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Wissen: Im Tandem

Zwei deutsche Radarsatelliten vermessen die Erdoberfläche mit bisher unerreichter Genauigkeit

Wellen auf dem Indischen Ozean, die in die Baie de Diego auf Madagaskar laufen, ein Stausee nahe dem Fluss Donez inmitten von Wäldern und Feldern und darin ein fahrender Zug. Die ersten Aufnahmen des neuen deutschen Radarsatelliten Tandem-X sind beeindruckend. Seit 21. Juni liefert der künstliche Erdbegleiter gestochen scharfe Landschaftsbilder. Aus ihnen soll in den nächsten Jahren die bisher präziseste dreidimensionale Karte unseres Planeten entstehen. Die vertikale Auflösung soll dabei zwei Meter betragen, das horizontale Raster zwölf mal zwölf Meter. Projektleiter Manfred Zink vom Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme in Oberpfaffenhofen ist sich sicher: „Damit haben wir den Weltrekord bei der Erstellung von Satellitenbildern gebrochen.“

Der Name Tandem-X steht für „Terra Synthetic Aperture Radar -X-add-on for Digital Elevation Measurements“. Vereinfacht gesagt handelt es sich um einen Radarsatelliten, mit dessen Daten digitale Höhenmodelle erstellt werden. Herzstück des Satelliten ist das Radargerät. Es sendet Mikrowellenimpulse aus, die von der Erdoberfläche reflektiert und von dem an Bord befindlichen Beobachtungsinstrument wieder empfangen werden. Aus der Laufzeit der Wellen ergibt sich der Abstand des Satelliten zur Erdoberfläche. Während seines Fluges um die Erde beleuchtet das Radar einen Streifen am Boden und zeichnet die Signale auf, die dann weiterverarbeitet werden.

„Der Vorteil gegenüber den flugzeugunterstützten Verfahren liegt darin, dass ein einziger weltumspannender, homogener Datensatz gewonnen werden kann“, sagt Ludwig Grunwaldt vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam, das an der Mission beteiligt ist. „Wollte man den aus anderen Verfahren kombinieren, müsste ein enormer Aufwand betrieben werden, um die vielen verschiedenen Messungen aneinander anzupassen.“ Darüberhinaus seien längst nicht alle Gebiete der Erde von Flugzeugen vermessen, fügt er hinzu.

Da die Bilder von Radarsatelliten fotografischen Aufnahmen sehr ähnlich sind, lassen sie sich relativ leicht auswerten. Außerdem kann die Radartechnik bei fast jedem Wetter eingesetzt werden. Die Strahlen durchdringen selbst Wolken und liefern auch bei Nacht gute Bilder.

Die Höhenmodelle, die aus den Messdaten erzeugt werden sollen, sind vielseitig einsetzbar. So benötigen geowissenschaftliche Disziplinen wie Hydrologie, Geologie und Ozeanografie präzise und aktuelle Informationen über die Beschaffenheit der Erdoberfläche. Auch bei der Förderung von Bodenschätzen können digitale Modelle hilfreich sein, ebenso für die Einsatzplanung in Katastrophenfällen. So zeigten Bilder des bereits am 15. Juni 2007 gestarteten deutschen Geoforschungssatelliten Terrasar-X unmittelbar nach dem Erdbeben auf Haiti markante Geländeverschiebungen, ebenso wie nach dem Tagebau-Erdrutsch in Nachterstedt in Sachsen-Anhalt im vergangenen Sommer. Nicht zuletzt sind digitale Karten wesentlich für zuverlässige Navigationssysteme.

Tandem-X erkundet die Erde aber nicht allein. Gemeinsam mit dem Vorgängermodell Terrasar-X umkreist er mit etwa 28 000 Kilometer pro Stunde die Erde im Formationsflug. Der Abstand des Duos zueinander soll dabei teilweise weniger als 200 Meter betragen. Damit können die Radarimpulse des einen Satelliten auch gleichzeitig von dem Empfänger des anderen aufgezeichnet werden. „Dadurch ist es möglich, hochaufgelöste Aufnahmen der Erdoberfläche mit relativ kleinen Radarantennen in kurzer Zeit zu gewinnen“, erläutert Grunwaldt. Das Prinzip ähnelt dem räumlichen Sehen des Menschen mit zwei Augen – nur dass sich die beiden „Radaraugen“ auf dem Satelliten-Duo Tandem-X und Terrasar-X befinden. Auf diese Weise soll inner halb von nur zwei Jahren die komplette Landoberfläche der Erde (150 Millionen Quadratkilometer) mit bisher unerreichter Genauigkeit vollständig vermessen werden.

Voraussetzung dafür ist, dass der Abstand zwischen beiden Satelliten fortwährend mit großer Präzision erfasst wird. Dazu fliegt an Bord beider Satelliten das vom Geoforschungszentrum entwickelte Navigationsinstrument TOR (engl. Tracking, Occultation, Ranging). Mit Hilfe dieses Geräts lässt sich die Flugbahn der Erdbeobachter in 514 Kilometern Höhe zentimetergenau ermitteln.

Während der Mission werden Daten in einem kaum vorstellbaren Umfang von rund 1,5 Petabyte erzeugt. Würde man sie auf DVD brennen, ergäben die aufeinandergestapelten Scheiben einen Turm von über 430 Meter Höhe. Die Gesamtkosten von rund 85 Millionen Euro teilen sich mit etwa 59 Millionen Euro das öffentlich finanzierte Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, rund 26 Millionen Euro übernimmt die Astrium GmbH Friedrichshafen, die für Entwicklung, Bau und Start des Satelliten vom Kosmodrom Baikonur verantwortlich ist.

Bernhard Mackowiak

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