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Hautnah: Polonaise mit Nobelpreisträgern

Die Lindauer Tagung soll Karriere-Schmiede für den Nachwuchs werden. Die Nobelpreisträger berichten hier auch über ihre Rückschläge.

Für Philipp Gerhold werden in dieser Woche in Lindau am Bodensee die Fußnoten seiner Diplomarbeit lebendig. Der Doktorand der Humboldt-Universität hatte immer wieder die Physik-Nobelpreisträger David Gross und Gerardus 't Hooft angeführt. "Ich habe sie viele Male gelesen und zitiert, aber sie nie gesehen, geschweige denn gesprochen", sagt Gerhold. Das kann er noch bis Freitag bei der Lindauer Tagung der Nobelpreisträger nachholen. 24 der Topforscher sind an den Bodensee gereist. Sie halten Vorträge für 550 Nachwuchsforscher aus 66 Ländern. Vor allem aber debattieren sie mit ihnen, plaudern beim Essen und bilden am Kennenlernabend zu Tanzmusik eine Polonaise.

Anders als früher ist die 1951 begründete Tagung aber keine harmlose Sommerfrische mehr. Das Kuratorium hat in den vergangenen Jahren eine strenge Auswahl durchgesetzt, nicht zuletzt weil Preisträger über wenig motivierte Studenten klagten. 20.000 Interessierte gab es dieses Jahr. Nationale Partner reduzierten sie auf 1200, aus denen das Kuratorium die 550 besten Studenten, Doktoranden und Post-Docs auswählte.

Wolfgang Schürer, Wirtschaftswissenschaftler und einflussreiches Mitglied im Kuratorium, sieht das Treffen als Begegnung der besten Forscher von heute und morgen - mit einem Nutzen über die Tage am Bodensee hinaus. 2009 entsteht eine Alumni-Datenbank mit 18.000 früheren Teilnehmern. Vom Lindauer Netzwerk sollen die Auserwählten noch Jahre profitieren. Schon heute wandern Vorträge und Diskussionen in ein Internetarchiv. In dieser Woche schauten in den ersten zwei Tagen 100.000 Nutzer für mehr als eine Stunde zu. "Die Tagung wird wieder als Spitzenanlass wahrgenommen", sagt Schürer. Japan kooperiert nach einer skeptischen dreijährigen Prüfung. Das Land soll überlegt haben, das Treffen abzuwerben. Es heißt, dies hätten nicht zuletzt Mittelzusagen von Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) verhindert.

Das internationale Publikum zum Auftakt der Tagung nutze Schavan, um eine Botschaft an Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zu formulieren. Ihr Etat im Bundeshaushalt müsse nach 2009 weiter steigen, sagte sie. Anders sei das in der Europäischen Union vereinbarte Ziel nicht zu erreichen, im Jahr 2010 drei Prozent des Bruttoinlandproduktes für Forschung und Entwicklung auszugeben. "Wer in Europa mit diesem Ziel fahrlässig umgeht, verbaut die Zukunft", sagte Schavan.

Noch einmal mehr Geld forderte Fraunhofer-Präsident Hans-Jörg Bullinger. Die außeruniversitären Forschungsorganisationen würden von steigenden Kosten für Gehälter und Energie gebremst. Wie berichtet, klagen die Wissenschaftsorganisationen, dass der im Pakt für Forschung garantierte jährliche Zuwachs von drei Prozent dadurch verbraucht werde. Bei einem nächsten Pakt für Forschung müsse die Etatsteigerung "deutlich über dem Doppelten" liegen, sagt Bullinger.

Doktorand Gerhold interessieren in Lindau nicht politische Forderungen, sondern hautnahe Spitzenwissenschaft. Offen berichten die Nobelpreisträger auch über Rückschläge. "Von diesen Zweifeln steht nirgendwo etwas in der Literatur", sagt Gerhold. Die Tagung im Internet: www.lindau-nobel.de

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