergrund gibt, deren Helligkeit stören würde. Hubble konnte dort das schwache Licht sehr weit entfernter Galaxien einfangen. Die Strahlen waren bis zu 13 Milliarden Jahre unterwegs. Astronomen sehen diese Objekte daher in einem Zustand, wie er 800 Millionen Jahre nach dem Urknall herrschte. Sie blicken gleichermaßen bis in die Frühzeit des Universums.

Es sind die "schillerndsten, schönsten Kunstwerke unserer Zeit"

Die Liste geht weiter: Die überragende Sehschärfe von Hubble hilft unter anderem bei der Untersuchung von Planeten, die nicht unsere Sonne, sondern andere Sterne umkreisen. Nahezu 2000 solcher Exoplaneten haben die Himmelsforscher in den vergangenen 20 Jahren aufgespürt. 2001 gelang es Astronomen durch Hubble, Informationen über die chemische Zusammensetzung der Atmosphären solch ferner Welten zu gewinnen. Und 2008 meldete ein Forscherteam erstmals, dass sie Wasserdampf in der Lufthülle eines Exoplaneten nachweisen konnten.

Trotz all dieser Leistungen ist Hubble mehr als eine herausragende Maschine. Die große Zahl ästhetischer Aufnahmen von kosmischen Gaswolken und Galaxien haben aus Hubble eine Ikone gemacht. Über die Bilder sagt der britische Kritiker Jonathan Jones, es seien die „schillerndsten, schönsten Kunstwerke unsere Zeit“. Einige werden in Museen ausgestellt. Hubble-Aufnahmen zieren Buchumschläge und CD-Cover, sie inspirierten die Komponistin Paola Prestini gar zu einer „Hubble Cantata“.

Hubble wurde nicht nur gewartet, sondern immer wieder neu erfunden

Dass Hubble zum wohl bekanntesten wissenschaftlichen Instrument der Neuzeit wurde, verdankt das Teleskop nicht zuletzt der Öffentlichkeitsarbeit des Space Telescope Science Institute in Baltimore. Seit Beginn der Mission schreiben die Profis nicht nur Pressemitteilungen, sondern versorgen Schulen und Universitäten mit Lehrmaterial und faszinierenden Multimedia-Präsentationen.

Hobbyastronomen klassifizieren hunderttausende Hubble-Aufnahmen

Ein Vorbild ist Hubble ebenfalls im Umgang mit wissenschaftlichen Daten. „Die gewaltigen Datenmengen wurden von Anfang an rigoros archiviert und allen interessierten Wissenschaftlern zugänglich gemacht“, sagt Mario Livio vom Space Telescope Science Institute. Inzwischen werde mehr mit Archiv- als mit neuen Beobachtungsdaten geforscht. Um die Datenflut zu bewältigen, setzen die Wissenschaftler auch auf die Hilfe von Laien. Im Citizen-Science-Projekt „Galaxy Zoo“ klassifizieren Hobbyastronomen online hunderttausende Hubble-Aufnahmen.

Entscheidend für den andauernden Erfolg des Weltraumteleskops war noch etwas anderes: Von Anfang an war Hubble als Instrument geplant, das Astronauten im Orbit warten können. Bereits die erste Reparatur wäre ohne seinen modularen Aufbau unmöglich gewesen. Bei den vier weiteren Service-Missionen haben Astronauten das Teleskop nicht nur instand gesetzt, sondern geradezu neu erfunden. „Sonst würde es wahrscheinlich nicht mehr funktionieren“, sagt Livio. „Oder nur mit der Technik der 1970er Jahre!“

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Zuerst hatte Hubble Magnetbandkassetten als Speichermedien an Bord, sie wurden später gegen moderne Festspeicher ausgetauscht. Raumfahrer erneuerten die Solarzellen und installierten neue Kameras sowie Zusatzgeräte wie Spektrografen. 2010 sollte Hubble in Rente gehen, doch das Teleskop liefert weiterhin wertvolle wissenschaftliche Daten. Ein Ende ist nicht abzusehen.

Das Budget für Hubbles Nachfolger wäre beinahe gestrichen worden

Zwar plant die Nasa seit 1996 zusammen mit der europäischen und der kanadischen Weltraumbehörde ein Nachfolgeinstrument, das „James Webb Space Telescope“ JWST. Es soll einen 6,5 Meter großen Spiegel bekommen. Seine Entwicklung verzögerte sich jedoch mehrfach wegen technischer und finanzieller Probleme. 2011 hätte das US-Repräsentantenhaus das knapp neun Milliarden Dollar teure Projekt beinahe gestrichen.

Inzwischen ist das Fernrohr fast fertig, im Oktober 2018 soll es mit einer europäischen Ariane-5-Rakete starten. Im Gegensatz zu Hubble ist das JWST ein Infrarot-Teleskop. Die langwellige Strahlung eignet sich besonders, um die Entstehung von Sternen, Planeten und Galaxien zu untersuchen. Allerdings hat dieser Fokus ihren Preis. Infrarotes Licht ist Wärmestrahlung, deshalb stört die Wärme von Sonne, Erde und Mond bei den Beobachtungen.

Das JWST soll daher nicht um die Erde kreisen, sondern sich 1,5 Millionen Kilometer auf der sonnenabgewandten Seite von der Erde entfernt positionieren. Die gemeinsame Anziehungskraft von Sonne und Erde gleicht hier die Fliehkraft der Bahnbewegung aus, so dass das Teleskop – bis auf kleinere Korrekturen – seine Bahn antriebslos ziehen kann. Derzeit ist es für Astronauten unerreichbar, eine Wartung oder Reparatur wie bei Hubble ist gar nicht erst vorgesehen. „Daher durchläuft das Instrument eine unglaubliche Zahl peinlich genauer Tests“, sagt Livio. Dieses Mal kann niemand eine Fehlsichtigkeit im Nachhinein korrigieren.

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