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Auf dem TU-Campus. Studierende vor dem Hauptgebäude auf der Straße des 17. Juni. Im Vordergrund steht eine Siemens-Statue.

© Ulrich Dahl/Technische Universität

Hochschulsponsoring: Was Firmen an Unis bestimmen dürfen

Streit um einen Vertrag, den HU und TU mit der Deutschen Bank schlossen: Kritiker sprechen von einem peinlichen Unterwerfungsdokument unter Wirtschaftsinteressen - Verteidiger halten den Vorgang für völlig normal.

Nehmen Unternehmen zu großen Einfluss auf die Forschung von Unis, wenn sie Professuren oder gar ganze Institute stiften? Diese Frage steht im Raum, seitdem am Wochenende ein Vertrag zwischen der TU und der HU Berlin sowie der Deutschen Bank über ein gemeinsames Institut bekannt wurde. Die Bank finanziert das „Quantitative Products Laboratory“ seit 2006 mit drei Millionen Euro im Jahr, zu dem Institut gehören zwei Stiftungsprofessuren. Während Kritiker die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr sehen, halten Verteidiger dagegen, die Übereinkunft zwischen Bank und Berliner Unis sei „im Rahmen des Üblichen“: „Man sollte die Kirche im Dorf lassen“, sagt Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes.

Stein des Anstoßes ist nicht so sehr die Finanzierung an sich – schließlich sind Unis auf Drittmittel angewiesen. Vielmehr scheiden sich die Geister an den Mitspracherechten, die sich die Bank vertraglich zusichern ließ. So heißt es in dem Vertrag, der dem Tagesspiegel vorliegt, die Berufungen sollten „im Einvernehmen“ mit der Bank geschehen. Ein von den Unis und der Bank paritätisch besetzter Lenkungsausschuss sollte das Institut inhaltlich leiten – in einer Pattsituation habe die Bank das entscheidende Wort. Die Forscher sollten der Bank alle Ergebnisse 60 Tage vor der Weitergabe an Dritte zur Freigabe vorlegen. Auch durfte die Bank Personal an den Unis rekrutieren.

Für den emeritierten linken FU-Politologen Peter Grottian, der den Vertrag öffentlich machte, ist die Vereinbarung das „peinlichste Unterwerfungsdokument unter die Interessen einer Großbank, das bisher bekannt geworden ist“. Der Geschäftsführer des Hochschulverbands, Michael Hartmer, sagte auf „Spiegel Online“, der Vertrag verstoße gegen die Wissenschaftsfreiheit: „Das ist keine normale Drittmittelvereinbarung.“

Aus den Unis ist Unterschiedliches zu hören. HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz, der bei Gründung des Instituts noch nicht amtierte, sagt: „Die kritischen Fragen kann ich nachvollziehen.“ Er hätte sich gewünscht, dass im Vertragswerk „expressis verbis“ ein Passus gestanden hätte, der sich auf die Freiheit von Forschung und Lehre und die Autonomie der Hochschulen beruft. Das HU-Präsidium habe im März beschlossen, die Zusammenarbeit nicht fortzusetzen. Auch die Deutsche Bank hat angekündigt, die Finanzierung in diesem Jahr auslaufen zu lassen. Die Professoren werden in den regulären Stellenplan der beiden Unis übernommen, was Teil der Abmachung war.

TU-Präsident Jörg Steinbach hält die Vorwürfe für ungerechtfertigt. Die beiden Professoren seien „in keiner Weise in ihrer Arbeit eingeschränkt“. Der Kooperationsvertrag habe Auftragsforschung geregelt. Da seien solche Abmachungen „völlig normal“, die Aufträge seien nicht mit Grundlagenforschung vergleichbar. Anders als Grottian suggeriere, handele es sich nicht um einen Geheimvertrag. Die Abmachung sei durch alle Unigremien gegangen, die Wissenschaftsverwaltung habe „ausdrücklich zugestimmt“.

In vergleichbaren Fällen seien die Verträge „ähnlich“, sagt auch Meyer-Guckel vom Stifterverband. So gebe es bei vielen gemeinsam betriebenen Instituten mit Firmen- und Univertretern besetzte Lenkungsausschüsse, die die Arbeit inhaltlich festlegen. Ungewöhnlich sei allein, dass die Deutsche Bank in Berlin im Ausschuss das letzte Wort haben wollte. Firmen würden sich oft vorbehalten, die Forschungsergebnisse nur nach einer expliziten Freigabe zu veröffentlichen. Sie wollten sichergehen, dass keine Geschäftsgeheimnisse öffentlich werden oder die Konkurrenz von der Forschung profitiert. Auch dass ein Stifter in der Besetzungskommission für „seine“ Professur sitzen wolle, sei nachvollziehbar.

Beide Präsidenten betonen, die Bank habe nie von ihren Rechten Gebrauch gemacht. „Zwischen dem Wortlaut des Vertrages und der Praxis klafften zum Glück Lücken“, sagt Olbertz. Er will jetzt einen Kodex anregen, der festlegt, welche Spielregeln für ähnliche Vertragswerke gelten sollen.

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