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Hochschulen: Begehrte Alumni

Für Hochschulen wird der Kontakt zu Ehemaligen immer wichtiger. Wie Berliner Unis um sie werben.

Jeden Freitagnachmittag geht Stefan Wolff in die Technische Universität Berlin. Dabei hat der 45-jährige Familienvater seinen Abschluss schon 1989 gemacht. Doch die fünf Jahre Studium im Wirtschaftsingenieurwesen haben Wolff so gut gefallen, dass er auch als Alumnus den Kontakt mit der Universität hält. Um ihre Studenten zu ermutigen, selber Unternehmen zu gründen, lädt die TU als Referenten für Vorträge und Vorlesungen Ehemalige ein, die dieses bereits getan haben. So wie Wolff, der im Jahr 2000 mit zwei Geschäftspartnern die 4flow AG gegründet hat, ein Unternehmen für Logistikplanungssoftware und -beratung. Nun tauscht er jede Woche für zwei Stunden sein Büro gegen einen Uniraum der TU und hält eine Veranstaltung.

Nicht nur die TU will den Kontakt zu den Alumni aufrechterhalten und nutzen. Nachdem die Ehemaligen-Arbeit in anglo-amerikanischen Universitäten eine Selbstverständlichkeit ist, holen auch die deutschen Hochschulen auf. An vielen Hochschulen wurden übergreifende und fachbezogene Alumni-Vereine eingerichtet. Die TU hält zu 25 000 Absolventen aus 134 Ländern Kontakt, die Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freunde, Förderer und Ehemaligen der Freien Universität Berlin zählt derzeit 2900 Mitglieder.

Die Ehemaligen werden zu Kongressen, Vortragsabenden oder auch zu einer jährlichen „Ehrenrunde“ wie bei der Universität der Künste eingeladen – dabei wird jeweils ein Fachbereich der Uni vorgestellt. Der Präsident der Humboldt-Universität hat alle Alumni aufgefordert, „ob Studienjahrgang 1930 oder 2000“ vor, zum 200-jährigen Jubiläum der Universität zu kommen. Zum „Alumni-Homecoming“ Mitte Oktober fanden fast 600 den Weg an die HU. Angeboten wurden auch Workshops über „Alumni-Arbeit – was ist das?“ oder „Aufbau einer Alumni-Initiative“, die die Eigeninitiative der Ehemaligen stärken sollten.

Manche Hochschulen verschicken Informationen zu Weiterbildungsangeboten und neuen Projekten an ihre Ehemaligen, einige bieten ihnen Vergünstigungen beim Hochschulsport an, stellen E-Mail-Accounts mit dem Uninamen oder Bibliotheksausweise zur Verfügung. Ehemalige FU-Studenten konnten sich im September noch einmal miteinander messen – beim zweiten Alumni-Golfcup der Universität.

In Alumnimagazinen, per Post oder Mail werden die Ehemaligen über die neusten Entwicklungen an ihrer Alma mater informiert und erfahren in Rubriken wie „Klatsch und Tratsch“ etwa, dass ihr einstiger Kommilitone nun aus religiösen Gründen kein Bier mehr trinke. Auch professionelle Vorteile sollen die Ehemaligen haben, so bietet beispielsweise die Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin mit ihrer Internetplattform Agenturen und Veranstaltern an, in der Datei Alumni nach Kriterien wie Instrument oder Studiengang zu suchen.

Neben den ganzen Angeboten für die Ehemaligen ist auch der Alumnus als Spender ein Thema. Dorothea Rüland, neue Generalsekretärin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und bis vor kurzem Direktorin des Center for International Cooperation der FU, sagt jedoch: „Im anglo-amerikanischen Bereich ist die internationale Alumni-Arbeit schon viel länger etabliert als in Deutschland. Allerdings hat das in den USA stark mit Fundraising, also der Spendenwerbung zu tun. Das steht bei den deutschen Universitäten noch nicht primär im Fokus.“ Stattdessen sei das erste Ziel, mit den ehemaligen Studenten in Kontakt zu bleiben. Die Arbeit werde also aus ideellen Gründen gemacht.

So sind auch die Jahresbeiträge der Alumni-Vereine überschaubar: Ehemalige Studenten der Beuth Hochschule zahlen nichts, Absolventen der Hochschule für Wirtschaft und Recht werden um 15 Euro gebeten. Bei den fachbezogenen Vereinen der Humboldt-Universität erhebt nur die Alumni-Vereinigung der Charité Mitgliedsbeiträge.

Eine Hochschule profitiere auch ohne großzügige Mäzene von den bestehenden Kontakten, sagt Rüland: „Die Ehemaligen können Türen in ihren Heimatländern öffnen, Werbung für ihre Alma Mater machen, indem sie etwa auf Messen von ihren Erfahrungen an ihrer Uni berichten.“ Erfolgreiche Alumni seien „die besten Botschafter, die eine Universität haben kann“. Außerdem seien die Alumni stets Ansprechpartner, wenn die Universität nach guten Doktoranden und zuverlässigen Partnern für Forschungsprojekte sucht.

Doch auch die Absolventen wollen von der bestehenden Verbindung profitieren. Aus sentimentalen Erinnerungen an die wilde Studentenzeit bleibt kaum noch ein Alumnus in seiner Ehemaligen-Gesellschaft. An erster Stelle steht nicht mehr die emotionale Verbundenheit, sondern ganz klar der berufliche Nutzen, den der Alumnus aus der Verbindung ziehen kann. Außerdem seien Studenten nicht mehr so stark an eine einzige Universität gebunden, sagt Rüland. „Junge Leute sind heute sehr viel mobiler als noch vor zehn oder 20 Jahren. So kommt es, dass viele Absolventen Alumni mehrerer Universitäten sind. Insofern müssen Universitäten heute stärker um ihre Absolventen werben.“

Das gilt auch für die Studenten, die aus dem Ausland kommen und möglicherweise nur wenige Semester in Berlin verbrachten. Die Freie Universität betreibt die internationale Alumniarbeit hauptsächlich über sieben Verbindungsbüros in New York, Peking, New Delhi, Brüssel, Moskau, Kairo und Rio de Janeiro. Doch auch in den Ländern, in denen die FU keine Außenbüros hat, sollen die ehemaligen Studenten nicht in Vergessenheit geraten. So plant Gottfried Gügold, Referent für Universitätspartnerschaften, ein Ehemaligen-Treffen in Tokio. Gügold möchte dort ehemalige Studenten ermutigen, einen Alumni-Verein zu gründen.

„In Taiwan haben wir vor zwei Jahren bereits so ein Treffen initiiert, damals sind etwa fünfzehn Leute gekommen“, sagt Gügold. „Doch es reicht, mit einem kleinen Grüppchen anzufangen.“ Denn um die eigentliche Vereinsgründung müssten sich die Absolventen ohnehin selber kümmern. Dabei könnten sie jedoch von der Universität unterstützt werden – etwa indem ihnen die Universität eine Datenbank der Absolventen zur Verfügung stellt. Tokio sei jedenfalls ein attraktives Ziel für die Universität, sagt Gügold. Schließlich hat die FU neben Nord-Amerika Ost-Asien mit China, Korea, Taiwan und Japan als Schwerpunktregion.

TU-Alumnus Stefan Wolff schaut sich bei seinen Vorträgen die Studenten genau an, schließlich könnte ein neuer Mitarbeiter vor ihm sitzen. Bei der 4flow AG arbeiten mittlerweile über 20 Absolventen der Technischen Universität.

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