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Hochschulen: Die Elite wird vertagt

Bund und Länder können sich bei einem Treffen am Montag in Berlin nicht über die großen Programme für die Wissenschaft einigen.

Die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern haben die drei großen Programme für die Wissenschaft trotz monatelanger Vorbereitungen nicht wie geplant am gestrigen Montag beschlossen: Die Fortsetzung der Exzellenzinitiative der Universitäten, des Hochschulpakts für neue Studienplätze und des Forschungspakts für die großen Forschungseinrichtungen, zu der sich Bund und Länder beim Bildungsgipfel im Oktober 2008 bekannt hatten, hängen wegen eines Streits um Studienplätze zwischen SPD und CDU weiter in der Luft. Die Wissenschaftsminister der Länder haben nun eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Sie hoffen, sich Ende April in einer Sondersitzung einigen zu können. Die drei Programme sollen nur gemeinsam beschlossen werden. Am 4. Juni wollen die Ministerpräsidenten bei ihrem Treffen die endgültigen Beschlüsse für die Aufnahme der Programme in die mittelfristige Finanzplanung 2011 bis 2015 fassen. Bis dahin soll ein beschlussfähiges Konzept der Wissenschaftsminister vorliegen. Der Streit untergrabe „abermals die Glaubwürdigkeit der Politik“, erklärte die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Margret Wintermantel, im Anschluss.

Immerhin besteht unter den Wissenschaftsministern Einigkeit über die finanzielle Ausstattung der Programme. Für alle drei werde von einem Finanzvolumen in Höhe von 16 Milliarden Euro bis 2018 ausgegangen, erklärte Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan (CDU). Davon werde der Bund 11 Milliarden Euro aufbringen, die Länder fünf Milliarden. Alle drei Fortsetzungsprogramme sollen besser ausgestattet werden als ihre Vorläufer.

Die Exzellenzinitiative, die in ihrer ersten Runde ein Volumen von 1,9 Milliarden Euro hat, soll auf 2,4 Milliarden Euro aufgestockt werden. Die HRK hatte eine 50-prozentige Erhöhung der Mittel gefordert. Sie zeigte sich jetzt enttäuscht: Bund und Länder würden der Bedeutung des Exzellenzwettbewerbs nicht gerecht, erklärte HRK-Präsidentin Margret Wintermantel.

Die jährliche Budgetsteigerung der großen außeruniversitären Einrichtungen von bislang drei Prozent im Pakt für Forschung soll auf fünf Prozent angehoben werden.

Im Hochschulpakt II, mit dem 275 000 zusätzliche Studienplätze geschaffen werden, soll ein Studienplatz nun mit 26 000 Euro über vier Jahre bezuschusst werden. Im Hochschulpakt I, mit dem 91 000 neue Studienplätze bis 2010 geschaffen werden sollen, waren die Kosten für einen Studienplatz mit 22 000 Euro über vier Jahre zu knapp kalkuliert. Mit dieser Summe konnte man zwar preiswerte neue Studienplätze in den Massenfächern der Geistes- und Sozialwissenschaften an den Universitäten sowie Studiengänge an den Fachhochschulen finanzieren. Die Studienplatzkosten für die Natur- und Ingenieurwissenschaften an den Universitäten liegen jedoch mit 27 000 bis 29 000 Euro weit darüber.

Von den jetzt zusätzlich bereitzustellenden 4000 Euro sollen 3000 Euro in die bessere Betreuung der künftigen Studenten in den Bachelorstudiengängen fließen. Aber auch die neue Kalkulation ist denkbar knapp berechnet. In den Jahren 2011 bis 2015 kommen für eine bessere Betreuung 82,5 Millionen Euro zusammen. Der Wissenschaftsrat hält ganz andere Summen für notwendig: Wenn die Lehre für alle Studenten und nicht nur für die künftigen Studienanfänger nachhaltig aufgewertet werden solle, müssten pro Jahr 1,1 Milliarden Euro zusätzlich aufgewendet werden. Das wären in der mittelfristigen Finanzplanung allein 5,5 Milliarden Euro für eine bessere Betreuung.

Der Beschluss der drei Programme ist im Wesentlichen am Streit um neue Studienplätze im Hochschulpakt II gescheitert. Der Bund und die CDU-regierten Länder bestehen darauf, dass der Pakt II unter denselben Abrechnungsbedingungen zu stehen hat wie der Pakt I. Danach sollte als Bezugsjahr für neu zu schaffende Studienplätze das Jahr 2005 gelten – für alle weiteren Hochschulpakte bis 2020.

Dagegen bestehen die von der SPD regierten Länder auf dem Prinzip „Geld folgt den Studierenden“: Es soll bei der Abrechnung berücksichtigt werden, wie viele Studierende ein Bundesland aus anderen Ländern bei sich ausbildet. Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner vertritt für die SPD-regierten Länder die Auffassung, dass einzelne Länder und Stadtstaaten schon weit mehr Studienplätze eingerichtet hätten, als sie nach Pakt I gemusst hätten. Sie würden auch über den eigenen Bedarf hinaus Studierende ausbilden. Diese zusätzlichen Leistungen müssten jetzt endlich bezahlt werden.

Die unionsregierten Länder sehen in diesem Prinzip jedoch die Forderung nach einem zweiten Finanzausgleich, den besonders die reichen Länder, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, zu leisten hätten. Bundesbildungsministerin Schavan unterstützt die Position der Unionsländer. Schließlich sei im Hochschulpakt I verabredet worden, die neugeschaffenen Studienplätze „spitz abzurechnen“: Das bedeutet, jedes Land soll diejenigen Plätze bezahlt bekommen, die es zusätzlich geschaffen hat und die auch besetzt worden sind. Bei der Abrechnung könnten nicht besetzte Plätze dazu führen, dass ein Land vom Bund erhaltenes Geld zurückzahlen muss, während ein Land, das mehr Studienplätze aufgebaut hat als verabredet, mehr Geld bekommt.

„Alle drei Pakte sind von zentraler Bedeutung für die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland und für die Attraktivität des Wissenschaftsstandorts“, sagte Schavan. Deswegen seien sie auch als Signal an die Wirtschaft zu verstehen und müssten in Zeiten der Finanzkrise beschlossen werden. Jan-Hendrik Olbertz, Kultusminister von Sachsen-Anhalt, kritisierte die SPD-Länder. Die Debatte um ein neues Modell zur Studienfinanzierung müsse vom Hochschulpakt entkoppelt werden. Sonst drohe der Pakt zu scheitern.

Auch über ein neues Stipendiensystem im Zusammenwirken von Staat und Wirtschaft konnten sich die Wissenschaftsminister nicht einigen. Dieses System sollte neben die Studienförderung durch das Bafög und neben die Begabtenförderung treten. Studierende in Ländern, die Gebühren verlangen, sollten aus dem Topf Geld ohne soziale Bedingungen bekommen. Die Einigung scheiterte daran, dass die neuen Länder im Osten nicht erwarten, dass die dortige Wirtschaft in der Lage sein wird, ihren Beitrag für die Stipendien zu leisten. Uwe Schlicht

Uwe Schlicht

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