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Herzenssache. Eine Bypass-Operation ist bei Mehrgefäßerkrankungen meist die bessere Wahl.

© picture alliance / BSIP

Herzmedizin: Der Bypass bewährt sich

Chirurgie oder Katheter für Herzkranke? Vor allem in schweren Fällen ist die Gefäßumgehung der Gefäßstütze noch immer überlegen, zeigen Studien.

Bei Herzkranken hat die Bypass-Chirurgie längst nicht ausgedient. In Fällen von ausgedehnter Gefäßverengung der Herzkranzgefäße ist sie modernen Gefäßstützen (Stents), die mit einem Schlauch (Katheter) eingesetzt werden, häufig noch immer überlegen. Das ergaben zwei Untersuchungen, deren Ergebnisse nun im Fachblatt „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurden.

Das Herz wird durch die Herzkranzgefäße mit Blut versorgt. Sind diese wegen einer Gefäßverkalkung und -verfettung (Arteriosklerose) stark verengt, verursacht das einschnürende und brennende Schmerzen, Angina pectoris („Brustenge“) genannt. Reißt die Gefäßwand über den Ablagerungen in der Schlagader, kann das zu einem Blutgerinnsel führen, das das Gefäß verstopft – Herzinfarkt.

Wenn Medikamente nicht mehr helfen, werden die Engstellen in den Herzschlagadern meist von Herzspezialisten (Kardiologen) mit einem Ballon aufgedehnt und dann mit einem Stent aus feinem Maschendraht offen gehalten.

Mehr und mehr haben die Stents die Bypass-Chirurgie verdrängt, bei der die Engstelle mit einem Ersatzgefäß umgangen wird. Wann welches Verfahren eingesetzt wird, ist mittlerweile eine Wissenschaft für sich. Stark vereinfacht gesagt: Ein- und Zweigefäßerkrankungen sind heute eher Domäne der Stents. Bei Dreigefäßerkrankungen und bei diffusem, ausgedehntem Befall einer Schlagader ist die Herzchirurgie noch dem Stent überlegen.

Oder doch nicht? Moderne Stents sind mit Medikamenten beschichtet, die die Gefahr von Wiederverschlüssen des Gefäßes und damit erneuter Behandlungen gegenüber reinen Metall-Stents verringern. In zwei Studien wurde untersucht, wie sich beschichtete Stents der zweiten Generation im Vergleich zum Bypass schlagen. Und zwar bei Patienten, bei denen zwei oder drei Gefäße befallen waren.

Von Gewicht ist vor allem eine Untersuchung südkoreanischer Forscher, die 880 Patienten zufällig entweder mit einem mit dem Wirkstoff Everolimus beschichteten Stent oder mit Bypass behandelten. In dieser „Best“ abgekürzten Studie stellte sich nach im Mittel viereinhalb Jahren heraus, dass in der Gruppe der Stent-Patienten deutlich mehr Herzinfarkte auftraten und erneute Gefäßbehandlungen erforderlich waren. Todesfälle waren in den Gruppen gleich häufig.

In einer zweiten Studie werteten Forscher rückblickend Daten von 18 000 Herzpatienten mit Zwei- und Dreigefäßerkrankungen aus, die von der New Yorker Gesundheitsbehörde gesammelt worden waren. Jeweils die Hälfte war mit Everolimus-beschichtetem Stent oder mit Bypass behandelt worden.

Patienten mit Stent hatten später häufiger Herzinfarkte

Nach im Mittel drei Jahren zeigte sich ein ähnliches Bild wie in der koreanischen „Best“-Studie. Stent-Patienten hatten ein höheres Infarktrisiko – vor allem wenn die Stent-Behandlung nicht komplett erfolgreich war. Auch erneute Behandlungen waren öfter erforderlich. Dafür war das Schlaganfallrisiko geringer, das vor allem in der Frühphase nach der Operation bei Bypass-Patienten höher ist. Todesfälle traten in beiden Gruppen gleich häufig auf.

Beide Untersuchungen haben Mängel. Die Best-Studie wurde vorzeitig abgebrochen, weil viel weniger Patienten als erhofft teilnahmen. Und die New Yorker Untersuchung ist anfällig für statistische Verzerrungen, weil die Informationen im Nachhinein gesammelt wurden. Dennoch hält der Hamburger Herzspezialist Thomas Meinertz, Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung, sie für durchaus aussagekräftig. Obwohl es immer auf den Einzelfall ankomme, spreche vieles dafür, bei einer Dreigefäßerkrankung eher der Bypass-Chirurgie den Zuschlag zu geben. Auch bei einer Zweigefäß-Erkrankung sei das mitunter erforderlich.

In Herzkonferenzen beraten verschiedene Disziplinen gemeinsam über das Vorgehen

Kardiologen neigen aus Sicht von Meinertz mitunter dazu, den Patienten nicht ausreichend über die Bypass-Alternative zu informieren. Die internistischen Herzspezialisten sind häufig die erste Anlaufstelle für den Kranken und stellen die Weichen für die Therapie.
Entscheidend sei, dass der Patient dazu befähigt werde, die für ihn richtige Entscheidung zu treffen, sagt der Herzchirurg Volkmar Falk, Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums Berlin. Dazu müsse er die Vor- und Nachteile beider Methoden kennen. Falk wie Meinertz befürworten zudem Herzkonferenzen, in denen Kardiologen und Chirurgen zusammen über die beste Behandlung eines Patienten beratschlagen. Am Ende kann sogar eine eine gemeinsame Therapie stehen. Zunächst legt der Herzchirurg einen Bypass, danach versorgt der Kardiologe jene Gefäße, die sich mit einem Bypass nur schwer versorgen lassen.

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