zum Hauptinhalt
Kostenpflichtig. Studierende in Berlin, hier im Campus Center der Technischen Universität, zahlen inzwischen eine „Verwaltungsgebühr“, die den Kosten für die Rückmeldung, die Studienberatung und für andere Leistungen der Hochschule entsprechen soll.

© Dahl/TU Berlin

Illegale Berliner Rückmeldegebühren: „Alle haben einen Anspruch“

Alle Studierenden, die in Berlin zwischen 1996 und 2004 eingeschrieben waren, müssen ihre Rückmeldegebühren zurückbekommen: Das sagt der FU-Jurist Christian Pestalozza. Er wirft dem Land Berlin „Schlamperei“ vor, nachdem Karlsruhe die Gebühren für verfassungswidrig erklärt hat.

Das Karlsruher Urteil vom Mittwoch wird für Berlin teuer. Alle Studierenden, die zwischen 1996 bis 2004 in Berlin eingeschrieben waren, müssen ihre Rückmeldegebühren zurück bekommen. Das ist aus Sicht von Christian Pestalozza, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Freie Universität Berlin, die Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Der Berliner Haushalt wird demnach mit einer hohen zweistelligen Millionensumme belastet. Würden alle Ehemaligen die Gebühren zurückfordern, kämen nach einer früheren Schätzung der Berliner Wissenschaftsverwaltung 90 Millionen Euro zusammen. Pestalozza wirft dem Gesetzgeber „Schlamperei und Zynismus“ gegenüber den Studierenden vor: „Dafür bekommt er nun die Quittung.“

Pestalozza erwartet, dass die Berliner Unis im kommenden Jahr Erstattungsformulare ins Internet stellen. Ehemalige könnten dann binnen einer dreijährigen Frist ihre Ansprüche geltend machen. Wie viele sich melden, ist offen. In Baden-Württemberg, wo Karlsruhe die Rückmeldegebühren mit der gleichen Begründung schon 2003 kippte, stellte knapp die Hälfte der berechtigten Studierenden einen Antrag, das Land zahlte 17,3 Millionen Euro zurück. Baden-Württemberg hatte die verfassungswidrige Formulierung nur in den Jahren 1997 und 1998 im Gesetz. Berlin passte sein Gesetz nach dem Urteil gegen Baden-Württemberg an. Es wird seitdem offen gelegt, für welche Leistungen die Verwaltungsgebühren von 50 Euro im Semester erhoben wurden.

Wie berichtet, hat Karlsruhe die in Berlin zwischen dem Wintersemester 1996/97 und dem Wintersemester 2004/2005 erhobenen Rückmeldegebühren für unrechtmäßig erklärt. Sie stünden „in grobem Missverhältnis“ zu den tatsächlichen Kosten für die Rückmeldung. Der damalige schwarz-rote Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen hatte die Rückmeldegebühren von 100 DM (später 51,13 Euro) eingeführt und den Hochschulen eine entsprechende Summe aus den Staatszuschüssen gestrichen.

Die Einführung löste große Proteste unter den Studierenden aus. Tausende boykottierten die Gebühren zunächst und zahlten schließlich nur, weil ihnen ansonsten die Exmatrikulation drohte. Allein an der Humboldt-Universität gingen damals 1400 Klagen gegen die Gebühren ein, von denen die meisten aber im Laufe der Zeit zurückgenommen wurden, wie der Leiter der HU-Studienabteilung, Steffan Baron, sagt. Hunderte Studierende hätten die Gebühren zudem nur „unter Vorbehalt“ gezahlt, um so ihren Anspruch auf eine Rückzahlung zu erklären.

Da auch dem damaligen Gesetzgeber klar war, dass die neuen Gebühren die für die Rückmeldung tatsächlich anfallenden Kosten überstiegen, veränderte er zur Rechtfertigung zwei kleine Wörter im Gesetz: Aus „für die Rückmeldung“ wurde „bei der Rückmeldung“. Damit kam Berlin in Karlsruhe aber nicht durch. Die tatsächlichen Kosten für eine Rückmeldung hätten sich auf nur 22,41 DM belaufen. Mehr hätten die Unis nicht nehmen dürfen, argumentierten die Richter.

Pestalozza kann sich nicht erklären, wie der grobe Fehler den Gesetzgebern in Berlin und Baden-Württemberg überhaupt unterlaufen konnte: „Wer das Gebühren-, Beitrags- und Steuerrecht kennt, weiß, dass man mit einer Änderung in der Wortwahl den Bürger nicht beliebig abschöpfen kann.“ Es gebe auf diesem Feld zudem eine jahrzehntelange Rechtsprechung, die zusätzlich Klarheit schaffe.

Richtig teuer wird der laienhafte Fehler aber erst durch einen zweiten Patzer. Berlin und Baden-Württemberg erhoben die Gebühr nicht mit Bescheiden, sondern unmittelbar über das Gesetz. Daraus ergibt sich, dass gesetzliche Einschränkungen, wonach nur die beiden Kläger die Gebühren zurückbekommen müssen, nicht angewendet werden können: Alle Betroffenen müssen sie zurückbekommen – allerdings im Unterschied zu den beiden Klägern unverzinst, wie Pestalozza erklärt. Er hätte es „fair“ gefunden, wenn Berlin schon nach dem Urteil zu Baden-Württemberg die Gebühren zurückerstattet hätte.

Bei den beiden Klägern handelt es sich um zwei frühere Studierende der HU und der TU. Schon 2006 war das Berliner Oberverwaltungsgericht zu der Ansicht gekommen, die Gebühren seien verfassungswidrig und hatten darum die Karlsruher Richter gebeten, sich zu äußern. Das im kommenden Jahr erwartete Urteil des OVG ist nur noch eine Formsache, sagt Pestalozza.

Müssen etwa die Hochschulen für den Fehler büßen? Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat 2006 im Tagesspiegel erklärt, sollte Karlsruhe gegen Berlin entscheiden, „kann man das nicht den Hochschulen anlasten“: „Dann müsste das Land Berlin dafür aufkommen.“ Sollte Berlin unterliegen, rechne er aber nicht mit der Größenordnung von 90 Millionen Euro für Rückzahlungen.

Zur Startseite