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Vor einem grünen Hintergrund treffen sich eine menschliche Hand und die Hand eines Roboters.

© Axel Heimken/picture alliance/dpa

Humboldt-Stiftung fördert KI-Professorinnen: Pionierinnen der Künstlichen Intelligenz

Der Bund will 100 KI-Professuren finanzieren, 30 davon sollen aus dem Ausland kommen. Gewonnen wurden jetzt eine KI-Ethikerin und eine Drohnen-Forscherin.

Deutschland muss Spitzenforschende anwerben, um ein führender Wissenschaftsstandort im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) zu werden. Dazu will der Bund unter anderem 100 KI-Professuren finanzieren, 30 davon soll die Alexander von Humboldt-Stiftung aus dem Ausland (zurück) an deutsche Unis holen – und nominiert in dieser Runde erstmals zwei Forscherinnen aus Kanada und den Niederlanden für den mit mehreren Millionen Euro dotierten Preis, der mit einer auf fünf Jahre finanzierten Professur einhergeht.

Die KI- und Roboterethikerin Aimee van Wynsberghe, die derzeit noch an der TU im niederländischen Delft forscht, ist sich bereits mit ihrer künftigen Wirkungsstätte über die Konditionen einig – eine zentrale Voraussetzung für die tatsächliche Berufung – und tritt schon im kommenden Semester die Professur an der Universität Bonn an.

Für die 39-Jährige ist die Auszeichnung ein „Gamechanger“ für ihre Karriere – und auch für sie persönlich ein „Lifechanger“, wie sie sagt. Die gebürtige Kanadierin, die zuletzt auch Mitglied in einer hochrangigen Expertengruppe der EU-Kommission war, soll mit ihrer methodischen Arbeit zur Entwicklung von nachhaltiger und ethischer KI beitragen.

Vergangene Woche hat van Wynsberghe das „unglaubliche Angebot“ aus Deutschland angenommen, die Pläne für den Umzug ihrer Familie sind schon im vollen Gange. In Bonn soll sie das Institut für Wissenschaft und Ethik (IWE) leiten und will außerdem eine Forschungsgruppe mit sechs bis acht Nachwuchswissenschaftlern aufbauen.

„Dieses Momentum, das es derzeit gibt im Bereich der KI-Ethik, ist einfach enorm stark“, sagt van Wynsberghe. „Deshalb wussten wir, dass wir sofort loslegen müssen.“

Ein Porträtbild von Aimee van Wynsberghe.
Die KI- und Roboterethikerin Aimee van Wynsberghe kommt von der TU Delft an die Uni Bonn.

© Promo/Guus Schoonewille

Für den Präsidenten der Humboldt-Stiftung, Hans-Christian Pape, ist die Berufung von van Wynsberghe ein gutes Beispiel für die breite Auslegung des Auftrags der Stiftung, exzellente KI-Forscher nach Deutschland zu bringen: „Wir konzentrieren uns nicht nur auf die technologische Seite, sondern auch darauf, wie KI in andere Forschungsgebiete, aber auch in die Gesellschaft insgesamt, dringt. Fragen der Ethik und der Rechtswissenschaft sind deshalb genauso relevant.“

Algorithmen für die Bewegungsplanung von Drohnen

Wie man auch den Kernbereich der KI stärkt, zeige die zweite Berufung der Automatisierungs- und Robotikexpertin Angela Schöllig, einer Deutschen, die an die Technische Universität München (TUM) gehen soll. Die 37-Jährige promovierte 2013 an der ETH Zürich und ging im Anschluss nach Toronto. Schöllig ist dort Assistenzprofessorin am Institute for Aerospace Studies (UTIAS). Ihr Spezialgebiet sind Algorithmen für die Bewegungsplanung und Steuerung autonomer Fluggeräte wie Drohnen.

An der TUM soll sie die Entwicklung sicherer und gleichzeitig leistungsfähiger Serviceroboter voranbringen. Damit wäre die Exzellenz-Uni in Bayern Gastgeberin für zwei Humboldt-KI-Professuren. Denn auch Daniel Rückert, der zu KI für Bildgebungsverfahren in der Medizin forscht, erhielt 2019 den Preis und trat die Professur im September offiziell an.

Angela Schöllig steht in einem Arbeitsraum und hält drei kleine Flugdrohnen in den Händen.
Automatisierungs- und Robotikexpertin Angela Schöllig, Assistenzprofessorin am Institute for Aerospace Studies (UTIAS) in Toronto, wurde von der TU München nominiert.

© Promo/Irving Tyler

Als die Auswahlkommission der Humboldt-Stiftung im vergangenen Monat zusammentrat, hat sie insgesamt über neun Nominierungen von Universitäten für KI-Professuren entschieden, Zusagen gab es jedoch nur zwei. „Das zeigt in erster Linie, dass wir unsere Messlatte der Qualitätskriterien hoch anlegen. Es muss optimal passen, wie der Schlüssel zum Schloss“, erklärt Stiftungspräsident Pape.

Neben der wissenschaftlichen Exzellenz und herausragenden Qualifizierung der Nominierten habe die Stiftung auch die Entwicklung von ganzen Fachgebieten mit im Auge – und von Universitätsstandorten. Bonn und München hätten am glaubhaftesten darlegen können, wie sie ihr Profil mit genau diesen Personalien weiterentwickeln und stärken wollen, Bonn im Bereich der KI-Ethik und die TUM in der Robotik.

Das übergreifende Ziel ist „verteilte Exzellenz“

Theoretisch sollen aber auch kleinere Universitäten zum Zug kommen können. Das übergreifende Ziel sei „verteilte Exzellenz“, sagt Pape. Diese sei eine wichtige Strategie, gerade am Forschungsstandort Deutschland, an dem neben den großen Metropolen und „kritischen Massen“ auch hochspezialisierte und exzellent ausgewiesene Profile an kleineren Standorten existierten.

[Soeben haben sich Bund und Länder auf ein Programm zur langfristigen Förderung der KI-Zentren geeinigt. Unseren Bericht lesen Sie hier]

Dass die Auswahlkommission und die internationalen Gutachterinnen und Gutachter „schon sehr kritisch“ seien, wie Pape es ausdrückt, sei den „herausragenden Arbeits- und Entwicklungsmöglichkeiten“ geschuldet, die mit einer Humboldt-Professur einhergingen. Experimentell arbeitende Wissenschaftler wie Schöllig erhalten ein Forschungsbudget von fünf Millionen Euro, bei theoretisch arbeitenden wie van Wynsberghe sind es 3,5 Millionen. Damit ist die Alexander von Humboldt-Professur der bestdotierte Forschungspreis, den die deutsche Wissenschaft zu vergeben hat.

Die Rolle des Einstiegsgehalts

Die „Freiheitsgrade“, dem individuellen Forschungsinteresse nachzugehen und einen eigenen Forschungsbereich neu aufzubauen, seien einzigartig, betont Pape. Das unterscheide die Arbeitsbedingungen auch von der bei einschlägigen Tech-Konzernen wie Google oder Microsoft. Top-Talente aus der Wirtschaft abwerben konnte die Stiftung mit ihrem Programm bisher noch keine.

Für den Neurowissenschaftler Pape sind siebenstellige Einstiegsgehälter per se aber nicht erstrebenswert: „Das macht auch einen guten Wissenschaftler oder eine gute Wissenschaftlerin aus, dass das nicht das wichtigste bei der Entscheidungsfindung ist.“

Ein Porträtbild von Hans-Christian Pape.
Der Hirnforscher Hans-Christian Pape, seit 2017 Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung.

© Humboldt-Stiftung/Mario Wezel

Den Wettbewerb um die besten Köpfe, ob mit der Wirtschaft oder der akademischen Konkurrenz, sieht Pape sportlich. Es gebe einfach noch nicht sehr viele exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz – und die seien eben stark umworben.

Tatsächlich scheitern die Berufungen der KI-Professuren über die Humboldt-Stiftung trotz des herausragenden Angebots manchmal – etwa aus persönlichen Gründen oder weil ein an anderer Anbieter ein Alternativangebot macht. „Das ist normal in unserem Geschäft“, findet Pape.

Ihren hohen Anspruch will die Humboldt-Stiftung aufrecht erhalten – und das, obwohl eine konkrete Zielmarke erreicht werden muss, ohne die die Regierung schlecht dastehen würde. „Uns geht es nicht um eine preußisch genaue Erfüllung des Zahlenkontingents“, kommentiert Pape.

Schwierige Suche nach KI-Expert*innen

Dass das BMBF die Finanzierung von 30 Professuren über die Stiftung garantiert hat, empfindet er als „beruhigend“ – und damit eher als positiven Druck. Bei den restlichen 70 gibt das BMBF derzeit eher das Bild ab, dass sie KI-Professuren, die rein zufällig in anderen laufenden Programmen entstanden sind, zusammenrechnet, um auf die Zahl 100 zu kommen.

Wichtig sei vor allem gewesen, ein Zeichen zu setzen, findet Pape: „Dass wir konzertiert und konzentriert eine strategische Initiative gestartet haben und es ernst meinen, dieses Gebiet in Deutschland zu stärken.“ Insofern findet Pape es auch gar nicht schlimm, wenn das Programm seiner Stiftung im Ausland als wettbewerblich aufgenommen wird.

„Wir tun vieles – wenn nicht sogar alles – dafür, die Top-Leute für Deutschland zu gewinnen.“ Er sieht es so: „Wenn wir nur einen signifikanten Teil der Besten gewinnen und diejenigen, die prinzipiell-nachhaltig und nicht nur punktuell-vorübergehend die Entwicklung von Forschungsgebieten vorantreiben, hier in die Forschungslandschaft integrieren, haben wir ein ganz wichtiges Ziel erreicht.“

Schließlich gelte „good people attract good people“ – und man wolle ja eine längerfristige Nachfrage und keinen Paukenschlag am Anfang, auf den dann Stille folgt.

„KI Plus“ nennt Pape den Ansatz, auch die angrenzenden Fachbereiche mit zu fördern, um die KI-Forschungslandschaft insgesamt zu stärken. Von der Bundesregierung wünscht er sich in der Fortschreibung der KI-Strategie genau das: „Wir müssen das Thema eine Dimension größer denken.“

Es brauche eine Förderung von Interprofessionalität bei der KI und Programme für die nachgeordneten Stufen der wissenschaftlichen Karriere. „Dafür muss man werben, auch an den Forschungsstandorten. Das tun wir.“ (Mitarbeit: Oliver Voß)

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