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Immunbiologie: Verschlimmern Antihistamine Allergien?

Mit Antihistaminen behandelte Mäuse reagieren stärker auf Bienenstiche als unbehandelte Artgenossen.

Die Einnahme von Antihistaminen kann ein guter Weg sein, allergische Schübe zu bekämpfen. Neuere Forschung legt jedoch die Möglichkeit nahe, dass dadurch der nächste Schub verschlimmert werden kann.

Allergien sind Reaktionen des Immunsystems auf fremde Substanzen von Erdnüssen bis zu Pollen, die normalerweise keine Bedrohung für den Körper darstellen. Theoretisch sollte jemand, selbst wenn er eine genetische Disposition für eine allergische Reaktion auf Erdnüsse hat, nicht auf die erste zu sich genommene Erdnuss reagieren: Es ist die zweite, über die man sich Sorgen machen sollte.

Antihistamine, die in der Lage sind Immunreaktion, die zu lästigen Dingen wie laufenden Nasen und anschwellenden Geweben führen, zu unterbrechen, galten lange Zeit als ideale Möglichkeit, Allergien zu kontrollieren. Ihre Langzeiteffekte auf das Immunsystem sind jedoch unbekannt.

Um diese zu untersuchen, studierten Pal Johansen und sein Team an der Universität Zürich 50 Mäuse, denen initial Bienengift injiziert wurde, ein Stoff, auf den nahezu alle Organismen mit einer allergischen Immunantwort reagieren. Die Hälfte der Mäuse erhielt direkt vor der Verabreichung des Bienengifts zusätzlich 100 Milligramm des Antihistamins Clemastin, ebenso an den beiden folgenden Tagen.

Sechs Wochen später injizierten Johansen und sein Team den Mäusen erneut Bienengift und beobachteten ihre allergischen Reaktionen. Sie berichten in Clinical and Experimental Allergy (1), dass die Mäuse, die Antihistamine erhalten hatten, stärker auf die zweite Dosis des Gifts reagierten.

Auf und ab

"Wir glauben, dass Antihistamine mehr taten, als die unmittelbare Immunreaktion auf die erste Dosis zu unterbrechen", sagt Johansen. "Wir denken, sie hinderten das Immunsystem daran, sich an den Fremdstoff zu gewöhnen." Das bedeutet, dass Mäuse, die mit Antiallergika behandelt wurden, keine Möglichkeit hatten, Toleranzen gegenüber dem Allergen zu entwickeln.

Im zweiten Teil der Studie desensibilisierte Johansens Team die Mäuse mittels Immuntherapie gegen das Bienengift - ein Prozess, bei welchem dem Betroffenen kleine Dosen des Allergie auslösenden Stoffs zugeführt werden, so dass sich das Immunsystem langsam an die Substanz gewöhnen kann (in diesem Fall wurde ein Drittel der Dosis des Bienengifts, die eine Reaktion ausgelöst hatte, verwendet). Im Gegensatz zu Antihistaminen kann eine Immuntherapie langfristig die Reaktionen des Körpers auf bestimmte Substanzen verändern und Allergien heilen.

Mäuse, die ursprünglich mit Antihistaminen behandelt worden waren, sprachen schlechter auf die Immuntherapie an als andere Mäuse, wenn sie mit Bienengift desensibilisiert wurden. "Das war wirklich überraschend, denn andere (2)(3) hatten behauptet, dass Antihistamine die Prozesse der Immuntherapie unterstützen, und das sahen wir überhaupt nicht", sagt Johansen.

Tests mit Nagern

Derartige Arbeiten sind wichtig, um zu verstehen, wie das Immunsystem mit Antihistaminen interagiert, sagt Roger Katz, Allergologe an der California School of Medicine in Los Angeles. Aber, so fügt er hinzu, "es gibt Unterschiede zwischen Mäusen und Menschen".

Eine Immuntherapie beim Menschen wird üblicherweise über Monate oder Jahre hinweg durchgeführt, nicht über wenige Wochen, erklärt Katz. Darüber hinaus erhielten die Mäuse in der Studie viel Clemastin im Verhältnis zu ihrem Gewicht. Sollten sie das Medikament langsamer als Menschen verstoffwechseln, könnte sich das Medikament im Körper ansammeln, was wiederum das Immunsystem beeinflussen und möglicherweise die Ergebnisse der Studie erklären würde, so Katz.

Es gibt jedoch keinen Beleg dafür, dass Menschen und Nagetiere Clemastin unterschiedlich verstoffwechseln, sagt Cezmi Akdis, Leiter des Schweizerischen Instituts für Allergie- und Asthmaforschung in Davos. Antihistamine sind ursprünglich an Nagern getestet worden, bevor sie für Menschen zugelassen wurden, fügt er hinzu, und es hat jahrzehntelange Forschungen zur Medikation dieser Tiere gegeben.

Lediglich zwei Studien legen nahe, dass Antihistamine die Immuntherapie unterstützen, und dies ist die erste, die dagegen spricht, so Akdis. "Wir brauchen definitiv mehr Forschung auf diesem Gebiet", sagt er.

(1) Johansen, P. et al. Clin. Exp. Allergy DOI 10.1111/j.1365-2222.2007.02904.x (2008) (2) Ohashi, Y. , Nakai, Y. & Murata, K. Ann. Allergy Asthma Immunol. 96, 600-605 (2006) (3) Müller, U. , Hari, Y. & Berchtold, E. J. Allergy Clin. Immunol. 107, 81-86 (2001)

Dieser Artikel wurde erstmals am 11.1.2008 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2008.436. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Matt Kaplan

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