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Studierende stehen vor dem Hauptgebäude der Technischen Universität Berlin.

© Doris Spiekermann-Klaas

Update

Hochschulen öffnen sich für Asylbewerber: Schnupper-Studium für Flüchtlinge in Berlin

Willkommen an der Uni - das rufen jetzt auch die Berliner Hochschulen den Flüchtlingen zu. Sie legen Gasthörer- und andere Schnupper-Angebote auf - und fordern vom Senat Geld für Sprachkurse und Eignungsprüfungen.

„Refugees welcome“ steht auf den Stoffbeuteln, die gerade in Berlin Jugendliche gerne auf dem Rücken tragen. Auch viele Studierende demonstrieren damit Solidarität und Engagement für die Geflüchteten. Sie waren es auch, die an ihren Universitäten erste Hilfsprojekte gestartet haben – wie die Deutschkurse des an der Freien Universität gegründeten studentischen Vereins „Multitude“ oder die Seminare und Workshops der Alice-Salomon-Hochschule. Jetzt ziehen die Hochschulleitungen nach, wollen auch zur Willkommenskultur in Berlin beitragen – mit Schnupper-Angeboten, die Flüchtlinge an die Unis bringen sollen.

Die Technische Universität startet zum Wintersemester das Programm „In(2)TU“ für „Asylsuchende mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus, die in ihrem Heimatland studienberechtigt sind, ein Studium bereits aufgenommen oder absolviert haben“. Aufgebaut ist es wie das Schüler-Studium für Gymnasiasten ab 16 Jahren, die reguläre Kurse für Erstsemester in allen Studienfächern besuchen können – wenn die Fakultäten und die Lehrenden in den Seminaren und Vorlesungen bereit sind, sie aufzunehmen.

Nach dem Semester gibt es ein Zertifikat, aber keine Studienpunkte

So soll es auch bei den Flüchtlingen sein: Betreut von der Studienberatung und vom International Office können sie sich ein Fach aussuchen, das sie interessiert oder in dem sie schon in der Heimat studiert haben. Wenn Fachbereiche und Dozenten dann grünes Licht geben, können sie teilnehmen. „In(2)TU“ soll ausdrücklich kein reguläres Studium sein, nach einem Schnupper-Semester sollen die Flüchtlinge aber ein Zertifikat der Uni erhalten. Gebühren müssen sie – wie im Schüler-Studium – nicht zahlen.

„Wir wollen dem Teil der akademischen Familie, der durch Flucht zu uns gekommen ist, die Möglichkeit bieten, den Kontakt mit uns aufzunehmen“, sagt Abraham van Veen, Leiter des TU-Studierendenservice. Ist dann das Bleiberecht geklärt, können sie sich wie alle anderen Studieninteressierten aus dem Nicht-EU-Ausland für einen regulären Studienplatz in Berlin oder anderswo bewerben – über Uni-Assist, die Service-Agentur der Hochschulen.

Bislang haben sich nur vereinzelte Flüchtlinge gemeldet

Dass die ganze Uni hinter dem Programm steht, wurde Mitte der Woche im Akademischen Senat deutlich: Als TU-Präsident Christian Thomsen die Pläne dort ankündigte, gab es von allen AS-Mitgliedern breite Zustimmung. Die dramatische Flüchtlingssituation "gebiete" es, dass die Unis jetzt helfen, sagte Thomsen: "Wir machen das gerne." Es ginge nicht nur um eine kurzfristige Lösung für das kommende Semester: "Wir stellen uns darauf ein, dass wir längerfristig helfen." Van Veen sagte im AS auch, bisher seien nur vereinzelt Flüchtlinge, vor allem aus Syrien, bei der TU vorstellig geworden. "Es handelt sich nicht um Riesenkapazitäten, die wir bereitstellen müssen."

Die Humboldt-Uni hat am Donnerstag erstmals Flüchtlinge zu ihrem Gasthörer-Angebot beraten. 20 Interessenten seien gekommen, sagt HU-Sprecherin Susanne Cholodnicki. „Alle Interessenten hatten ein Äquivalent zum Abitur, teilweise einen Bachelor-Abschluss, sprachen gut Englisch und Deutsch.“ Studentische Berater hätten ihnen erklärt, was eine Gasthörerschaft überhaupt bedeutet – nämlich aus dem Vorlesungsverzeichnis eine Lehrveranstaltung auszuwählen und die Teilnahme dann in der Fakultät zu beantragen. Vermitteln mussten sie auch, dass die Teilnahme an Seminaren nicht auf ein späteres reguläres Studium angerechnet werden kann.

Die Humboldt-Uni lädt zur Info-Veranstaltung

Die „Sondersprechstunde für Flüchtlinge“ im Studierenden-Service-Center (Hauptgebäude, Unter den Linden 6) läuft noch bis zum 1. Oktober, donnerstags von 15 bis 16 Uhr. Zusätzlich lädt die HU Geflüchtete zu einer Informationsveranstaltung am 22. September ein, von 10 bis 11 Uhr soll es dabei auch um den Zugang zu einem regulären Studienplatz gehen (Senatssaal im Hauptgebäude). Das Gasthörer-Angebot sei nur ein erster Schritt, um Flüchtlinge in die Uni einzubinden, sagt Cholodnicki. Weitere Projekte seien in Vorbereitung. Auch die Freie Universität will ein Programm auflegen, über Details berate man aber noch, heißt es. Die Frage der für eine Gasthörerschaft üblichen Gebühren jedenfalls ist jetzt laut Wissenschaftsverwaltung geklärt: Die Berliner Hochschulen könnten sie Flüchtlingen grundsätzlich erlassen, weil sie eine „wirtschaftliche Härte“ darstellten, teilte ein Sprecher mit.

Berlin will, dass Flüchtlinge schneller Bafög bekommen

Sich mit einem Abiturzeugnis oder nach den ersten Semestern an der Heimatuni ganz normal um einen Studienplatz in Berlin zu bewerben: Das stellt die meisten Flüchtlinge bislang vor schier unüberwindbare Hürden. Nach der Flucht fehlen vielen die nötigen Zeugnisse und erst recht das Geld, um Gebühren für die Bewerbung über Uni-Assist, die Anerkennung von Deutsch-Kenntnissen sowie Verwaltungsbeiträge und den Sozialbeitrag für das Studentenwerk zu bezahlen. Auf bis zu 500 Euro kann sich das bis zur Immatrikulation belaufen. Nach unbürokratischen Lösungen suche hier die Wissenschaftsverwaltung, sagt ein Sprecher. Eignungsprüfungen für Bewerber ohne Zeugnisse, ein möglichst weitgehender Gebührenerlass – all das werde derzeit von der Verwaltung juristisch geprüft und mit den Hochschulen abgestimmt. Auch auf Bundesebene setze sich Staatssekretär Steffen Krach dafür ein. Erreichen wolle Krach auch, dass die Bafög-Wartezeit nach Abschluss des Asylverfahrens, die ab Anfang 2016 statt bisher vier Jahren 15 Monate betragen soll, ganz abgeschafft wird oder andere Möglichkeiten zur Finanzierung des Lebensunterhalts geschaffen werden.

Ausländerbehörde stempelt weiter: "Studium nicht gestattet"

Nicht geklärt ist der Streit mit der Innenverwaltung: Die Ausländerbehörde stempelt Asylbewerbern nach wie vor den Vermerk „Studium nicht gestattet“ in die Papiere. Die Wissenschaftsverwaltung pocht auf eine Formulierung im Flüchtlingskonzept des Senats von Anfang August: „Auch soll die Aufnahme eines Studiums nicht aufenthaltsrechtlich untersagt werden.“ Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) dränge weiterhin darauf, dass dies umgesetzt wird, sagte ein Sprecher.

Wie Flüchtlinge an die Unis kommen – dafür gibt es bundesweit von Niedersachsen bis ins Saarland viele Vorbilder. Die Universität Bremen etwa bietet bereits seit eineinhalb Jahren das Programm „In-Touch“ an, dem das der TU Berlin ähnelt. Bremen lädt Flüchtlinge nicht nur als Gasthörer ein, das International Office der Uni berät sie bei der Wahl der Kurse und stellt ihnen Mentoren zur Seite.  Wer regelmäßig Kurse besucht hat, bekommt am Ende des Semesters ein Zertifikat. Das Schnupper-Studium soll als „eine der ersten Brücken in ein neues Leben“ fungieren, die Wartezeit verkürzen, bis über den Asylantrag entschieden ist, erklärt die Uni. Eine Möglichkeit, Klausuren mitzuschreiben oder Hausarbeiten einzureichen und schon Punkte für ein reguläres Studium zu sammeln, haben die Flüchtlinge aber auch dort nicht.

Das jetzt aufgelegte Flüchtlings-Programm der LMU München geht weiter: Für die erfolgreiche Teilnahme an Veranstaltungen können die Probe-Studenten ECTS-Punkte erwerben, die später als Leistungsnachweise angerechnet werden können, heißt es.

Deutschkenntnisse sind der Knackpunkt

Der Leiter der Studienberatung an der TU Berlin dämpft die Erwartungen an solche Schnupper-Angebote. Eigentlich müsste zuallererst das Deutschlernen im Fokus der Bemühungen stehen. „Der Spracherwerb ist der Knackpunkt dabei, ob die Flüchtlinge an der Universität erfolgreich sein können“, sagt van Veen. An den Berliner Unis ist denn auch zu hören, dass jetzt geboten sei, die Studienkollegs auszubauen, an denen ausländische Bewerber auf ein Studium vorbereitet werden. Sie müssten Flüchtlingskurse anbieten und könnten auch die erforderlichen Eignungsprüfungen abnehmen, falls Zeugnisse fehlen. Doch die Kollegs seien derzeit vollkommen ausgelastet, bräuchten also zusätzliches Geld vom Senat, um eine größere Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen.

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