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Im Fokus: Die Noten von Studierenden ohne Abi liegen nur um ein Zehntel unter denen der Kommilitonen mit Abi.

© picture alliance / Waltraud Grub

Hochschulen: Erfolgreich studieren – auch ohne Abi

Studierende ohne Abitur werden von Hochschulen oft als "Problemgruppe" gesehen. Doch das stimmt nicht: Sie sind fast genauso gut, zeigt eine neue Studie.

Studierende ohne Abitur sind noch immer selten an den Hochschulen in Deutschland. Den neuesten verfügbaren Zahlen zufolge zählen rund drei Prozent aller Studienfänger zu den „nicht traditionellen Studierenden“. Statt der allgemeinen Hochschulreife oder des Fachabiturs bringen sie eine duale Berufsausbildung, einige Jahre Berufstätigkeit und häufig einen zusätzlichen Abschluss als Meisterin oder Techniker mit. Sie an Unis und Fachhochschulen willkommen zu heißen, gebieten die Chancengerechtigkeit und das Ziel, das Bildungssystem durchlässiger zu machen.

Und doch eilt ihnen kein guter Ruf voraus, beklagen jetzt die Autoren einer Studie am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Studierende ohne Abitur würden an den Hochschulen als „Problemgruppe“ gesehen, ihre Eignung für ein Studium werde häufig bezweifelt. Dem widerspricht das Team um Andrä Wolter, Hochschulforscher an der Humboldt-Universität (HU): Zwar gebe es eine höhere Neigung zum Studienabbruch, ansonsten seien die Studienleistungen der Nicht-Traditionellen aber nahezu identisch mit denen der Abiturienten.

Die Studierenden schätzen sich selbstkritisch ein

Die laufende Studie, in die jetzt die „Berichte zur beruflichen Bildung“ (Verlag Barbara Budrich, 2019) Einblicke geben, stützt sich unter anderem auf das Nationale Bildungspanel mit Daten zu 17.000 Studierenden, von denen 600 kein Abitur oder Fachabi haben. Hinzu kommt eine qualitative Untersuchung an der HU, für die Interviews mit 35 Berufserfahrenen geführt wurden. Zu den Besonderheiten der Gruppe gehört, dass die Studierenden im Schnitt acht Jahre älter sind als ihre Kommilitonen.

Dass das Abitur weithin als einzig gültige Eintrittskarte für ein Studium gilt, bestätigen die beruflich Gebildeten durch ihre kritische Selbsteinschätzung beim Studienbeginn. 93 Prozent bringen den mittleren Schulabschluss mit, alle haben Berufsschulen besucht, würden aber bei sich selber „Defizite in schulischen Grundlagenfächern“ sehen. Nur ein knappes Drittel verfügt nach eigener Aussage über die im Studium benötigten Kenntnisse in Mathematik, Deutsch und Englisch. Bei den Studierenden mit Abitur oder Fachabitur sind es dagegen fast drei Viertel, die sich so einschätzen.

Wer das Studium durchzieht, ist genauso erfolgreich

Diese Wissenslücken werden als ein entscheidender Faktor für den Studienabbruch oder die Neigung dazu gesehen. Die Abbruchquote unter den Studierenden ohne Abitur liegt bei einem Drittel, von den übrigen bricht rund ein Viertel ab. In den Interviews der HU und in anderen Befragungen geben die Betroffenen indes auch andere Gründe an. Häufig sind die älteren Studierenden durch Studium, Erwerbsarbeit und Familie dreifach belastet. Angesichts der hohen Anforderungen an der Uni entscheiden sich einige, in ihren Ausbildungsberuf zurückzukehren. Oder sie verlassen die Hochschule wegen einer interessanten neuen beruflichen Perspektive schon vor dem Abschluss.

Die große Mehrheit der nicht traditionellen Studierenden aber, die ihr Studium durchzieht, ist an der Hochschule ebenso erfolgreich wie diejenigen mit Abitur. Deren Zensurenvorsprung vor den beruflich Qualifizierten liege bei ein bis zwei Zehnteln einer Note, heißt es. Auch beim Studienfortschritt, gemessen an der Zahl der Leistungspunkte seit Studienbeginn, zeigten sich keine Unterschiede. „Studienschwierigkeiten werden in erster Linie durch Ehrgeiz und Motivation sowie große Lernbereitschaft und zusätzliche zeitliche Investition bewältigt“, heißt es in der Studie.

Selbstbewusstsein muss gefördert werden

Doch wie können die Hochschulen helfen? In den Interviews wünschten sich die Studierenden transparente und klar formulierte Anforderungen, etwa für die Prüfungsvorbereitung. Hilfreich wäre auch eine Studienberatung, die sich auf beruflich Gebildete einstellt und sie gezielt dabei unterstützt, Wissenslücken zu erkennen und aufzuarbeiten, heißt es.

Die Hochschulforscher fordern von den Unis, das Studium für diese Gruppe „nicht als Sprung ins kalte Wasser“ zu gestalten. Auch gelte es, das Selbstbewusstsein der nicht traditionellen Studierenden zu fördern – indem man ihnen etwa Raum geben würde, ihre beruflichen und persönlichen Kompetenzen ins Studium einzubringen.

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