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Hochschulsystem: Die erschöpfte Uni

Experten streiten über Programme für bessere Lehre. Braucht Deutschland angesichts der teilweise noch immer katastrophalen Situation an den Hochschulen „eine Exzellenzinitiative für die universitäre Lehre“?

„Deutschland hat das beste Hochschulsystem der Welt in Forschung und Lehre. Und deswegen werden unsere Absolventen weltweit gesucht.“ Das Glaubensbekenntnis, das Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner kürzlich beim Berliner Forum der Wochenzeitung „Die Zeit“ abgab, amüsierte die Diskussionsrunde. Schließlich ging es um die Frage, ob Deutschland angesichts der teilweise noch immer katastrophalen Situation an den Hochschulen „eine Exzellenzinitiative für die universitäre Lehre“ brauche. Peter Strohschneider, Vorsitzender des Wissenschaftsrats, erinnerte Zöllner an die in den 60er Jahren geborenen Millionenjahrgänge, auf die Bund und Länder seit 1977 mit einer Untertunnelung des Studentenbergs reagierte.

Seitdem müssen die Kapazitäten in der Lehre erschöpfend genutzt werden – und „seitdem sind die Hochschulen erschöpft“, rief Strohschneider. Studentenvertreterin Inga Nüthen vom Asta der Freien Universität berichtete denn auch von extrem großen Seminaren, von Bibliotheken, die zusammengelegt werden, und von Studenten, die zu einem großen Teil nicht von Professoren, sondern von unterbezahlten Tutoren und Lehrbeauftragten unterrichtet werden.

Unbestreitbar sind die Hochschulen seit dem Öffnungsbeschluss der Ministerpräsidenten von 1977 strukturell unterfinanziert. Peter Gaehtgens, ehemaliger Präsident der FU und Vorsitzender der Hochschulrektorenkonferenz, nannte die geltende Kapazitätsverordnung „eine Erfindung des Satans“. Jetzt müsse man auf Studiengebühren setzen; mit ihnen könnten zusätzliche Stellen für das Lehrpersonal bezahlt werden.

Ein Wettbewerb wird gar nicht mehr diskutiert

Damit weckte Gaehtgens nicht nur den Widerstand der Studentenvertreterin, sondern auch den von Wissenschaftssenator Zöllner. Der plädierte für seine Idee, dass das Geld den Studenten folgen solle, also dass Bayern für die Studenten zahlt, die zum Beispiel nach Berlin zum Studieren kommen. Eine solche Umstellung des Finanzierungssystems werde automatisch auch für mehr Qualität in der Lehre sorgen. Zurzeit sei die Stimmung in der Politik für die Wissenschaft ohnehin gut. Es gebe eine gewaltige Anstrengung für eine bessere Finanzierung der Hochschulen, wie die Beispiele des Exzellenzwettbewerbs in der Forschung und des Hochschulpakts für mehr Studienplätze zeigten. Die Hochschulen könnten jedoch ihre Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie jetzt den Numerus clausus verschärfen würden, um die Lehrqualität zu verbessern – und das in einer Zeit, in der erneut mit einem verstärkten Andrang von Studenten zu rechnen sei.

Für einen Exzellenzwettbewerb in der Lehre sprach sich indes keiner aus; die Kriterien wären zu kompliziert. Wohl sei aber eine Aufwertung der Lehre gegenüber der Forschung überfällig. Altgermanist Peter Strohschneider verwies auf dramatische Betreuungsverhältnisse; in der Germanistik kämen 150 Studenten auf einen Professor. Gaehtgens forderte ein Betreuungsverhältnis von einem Professor für 25 Studenten.

Das wären paradiesische Verhältnisse – wie etwa an der Fachhochschule München. Deren Präsidentin, Marion Schick, berichtete von kleinen Lerngruppen, in denen die Studierenden durch das gesamte Studium geleitet werden. Die intensive Betreuung habe ihrer Fachhochschule bereits viele Wechsler von den Universitäten beschert.

Uwe Schlicht

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