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Begehrte Klientel. Deutschlands Hochschulen werben um Studierende aus dem Ausland – auch in Zeiten des Andrangs von hiesigen Abiturienten.

© picture-alliance/ ZB

Hochschulfinanzierung: Zöllner: Ausländer sollen Studiengebühren zahlen

Ex-Senator Jürgen Zöllner hat vorgeschlagen, Studienbeiträge von Ausländern zu verlangen. Sein Vorschlag berührt Reizthemen - auch das der Landeskinder, die womöglich wegen der Konkurrenz aus dem Ausland keinen Studienplatz in Berlin bekommen.

Kaum hat mit Bayern auch das letzte Bundesland Studiengebühren abgeschafft, da lebt die Diskussion wieder auf. Diesmal unter anderen Vorzeichen. Studierende aus dem Ausland sollen Gebühren zahlen, fordert Berlins ehemaliger Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (Tagesspiegel vom 26. April). Würden allein die Chinesen, Russen, Amerikaner und Koreaner jährlich 7500 Euro bezahlen, käme eine halbe Milliarde Euro für die Hochschulen zusammen.

Der Vorschlag berührt gleich mehrere Reizthemen. Für Menschen mit deutschem Abitur sind Studiengebühren aus Sicht des Sozialdemokraten Zöllner nicht gerecht. Warum soll dann aber für Chinesen oder US-Amerikaner etwas anderes gelten? Andererseits: Kann Deutschland es seinen Steuerzahlern weiter zumuten, bei knappen Kassen die Wohltat eines gebührenfreien Studiums auf Menschen aus aller Welt zu verteilen, die hinterher ihre Kenntnisse aber im Ausland einbringen? Gerade in Zeiten knapper Studienplätze könnten Gebühren für Externe gerecht erscheinen – zumal Zöllner für Studierende aus Entwicklungsländern eine Ausnahme vorschlägt.

Von Sandra Scheeres, seiner Nachfolgerin im Amt, hat Zöllner allerdings bereits eine Abfuhr bekommen. Doch der Stifterverband hat schon vor einem Jahr auf die Ausländer als „enormes Potenzial zur Finanzierung der Hochschulen“ hingewiesen. Möglich, dass einige Länder Gebühren für ausländische Studierende mittelfristig doch erwägen – schließlich würden sie den Geldbeutel der eigenen Wähler nicht treffen, also weniger Widerstand erzeugen.

Pionierin ist die Hochschule für Musik und Theater (HMT) in Leipzig. Ab dem kommenden Wintersemester sollen Nicht-EU-Ausländer hier jährlich 3600 Euro zahlen. Rektor Robert Ehrlich begründet die Gebühr damit, dass seine Hochschule sich gegenüber der gebührenpflichtigen internationalen Konkurrenz nicht unter Wert verkaufen dürfe. Zudem sollten die Einnahmen den bislang unterbezahlten Lehrbeauftragten zugute kommen, was aus den knapp bemessenen Landesmitteln nicht möglich sei. Betroffen sind 120 Studierende, viele davon stammen aus Fernost.

Die schwarz-gelbe Landesregierung erlaubt es den Hochschulen seit Ende 2012 mit dem „Hochschulfreiheitsgesetz“, von Ausländern Gebühren zu verlangen. Allerdings kritisiert Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer (CDU), die HMT könne nicht einfach die Regeln für die ausländischen Studierenden mitten in deren Studium ändern, es herrsche Vertrauensschutz. Auch fehle ein schlüssiges Stipendienmodell für besonders Begabte und Finanzschwache.

In Deutschland kommen als zahlende Kunden im Moment nur Studierende in- frage, die nicht aus einem EU-Land kommen. Denn nach dem Gebot der Freizügigkeit im EU-Vertrag müssen alle EU-Bürger wie Einheimische behandelt werden. Genießen die Studierenden des Gastlandes Gebührenfreiheit, wird sie auch ausländischen Studierenden gewehrt. Erhebt das Land allgemeine Studiengebühren, wie etwa England, zahlen auch die EU-Ausländer.

In vielen Ländern der Welt werden ausländische Studierende mit höheren Gebühren belastet als die einheimischen, etwa an US-Unis. In Australien sind die ausländischen Studierenden bereits zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden. In Österreich müssen ab diesem Sommersemester alle Nicht-EU-Bürger vom ersten Semester an die doppelten Studiengebühren zahlen; Einheimische sind erst nach Ablauf der Mindeststudienzeit gebührenpflichtig.

Österreich bekam Ärger mit der EU-Kommission

Österreich schert auch aus den EU-Gepflogenheiten aus. Weil sich das Land insbesondere von deutschen Numerus-Clausus-Flüchtlingen überrannt sieht, besonders in der Medizin, hat es schon 2007 Quoten von 20 Prozent für EU-Bürger eingeführt, die den Zustrom begrenzen sollten. Kritisiert wird, man bezahle den Deutschen ein teures Studium, doch von den Fähigkeiten und den Steuern der Absolventen würde nach deren Rückkehr Deutschland profitieren. Die EU-Kommission sieht Österreichs Europäer-Quote zwar als Verletzung der Freizügigkeit. Aber Ende 2012 hat sie ein Moratorium bis 2016 verlängert. Bis dahin soll Österreich beweisen, dass die Quote notwendig ist, um etwa die Medizinstudienplätze für die eigenen Landeskinder freizuhalten. Oder es muss seine Unis wieder öffnen.

In der Schweiz, wo man ebenfalls dem Zustrom deutscher NC-Flüchtlinge Einhalt gebieten oder zumindest von ihnen profitieren will, können Unis seit 2011 von ausländischen Studierenden mehr verlangen als von Einheimischen, die pauschal umgerechnet 571 Euro im Jahr zahlen. Von Ausländern werden rund 811 Euro in Genf bis rund 6500 Euro in Lugano verlangt. „Vorreiter“ in Europa ist Schweden, wo Nicht-Europäer seit 2012 bis zu 15 600 Euro im Jahr zahlen müssen, während Inländer und EU-Bürger weiter gebührenfrei studieren.

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ist skeptisch. Gerade erst hat er eine Kampagne gestartet. Die Zahl der ausländischen Studierenden in Deutschland soll bis 2020 von jetzt 280 000 auf 350 000 steigen. Deutschland brauche Fachkräfte. Margret Wintermantel, die Präsidentin des DAAD, verweist auf die Heterogenität der Gruppe der ausländischen Studierenden. Eine Mehrklassengesellschaft bei den Gebühren wäre aber problematisch.

Ob ausländische Studierende Deutschland meiden würden, müssten sie hier Gebühren zahlen, ist unklar. Über ein Drittel gibt jedenfalls an, hergekommen zu sein, „weil ein Studium in Deutschland meinen finanziellen Möglichkeiten entspricht“, geht aus der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hervor. Noch stärkere Motive sind allerdings der Wunsch Deutsch zu lernen und das Land kennenzulernen. Und 52 Prozent sagten, sie seien hier, weil „Deutschland ein hoch technisiertes Land ist“.

Martin Rennert, der Präsident der Berliner Universität der Künste (UdK), hält den Leipziger Weg für falsch. Das immense Interesse an mitteleuropäischer Kultur in China, Korea oder Japan liege schließlich „absolut im deutschen Interesse“. Musik und Bildende Kunst seien „Verständigungsinstrumente jenseits der Sprache“. Bei der Zulassung ist allein die Begabung das Kriterium, Quoten für Nicht-EU-Ausländer gibt es nicht. So kommen von den 3700 Studierenden der UdK 1100 aus dem Ausland, davon 620 aus Nicht-EU-Ländern.

FU-Präsident Alt sieht die Situation "nicht so dramatisch"

Auch an den nicht-künstlerischen Hochschulen im begehrten Berlin sieht es so aus, als würden die Landeskinder oft nicht nur von Schwaben mit besserem Abitur verdrängt, sondern auch von Spaniern oder Chinesen. Noch im Jahr 2005 betrug der Ausländeranteil bei den Studierenden im ersten Hochschulsemester 28,5 Prozent. Im Jahr 2011 lag er schon bei 34 Prozent. Das ist erheblich mehr, als im Bundesschnitt, wo es 16,6 Prozent sind.

Im Bachelor müssen die Berliner Abiturienten vor allem mit EU-Ausländern konkurrieren. Denn für Nicht-EU-Ausländer ist der Zugang über eine Quote von in der Regel acht Prozent begrenzt. Doch im Master, wo Studierende sich inzwischen auch um zu wenige Plätze scharen, gibt es auch für Nicht-EU-Ausländer keine Begrenzung über eine Quote.

Jedenfalls sank der Anteil der Landeskinder an den staatlichen Hochschulen im ersten Hochschulsemester von 2005 bis 2011 von 41,6 Prozent auf 36,7 Prozent. Für Jürgen Zöllner wären Gebühren für Ausländer da nur gerecht: „Es ist unsozialdemokratisch, wenn wir unseren Kindern und Enkeln nicht ausreichend Studienplätze in guter Qualität zur Verfügung stellen können und unsere Landeskinder in Berlin keinen Studienplatz finden.“

Er sehe die Situation insgesamt „nicht so dramatisch“, sagt dagegen der Präsident der Freien Universität, Peter-André Alt. An der FU betrage der Anteil der Bachelor-Studierenden aus dem Ausland seit Jahren relativ konstant etwa zehn Prozent. Ein erhöhter Andrang etwa aus EU-Krisenländern wie Spanien und Griechenland sei nicht zu bemerken. Begrenzend wirkten die nötigen Sprachkenntnisse für die fast durchweg deutschsprachigen Studiengänge. Das solle auch so bleiben, weil die Universitäten gegenüber den einheimischen Bewerbern „einen nationalen Auftrag haben“, sagt Alt.

Im Master dagegen will die FU weiter darauf setzen, „die besten Studierenden als Forschernachwuchs zu gewinnen“ – egal ob sie Deutsche oder Ausländer sind. Hier liege der Ausländeranteil bei mittlerweile 21 Prozent. Berliner Bachelor-Absolventen mit einer nicht ganz so guten Durchschnittsnote müssten eben bereit sein, für den Master den Studienort zu wechseln.

Michael Hartmann, Soziologe und Elitenforscher an der TU Darmstadt, hält die Diskussion über Gebühren für Ausländer für kurzsichtig. „Diese Rechnung geht nicht auf.“ Auch ausländische Studierende, die später in ihre Heimat zurückkehren, brächten großen volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen. „Sie nehmen sehr genaue Vorstellungen mit, was gute Produkte sind – von Möbeln bis zu Maschinen“, sagt Hartmann. Gerade Absolventen aus Fernost, die häufig ingenieurwissenschaftliche Studiengänge belegen, „tragen den Ruf von Made in Germany in neue Regionen“. Der Gewinn, den Deutschland aus diesen Botschaftern ziehe, sei darum weit höher als die Aufwendungen für ihr Studium.

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