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Wissen: Humboldts Impuls

In jüngster Zeit ist der Verdacht geäußert worden, Wilhelm von Humboldt habe als Gründer der Universität eine Nebenrolle gespielt. Bei der Debatte im Vorfeld haben tatsächlich Schriften von Schiller, Kant, Fichte und Schleiermacher den größeren Einfluss ausgeübt.

In jüngster Zeit ist der Verdacht geäußert worden, Wilhelm von Humboldt habe als Gründer der Universität eine Nebenrolle gespielt. Bei der Debatte im Vorfeld haben tatsächlich Schriften von Schiller, Kant, Fichte und Schleiermacher den größeren Einfluss ausgeübt. Und dennoch hat Humboldt den entscheidenden Impuls gegeben. Die tragende und erst im Bologna-Prozess offiziell aufgekündigte Idee stammt von ihm.

Es war niemand anderes als Humboldt, der die Abgrenzung gegenüber der in der bürgerlichen Formierung der Gesellschaft forcierten Praxisorientierung vollzog. Er trat als Gegner der an den Reformuniversitäten in Halle und Göttingen propagierten beruflichen Spezialisierung an. Er allein machte die Abkehr von dem auch in Deutschland favorisierten revolutionären französischen Fachhochschulmodell verbindlich.

Wilhelm von Humboldt war der einzige, der eine Alternative zu einer Hochschule anbieten konnte, die nur der Vorbereitung auf die nach dem Studium folgende berufliche Tätigkeit diente. Er brauchte nicht, wie sein Bruder, vor dem „Eckeligen“ des bürgerlichen Daseins zu warnen, sondern vermochte der Spezialisierung etwas entgegen zu setzen, für das er eigene Gründe hatte. Und das war – die Individualisierung. „Der Universität“, so schreibt er 1809, „ist vorbehalten, was nur der Mensch durch und in sich selbst finden kann, die Einsicht in die reine Wissenschaft.“ Erstmals wird von einem verantwortlichen Politiker ausgesprochen, dass Wissenschaft ein offener Prozess der Erkenntnis ist, zu der jeder Einzelne nur durch Selbsttätigkeit gelangen kann.

Volker Gerhardt ist seit 1992 Professor für Praktische Philosophie an der HU.

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