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Foto: Pressedienst Bremen/Sarbach

© JOERG SARBACH

Wissen: Hirnforscher auf dem Bildungstrip Gerhard Roth im Wissenschaftssalon

Die wichtigste Frage beantworten beim fünften Tagesspiegel-Wissenschaftssalon die Zuhörer selbst. „Und noch eine Frage, wenn Sie mögen“, steht auf einem am Eingang zu der Veranstaltung mit dem Hirn- und Bildungsforscher Gerhard Roth verteilten Quizbogen: „Was heißt für Sie Bildung?

Die wichtigste Frage beantworten beim fünften Tagesspiegel-Wissenschaftssalon die Zuhörer selbst. „Und noch eine Frage, wenn Sie mögen“, steht auf einem am Eingang zu der Veranstaltung mit dem Hirn- und Bildungsforscher Gerhard Roth verteilten Quizbogen: „Was heißt für Sie Bildung?“ Die Antworten, die Moderator Hartmut Wewetzer, Leiter des Wissenschaftsressorts beim Tagesspiegel, nach der Pause vorliest, könnten vielfältiger kaum sein: „Nicht nur Anwendung, sondern Bereicherung“, schreibt eine, „Das Bewusstsein, über Bildungslücken zu verfügen, und der Schmerz, wenn sie sich schließen“ ein anderer. Für eine dritte ist Bildung schlicht „Lebensqualität“.

Dass Bildung a priori wichtig ist, daran lässt Roth, der mit einem Impulsvortrag und anschließender Diskussion sein neues Buch „Bildung braucht Persönlichkeit“ (Klett-Cotta 2011) vorstellt, von Beginn an keinen Zweifel. Bildung, die für Roth – darin durchaus konservativ – anscheinend primär in Wissen und Strategien zum Wissenserwerb besteht, sei ebenso wichtig zur Gewaltprävention wie für den Erfolg im späteren Leben. Die Tatsache, ob ein Kind einem bildungsnahen oder bildungsfernen Elternhaus entstamme, mache einen Unterschied von bis zu 30 IQ-Punkten bei Intelligenztests aus. „Wenn wir Kinder intelligenter machen wollen, müssen wir ganz neu anfangen“, ist sich Roth sicher – und kommt schnell zum Kern seines bildungspolitischen Engagements, für das das jüngst erschienene Buch als neurobiologisch und psychologisch tiefgründige Streitschrift gelesen werden kann: „Hirnforschung kann keine guten Lehrer machen, aber sie kann sagen, warum gute Lehrer gut sind, und schlechte Lehrer besser machen“, und Roth selbst ist es, der gleich die ersten Anregungen in diese Richtung gibt: Die Art der schulischen Wissensvermittlung sei „äußerst ineffektiv“, der „behördliche Wahn“, permanent die Stofflast zu erhöhen, sei falsch. Weniger ist laut Gerhard Roth mehr, wenn es darum geht, Unterrichtsstoff effektiv in die Köpfe zu bekommen. Wie im Straßenverkehr gebe es auch beim Zugang zum Langzeitgedächtnis ein „Optimum des Durchflusses pro Zeit“, eine „hirngerechte Darbietung des Stoffes“ sei daher ebenso unerlässlich wie Fleiß und Wiederholung auf Seiten der Lernenden.

Wie genau nun ein pädagogisches System aussehen müsste, das auch die Potenziale Bildungsferner optimal fördert, das vermag Roth, der neben seinen Tätigkeiten als Hirnforscher an der Uni Bremen und Buchautor auch Präsident der Studienstiftung des deutschen Volkes ist, dem kritischen Berliner Publikum freilich nicht in allen Details zu erklären. Zumal er immer wieder selbst betont, wie wichtig das Heranwachsen im bildungsnahen Milieu gerade in den ersten Lebensjahren ist: „Wenn ein Kind von der Geburt an einen liebevollen, toleranten, kultivierten und bibliophilen Umgang erfährt, wird es dieses Kind hinterher leichter haben.“ Deshalb sei auch jede Romantik bezüglich des Systems Familie unangebracht. „Kinder, die in Elternhäusern heranwachsen, die ihnen massiv auch intellektuell schaden, müssen da raus. Ganz klar.“ Johannes Schneider

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