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Wissen: Immunsystem für die Waschmaschine

Forscher wollen vernetzte Geräte sicherer machen

Es fällt auf, dass alle Anwesenden am Dienstagmorgen Begriffe aus der Medizin verwenden. Dabei geht es bei dem Pressegespräch mit Annette Schavan eigentlich um die Sicherheit moderner Informationstechnologien. Die Forschungsministerin selbst eröffnet jedoch den bunten Bio-Reigen, indem sie vom „Nervensystem unserer modernen Produkte und Industrieanlagen“ spricht, die es zu schützen gelte. Und so geht es auch weiter, mit „Viren“, „Parasiten“ und „Immunsystem“.

Anlass des Gesprächs war das vierte Treffen der Forschungsunion. Das Gremium aus Wirtschaftsbossen und Wissenschaftlern, die das Forschungsministerium beraten, diskutierte am Dienstag über IT-Sicherheit. Das Thema ist aktueller denn je. Der Wurm Stuxnet, mit riesigem Aufwand hergestellt, um das iranische Atomprogramm zu schädigen, hat den Cyberkrieg endgültig in die Realität geholt. Und in Zeiten von Al Qaida zerbrechen sich viele Sicherheitsexperten darüber den Kopf, wie der Terrorismus der Zukunft aussehen könnte. Ein Computervirus, das Flugzeuge abstürzen lässt? Ein Wurm, der das Stromnetz zusammenbrechen lässt?

August-Wilhelm Scheer, Präsident des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien sieht eingebettete Systeme als den wichtigsten Angriffspunkt. Das sind kleine Rechner, die in Autos und Industrieanlagen, Fernsehern und Flugzeugen, Waschmaschinen und Medizingeräten stecken. „80 Prozent dieser Systeme kommen aus Europa und der Großteil aus Deutschland“, sagt Scheer. Deshalb müsse man daran arbeiten, auch in Sachen Sicherheit spitze zu sein. „Das ist zutiefst bedeutend für unsere Exporte und das Interesse an deutschen Produkten“, sagt auch Schavan.

Das Problem: Wenn alles ans Netz angeschlossen wird, wenn Autos miteinander kommunizieren, um sich vor Staus zu warnen, und der Kühlschrank die Milch nachbestellt, dann werden Geräte, die vorher geschlossen waren, plötzlich offen – und damit manipulierbar. „Das ist wie beim Menschen. Wenn Sie Ihre Wohnung nie verlassen, stecken Sie sich auch nicht mit einem Grippevirus an“, sagt Ministerialdirektor Wolf-Dieter Lukas.

„Sie brauchen intelligente Systeme, die erkennen, wenn etwas nicht stimmt“, sagt Claudia Eckert, Direktorin des Fraunhofer-Instituts für sichere Informationstechnologie in Darmstadt. Im Idealfall erkenne so eine Komponente, wenn sie manipulierte Daten erhalte, und schalte sich selbst ab. Als Vorbild könnte den Forschern das Immunsystem des Menschen dienen, sagt Eckert.

Aber der Erfolg ist schwer messbar. „Können wir die Sicherheit eines Autos oder eines Flugzeuges messen?“, fragt Scheer. Wenn nicht, bekäme Deutschland die Sicherheitsbedenken möglicherweise nicht in den Griff. „Wir leben in einer überalterten, risikoarmen Gesellschaft“, beklagt der Informatiker. „Jeder will mit dem Handy telefonieren, aber niemand will einen Handymast vor dem Haus.“ Auch Schavan glaubt, dass die Mentalität in den nächsten Jahren das größte Thema wird. Vielleicht ist das der Grund für all die medizinischen Metaphern: Man spürt, dass die technischen Probleme sich lösen lassen. Aber am Ende geht es eben doch um den Menschen. Kai Kupferschmidt

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