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Hepatitis-C-Infektionen schaden der Leber, sodass mitunter eine Transplantation nötig wird.

© picture alliance / dpa / Angelika Warmut

Hepatitis C: Frei von der Leber weg

Der „stille Killer“ Hepatitis C – vor wenigen Jahrzehnten noch unbekannt – ist inzwischen heilbar.

Axel hat sich mit dem Virus vermutlich schon zu einer Zeit angesteckt, als die Fachwelt es noch gar nicht kannte. Das könnte während seiner Aushilfstätigkeit in einem Krankenhaus passiert sein, noch zu Studienzeiten. Von der Leberentzündung, die das unbekannte Virus hervorrufen kann, wusste man damals nur, dass sie keine Hepatitis vom Typ A oder B war. Aus Verlegenheit nannte man sie bis 1989 „Non-A-Non-B-Hepatitis“.

Verlegen waren die Ärzte lange Zeit auch um eine Therapie. Ohne Behandlung kann die chronische Lebererkrankung zu krankhaften Einlagerungen von Bindegewebe (Fibrose), zu Vernarbungen (Zirrhose) und sogar zu Krebs im Entgiftungsorgan Leber führen. Axel, heute 65 Jahre alt, Familienvater, beruflich erfolgreich, fühlte sich viele Jahre nicht wirklich krank, nur oft unerklärlich müde und schlapp. Ihn plagten Allerweltssymptome, nicht etwa drastische Beschwerden. „Der Schmerz der Leber ist die Müdigkeit“, lautet der dazu passende Merksatz.

Eine Erfolgsgeschichte für die Forschung

Bei Axel wurde die Diagnose erst 1998 gestellt, nachdem zuvor erhöhte Leberwerte aufgefallen waren. Inzwischen gab es auch eine Behandlung. Die Spritzen mit Interferon-alpha, die für die Patienten oft über ein Jahr lang jede Woche fällig waren, vertrugen die meisten von ihnen allerdings schlecht. Das Eiweiß rüttelt das Immunsystem zum Kampf auf, viele fühlen sich unter seinem Einfluss im Zustand der Dauer-Grippe, abgeschlagen und appetitlos. Zudem kam die Behandlung nur für eine Minderheit der Patienten infrage. Und nur 13 Prozent von ihnen schlossen sie ab.

Immerhin: Insgesamt drei Prozent der Infizierten wurden nachhaltig vom Virus befreit. „Seitdem wissen wir, dass Hepatitis C heilbar ist“, sagt Claus Niederau, Internist am Katholischen Klinikum Oberhausen. „Das hat der Forschung einen enormen Schub versetzt.“

Ein paar Jahre lang überschlugen sich die Studienergebnisse regelrecht, seit 2014 sind Arzneimittel auf dem Markt, die man nur acht bis 24 Wochen einnehmen muss. Sie sind weit verträglicher, kommen für fast alle Betroffenen infrage und können Heilungsraten von 95 Prozent vorweisen. Die „Direct-Acting Antivirals“ (DAA) hemmen mit verschiedenen Strategien direkt die Vorgänge, die die Viren für ihre Vervielfältigung in den Leberzellen nutzen. Schon die Auswahl dieser kostspieligen Medikamente ist eine Wissenschaft für sich. In einer wissenschaftlich fundierten Behandlungsempfehlung (Leitlinie) ist festgehalten, welches von ihnen sich für welchen der sechs genetischen Typen des Virus und die Situation des Patienten eignet. Fortsetzung folgt.

Viele wissen nicht, dass sie infiziert sind

Um den Kampf gegen die Viren aufnehmen zu können, muss man zunächst von der Infektion wissen. Das Robert-Koch-Institut nennt eine Zahl von 250 000 Infizierten in Deutschland und weist zugleich auf eine hohe Dunkelziffer hin. Der Leberspezialist Michael Manns von der Medizinischen Hochschule Hannover schätzt, dass rund 40 Prozent der Betroffenen nichts von der Infektion wissen.

Mit der in der vergangenen Woche gestarteten Aufklärungskampagne „Bist du Chris?“ will die „Initiative pro Leber“, deren Vorsitzender Manns ist und die von der Deutschen Leberstiftung, der Patientenorganisation Deutsche Leberhilfe e.V. und der Pharmafirma Gilead Sciences gemeinsam getragen wird, das Wissen der Bevölkerung über Risiken und Therapiemöglichkeiten vergrößern (www.bist-du-chris.de). „Chris“ wurde dabei als häufiges Vornamens-Kürzel mit passendem Anfangsbuchstaben gewählt, das jeden und jede veranlassen soll, sein Risiko zu prüfen. „Ein Kernziel unserer Kampagne ist, dass sich möglichst viele testen lassen“, sagt Claus Niederau. Das geht mit einem einfachen und preisgünstigen Antikörper-Bluttest, dem, falls nötig, ein Bestätigungstest folgt, bei dem gezielt nach der Erbsubstanz RNS des Virus gefahndet wird. Auf alle Fälle sollten diejenigen getestet werden, deren erhöhte Leberwerte bei einem Check-up durch den Hausarzt auffallen.

Zwei Drittel wissen nicht, dass Hepatitis-C heilbar ist

Wie eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsunternehmens GfK kürzlich ergab, weiß nur knapp ein Drittel der Bevölkerung, dass Hepatitis C mittlerweile heilbar ist, zwei Drittel sind aber der falschen Überzeugung, dass man sich mit einer Impfung schützen kann. Nur sieben Prozent der Befragten meinen, dass sie persönlich Kontakt mit dem Virus gehabt haben könnten, das bei Blut-zu-Blut-Kontakt zehnmal so ansteckend ist wie HIV.

Zwar stimmt es, dass Blutprodukte und -konserven, die vor 1992 eine Gefahrenquelle darstellten, heute sehr sicher sind. Doch Infektionen können lange zurückliegen. Als besonders gefährdet gilt außerdem nach wie vor, wer sich Drogen in die Venen spritzt, wer länger in einem Land mit hoher Verbreitung der Infektionskrankheit gelebt hat, wer mit Infizierten sexuellen Kontakt hat oder sie in Klinik und Arztpraxis behandelt. Auch beim unsachgemäßen Piercing und Tattoo-Stechen kann man sich anstecken.

Weltgesundheitsorganisation und deutsche Bundesregierung haben sich das Ziel gesetzt, die Krankheit bis zum Jahr 2030 zu eliminieren. Einer Modellrechnung der Deutschen Leberhilfe zufolge könnte das mit den vereinten Kräften gezielter Diagnostik und wirkungsvoller Verhinderung von Neuerkrankungen gelingen. Neben mehr Tests sollte es deshalb verstärkt Aufklärung zum Spritzenaustausch bei Drogenkonsum und zum geschützten Geschlechtsverkehr, aber auch zur Sorgfalt beim Umgang mit Instrumenten im Gesundheitssektor geben. Der Name der bis 1989 namenlosen Krankheit wird in Zukunft also häufiger in der Öffentlichkeit auftauchen.

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