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Hochschulen: Die Pleiten der Privatunis

Beispiel Witten-Herdecke: Nichtstaatliche Universitäten in Deutschland sind immer wieder in ihrer Existenz bedroht. Verlässliche Finanziers sind rar.

Nach dem Präsidenten der Privatuniversität Witten-Herdecke (UWH) ist jetzt auch ihr Vizepräsident zurückgetreten. Maxim Nohroudi, der gleichzeitig Geschäftsführer war, stellte am Montag seine beiden Ämter zur Verfügung, „um der Universität strategisch wie personell einen Neuanfang zu ermöglichen“. Er könne „neue strategische Optionen“, die der Mehrheitsgesellschafter der Privatuni anstrebe, nicht unterstützen, hieß es am Nachmittag in einer Erklärung.

Hochschulsprecher Ralf Hermersdorfer sagte, die Universität verhandle über ein Konsortium unter Führung einer Stiftung der Darmstädter Software AG. Bei einem Scheitern der Gespräche sei ein Insolvenzantrag noch vor Weihnachten möglich. Am Montagabend gab es beim nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) ein Krisengespräch mit Vertretern der Uni und „potenziellen neuen Partnern“, sagte ein Ministeriumssprecher dem Tagesspiegel. Es werde darum gehen, „welchen Beitrag die Partner leisten können und ob sich das Land 2009 wieder an der Finanzierung beteiligen kann“. Vor einer Woche hatte NRW der Uni wegen Mängeln in der Geschäftsführung den 4,5-Millionen-Zuschuss für 2008 gestrichen sowie drei Millionen Euro aus dem Jahr 2007 zurückgefordert. Das Land hat bislang jährlich Lücken im Etat der Uni ausgeglichen.

Zu Spekulationen über einen Nachfolger im Präsidentenamt – laut „Handelsblatt“ soll der Tübinger Neurologe Johannes Dichgans im Gespräch sein – äußerte sich die Universität nicht. Der bisherige UWH- Präsident Birger Priddat war in der vergangenen Woche zurückgetreten. Als er im August 2007 seinen Lehrstuhl an der privaten Zeppelin-University in Friedrichshafen räumte, um nach Witten-Herdecke zu gehen, hatte ihm der dortige Präsident Stephan Jansen viel Erfolg gewünscht – „im Interesse des ganzen privaten Hochschulsektors in Deutschland“.

Das Schicksal der 1982 gegründeten ersten deutschen Privathochschule gilt als paradigmatisch für die Zukunft der Privaten, denn Finanzknappheit ist ihre chronische Krankheit. Legendär ist der Satz des UWH-Gründers Konrad Schily: „Kein Geld hatten wir immer schon.“ 30 Prozent ihres Etats erhält die Uni von Sponsoren aus der Wirtschaft, darunter die Gründungsstifter Bertelsmann und Deutsche Bank. Zu den weiteren Förderern gehören die Stiftung Mercator, die Ernst & Young AG, McKinsey und die August Oetker KG. Aber die Suche nach einem neuen Großsponsor ist schwierig: Verhandlungen mit dem Gesundheits- und Bildungskonzern SRH scheiterten 2007 ebenso wie die mit der Software-Stiftung. Im August dieses Jahres sprang der aktuelle Hauptförderer der UWH ab, die Düsseldorfer Unternehmensberatung Droege. Damit verlor die Universität zugesagte zwölf Millionen Euro für sieben Jahre.

Erstmals geriet Witten-Herdecke 1989 in ernsthafte Finanznöte. Damals wurde die Uni in die staatliche Hochschulbauförderung aufgenommen – und erhielt 34,5 Millionen Euro vom Bund und vom Land NRW. 1994 kam die nächste Krise, der Hochschule fehlten sieben Millionen Mark. Die Landesregierung gab die lange verweigerte Genehmigung, Studiengebühren zu erheben – heute sind es für elf Semester Zahnmedizin 45 000 Euro, für sechs Semester Wirtschaftswissenschaften 23 000 Euro und für den Bachelor in „Philosophie und Kulturreflexion“ 14 400 Euro. Nur sieben Prozent machen die Gebühren aus sechs Studiengängen im Gesamtetat von rund 30 Millionen Euro aus. Spektakulär war, dass das Land der UWH 1994 erstmals einen Etat zuschuss von 25 Prozent der nachgewiesenen Einnahmen bewilligte. Drei Jahre später forderte die weiterhin schwächelnde UWH eine regelmäßige Landesförderung von zehn Millionen Euro jährlich – sie wurde für zunächst fünf Jahre gewährt.

Die drohende Pleite blieb bis heute ein ständiger Begleiter auch anderer Privathochschulen. Weitere Gründungsversuche wie die Nordische Universität in Flensburg und Neumünster oder die Medizinische Hochschule in Ingolstadt scheiterten in den frühen 90er Jahren schon in den Anfängen. Das jüngste Beispiel ist die Hanseuni in Rostock. Die „erwartete Nachfrage nach Studienplätzen“ sei ausgeblieben, hieß es im Sommer. Die Universität hatte damals Anmeldungen von drei Studenten. Abgelegen und ohne guten Ruf trudelt die Hochschule ins Aus.

Hanseuni-Betreiber Educationtrend ist allerdings im Südwesten Deutschlands seit 2007 als Retter in der Not bekannt: Er übernahm damals die marode International University in Bruchsal. Das Land hatte die Initiative zuvor mit über fünf Millionen Euro gefördert, nicht zuletzt weil private Hochschulen die staatlichen Riesen unter Reformdruck setzen sollten. Bei der Übergabe an Educationtrend verzichtete das Land auf die Rückzahlung von über fünf Millionen Euro, mit denen es die private Universität gefördert hatte.

Vorerst geschafft hat es auch das Bremer Projekt einer Privatuniversität. Die International University Bremen (IUB) erregte mit ihrem Profil Aufsehen, weil sie auch auf Geisteswissenschaften setzt – und explizit forschen möchte. Die 1999 gegründete und trotz massiver Landes zuschüsse chronisch unterfinanzierte Uni wurde 2006 durch eine Großspende der Schweizer Jacobs Foundation gerettet. Die Stiftung investiert 200 Millionen Euro. Seit der Finanz zusage nennt sich die Hochschule „Jacobs University Bremen“. Der Wissenschaftsrat warnte gleichwohl vor neuen Engpässen. Es bleibe „schwierig, die Universität mittelfristig finanziell stabil zu halten“, hieß es im Januar 2008.

Als Erfolgsmodell ohne Finanzprobleme gilt die Zeppelin-Universität, deren Schwerpunkte in den Bereichen Wirtschaft und Politik liegen. In der Industriestadt Friedrichshafen am Bodensee war zuerst sehr viel Geld da – und dann die Idee zu einer eigenen Hochschule, die 2003 startete und heute über 500 Studenten hat. Präsident Jansen konnte vor mehr als einem Jahr erklären, seine Universität sei bis 2015 durchfinanziert und erste private Universität in Deutschland mit belastbarer Vorausfinanzierung. Dabei teilt Jansen mit Witten-Herdecke die teure Idee einer Universität, die nicht nur Kaderschmiede für Kinder reicher Eltern mit Nutzwert-Ausbildung ist.

Das erfordert großzügige Geldgeber ohne Renditedenken, die der Hochschule zudem noch freie Hand lassen. Möglich macht dies die stadteigene Zeppelin-Stiftung, Eigentümerin des Automobilzulieferers ZF Friedrichshafen und der Luftschiffbau Zeppelin GmbH. Im reichen Friedrichshafen suchte das Geld nach Auf gaben. Für die meisten anderen der rund 80 privaten Hochschulen in Deutschland gilt Grundlagenforschung dagegen als Renditekiller. Witten-Herdecke bleibt bisher die einzige Privatuni, die ein so teures Fach wie die Medizin anbietet. Anderswo werden kostenintensive Gebiete dagegen nahezu vollständig ausgespart. Managerschmieden wie die WHU Vallendar oder die European Business School in Oestrich-Winkel setzen auf günstigere Wirtschaftsdisziplinen, für die sie zudem hohe Gebühren nehmen können.

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