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Unter Protest. Jede Woche demonstrieren in Cottbus Hunderte gegen den Plan, die BTU mit der FH Lausitz zu fusionieren. Der Kampf um die Uni steht auch für die Angst der Lausitzer, vom prosperierenden Potsdam abgehängt zu werden.

© picture alliance / Andreas Frank

Hochschulen in Brandenburg: In Grenzen erfolgreich

Ob BTU Cottbus, Viadrina oder Uni Potsdam: Die märkischen Hochschulen sollen sich neu aufstellen. Doch die Zukunftspläne spalten Politik und Wissenschaft.

Hoch hergehen dürfte es im Potsdamer Wissenschaftsministerium am heutigen Montag. Ministerin Sabine Kunst und Vertreter der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus sowie der Fachhochschule Lausitz treffen sich zu einem runden Tisch. Es geht um das umstrittene Vorhaben der Ministerin, die BTU und die FH zusammenzulegen und eine gemeinsame Universität zu gründen. Jede Woche demonstrieren hunderte Cottbuser dagegen. Das Symbol des Protests, ein Herz mit dem Schriftzug BTU, kann in unzähligen Varianten im Internet bestellt werden: auf einem T-Shirt etwa, auf Kaffeetassen und sogar auf Hundehalsbändern. Längst drücke sich in dem Protest mehr aus als die Sorge um eine Uni, meinen Beobachter. Der Kampf um die BTU stehe für die Angst der Lausitzer, von Potsdam, der prosperierenden Landeshauptstadt, abgehängt zu werden.

Die Ministerin geht gestärkt ins Treffen. Der Cottbuser Oberbürgermeister, selber ein Sozialdemokrat, aber bisher zum Entsetzen der SPD-geführten Landesregierung glühender Gegner einer Fusion, schwenkte in der vergangenen Woche auf Regierungskurs um. Vorausgegangen war ein Besuch von Ministerpräsident Matthias Platzeck in der Lausitz. Platzeck verkündete, auch die neue Universität solle „Brandenburgische Technische Universität“ heißen, versprach „mehr Geld“ und die Übernahme aller Professoren, was offensichtlich den Bürgermeister besänftigte. Laut Wissenschaftsministerium sind bisher rund drei Millionen Euro eingeplant.

In den Augen der BTU ist das allerdings eine Mogelpackung. Das Geld sei für neue Studienangebote vorgesehen, die nichts mit einer Fusion zu tun hätten. „Die Mittel dienen keinesfalls der Verbesserung der derzeitigen Haushaltssituation“, sagt BTU-Präsident Walther Zimmerli, der mit Mehrkosten von mehreren Millionen Euro rechnet. Er verstehe nicht, wie „eine Zerschlagung zweier erfolgreicher Hochschulen mit anschließender Neugründung“ seine BTU voranbringen soll: „Wenn sie eine Fußball- und eine Basketballmannschaft zusammenspielen lassen, bringt das auch nichts.“ Als Kompromiss schlägt Zimmerli einen gemeinsamen Hochschulrat für BTU und FH als Beratungsgremium vor. Einzelne FH-Bereiche könnten in die Uni integriert werden. Eine andere Möglichkeit sei, alle Hochschulen des Landes unter ein Dach zu bringen, ähnlich wie bei der University of California.

Das dürfte das Ministerium kaum begeistern, das sich vor dem Treffen aber bedeckt hält. Herauslaufen könnte es auf eine Konstruktion, bei der es eine einheitliche Leitung für beide Hochschulen gibt, diese dennoch als unterschiedliche Einrichtungen erkennbar bleiben.

Der Konflikt um die Lausitz wird teils mit schrillen Tönen ausgetragen. Doch tatsächlich steht das gesamte Hochschulsystem des Landes – drei Universitäten, fünf Fachhochschulen und eine Kunsthochschule – auf dem Prüfstand. Nach der Wende wurden praktisch alle Hochschulen neu gegründet. Zentrale Idee war, um die großen Unis Berlins herum kleinere, spezialisierte Hochschulen zu schaffen. Nun will Ministerin Kunst ein Konzept für die nächsten Jahrzehnte auflegen. Unlängst hat eine Kommission, angeführt vom ehemaligen Staatssekretär Friedrich Buttler, Empfehlungen dazu abgegeben. Diese sind in Teilen für Politik wie Hochschulen gleichermaßen unbequem.

Wenn die Politik sich insgeheim Hinweise erhoffte, wo sie kürzen könne, wurde sie enttäuscht. Die Studienplatzkapazitäten müssten trotz des demografischen Wandels „mindestens erhalten“ werden, wenn Brandenburg seinen Fachkräftebedarf decken wolle, lautet das Urteil der Buttler-Kommission. Das Land müsse mehr in seine Hochschulen investieren, derzeit liege es bei den Ausgaben bundesweit hinten. 65 zusätzliche Professoren würden für angemessene Betreuungsrelationen gebraucht. Das koste 23 Millionen Euro im Jahr. Der Präsident der Uni Potsdam, Oliver Günther, fordert sogar 50 Millionen Euro mehr.

Ausruhen können sich die Hochschulen auf dem Gutachten dennoch nicht. Die Kommission empfiehlt, einige Angebote neu zu strukturieren. „Statt untereinander zu konkurrieren, sollten die Hochschulen ihre Kräfte konzentrieren, um international wettbewerbsfähig zu sein“, verteidigt Buttler den Ansatz. Öffentlich gestritten wird vor allem über den Vorschlag, die klassische Juristenausbildung komplett an die Viadrina-Uni in Frankfurt/Oder zu verlagern. Die Universität Potsdam solle dagegen ihre Juristen mit den Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaftlern in einer Fakultät zusammenführen und einen „Exzellenzbereich Verwaltungswissenschaften“ schaffen, in dessen Rahmen Bachelor-Jura-Studiengänge angeboten werden.

Potsdams Präsident Günther hält die Idee für „nicht zeitgemäß“, nicht nur, weil die Juristen ohne eigene Fakultät nicht mehr für Spitzenforscher attraktiv seien. Juristen und Wirtschaftswissenschaftler hätten unterschiedliche Fachkulturen, die nicht unter das Dach einer gemeinsamen Fakultät passten. Auch SPD und Linke sprechen sich dagegen aus. Sie befürchten, für das relativ weit von Berlin entfernte Frankfurt könnten sich nicht genügend Studierende erwärmen.

Was die Experten an der Viadrina kritisieren

Die Potsdamer dürften sich umso mehr über den Vorschlag ärgern, weil ihre Uni von den Experten eigentlich sehr gelobt wird. Die Uni sei den „Entwicklungserwartungen in hohem Maße gerecht geworden“ und „ein wissenschaftliches Aushängeschild des Landes Brandenburg“. Die Experten heben die „Selbststeuerungsfähigkeit“ hervor. Das Lob sticht umso mehr heraus, als über diese Fähigkeit bei der BTU und bei der Viadrina kein Wort verloren wird, was kritische Fragen an deren Leitungen provozieren dürfte. Zündstoff beinhalten auch andere Aspekte des Gutachtens, die in der Diskussion um die Lausitz und die Jura-Ausbildung bisher untergegangen sind.

Beispiel Viadrina: 1991 als „Europa-Universität“ neu gegründet, sollte sie eine Mittlerin zwischen West- und Osteuropa zu sein. So wollte man aus der Grenzlage von Frankfurt/Oder eine Stärke machen. Doch die Viadrina sei den „in sie gesetzten Erwartungen bisher nur in Grenzen gerecht geworden“, heißt es. Kritisiert wird vor allem, die Uni habe auf die EU-Osterweiterung „systematisch nicht hinreichend reagiert“. Es reiche nicht mehr aus, sich in Osteuropa allein auf Polen zu konzentrieren. Von den drei Fakultäten loben die Experten allein die Kulturwissenschaften. Die Juristen und die Wirtschaftswissenschaftler würden dagegen „nur in begrenztem Umfang zum Gesamtprofil der Universität und dessen Ausdifferenzierung beitragen“.

Überraschend sieht sich die Unileitung dennoch „in dem von ihr eingeschlagenen Weg weitestgehend bestätigt“, wie Präsident Gunter Pleuger auf Anfrage mitteilt. Die Kommission habe „aktuelle Entwicklungen in den Fakultäten der Viadrina nicht ausreichend gewürdigt“. Seitdem man sich 2008 als Stiftungsuni neu aufstellte, „wurden zahlreiche Vorhaben realisiert, die zeigen, dass die Viadrina ihrem Gründungsauftrag auch unter veränderten Bedingungen treu geblieben ist“. Pleuger nennt mehrere Beispiele, so einen deutsch-polnisch-russischen wissenschaftlichen Trialog und ein Zentrum für Grenzforschung.

Beispiel TH Wildau: Die Technische Hochschule ist die einzige der ansonsten positiv beurteilten Fachhochschulen, bei der die Experten grundsätzliche Kritik anbringen. Statt ein eindeutig technisches Fächerspektrum anzubieten, hätten die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften „überproportional an Bedeutung gewonnen“. Die TH müsse sich auf ihren technischen Gründungsauftrag „rückbesinnen“, zumal sie in einer Region mit vielen industriellen Arbeitsplätzen und nahe dem künftigen Großflughafen liege.

Beispiel HFF: Die Kommission regt an, die Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg zur Universität auszubauen. Die Leitung der Filmhochschule strebt das ebenfalls an, bedeutet der Uni-Status doch mehr Geld und mehr Prestige. Strittig ist, wie das gelingen kann. Ein vorliegendes Konzept der HFF hält die Kommission für „deutlich zu selbstreferenziell“, es laufe auf „noch mehr vom selben“ heraus. Die Experten schlagen stattdessen eine „Universität des bewegten Bildes“ vor: Eine Hochschule, die Film nicht nur lehrt, sondern auch mithilfe des Bildes forscht und neues Wissen produziert. „Als Universität muss die HFF einen Mehrwert haben und sich auch medienwissenschaftlichen Fragen zuwenden“, sagt Buttler.

Welche Empfehlungen der Kommission die Ministerin sich zu eigen machen wird, steht noch nicht fest. Man befinde sich in ständigen Diskussionen mit allen Beteiligten, heißt es. Ende dieses, Anfang nächsten Jahres soll der Hochschulplan stehen. Bis dahin dürfte es noch viele Proteste geben.

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