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Die Gesichtsbehaarung von Seeelefanten ist nicht nur eine Zier.

© Taiki Adachi

In der finsteren Tiefsee: See-Elefanten jagen nach Gefühl

Über die Fähigkeit der Echoortung verfügen die Robben anders als Zahnwale oder Fledermäuse nicht. Bei der Jagd in der Tiefsee hilft ihnen ihr Bart.

Bei der Jagd nach Fischen und Tintenfischen nutzen See-Elefanten ihre Barthaare, um selbst bei absoluter Dunkelheit in der Tiefsee ihre Beute aufspüren zu können. Das berichten Forscher im Fachmagazin „PNAS“. Erstmals sei in einer Feldstudie gezeigt worden, dass Robben mit ihren Tasthaaren winzigste Wasserbewegungen von Beutetieren wahrnehmen können.

Als Tiefsee werden gemeinhin jene Bereiche der Meere bezeichnet, in die kein Sonnenlicht dringt und die unterhalb einer Tiefe von mindestens 200 Metern liegen. Lange war unklar, wie Robben in dieser Dunkelheit jagen: Vermutet wurde zum einen, dass sie sich von der Biolumineszenz, also der Fähigkeit zur Lichterzeugung leiten lassen, über die einige ihrer Beutetiere verfügen.

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Hydrodynamische Beutesensoren

Versuche mit Seehunden (Phoca vitulina), denen die Augen verbunden wurden, und ähnliche Untersuchungen legten zum anderen nahe, dass ihre Barthaare, auch Vibrissen genannt, eine wichtige Rolle spielen könnten. Diese früheren Studien wurden allerdings alle in experimentellen Umgebungen, mit künstlichen Modellen oder in Gefangenschaft gehaltenen Tieren durchgeführt.

US-amerikanische und japanische Wissenschaftler statteten nun freilebende Nördliche See-Elefanten (Mirounga angustirostris) mit speziell entwickelten Kameras aus, die sie an deren Wangen befestigten. Diese Robben haben von allen Säugetieren die höchste Anzahl von Nervenfasern pro Vibrisse. Anhand der Videoaufzeichnungen konnten sie feststellen, wie die Robben die Vibrissen vor ihrem Maul bei ihren Jagdzügen in 200 bis 1000 Metern Tiefe bewegen und einsetzen.

So stellten sie fest, dass die See-Elefanten zu Beginn ihrer Tauchgänge ihre Tasthaare eingezogen hielten, bis sie die Tiefe erreichten, in der sich ihre Beute befand. Während der Jagd bewegten sie die Vibrissen dann rhythmisch hin und her, um nach hydrodynamischen Hinweisen zu suchen. Mit anderen Worten: Sie nutzten ihre Barthaare, um die winzigen Wasserbewegungen wahrzunehmen, die von ihrer schwimmenden Beute erzeugt wurden – ähnlich wie Landsäugetiere ihre Umgebung erkunden, so die Autoren. Tatsächlich ist etwa von Mäusen bekannt, dass diese mit ihren Tasthaaren feinste Luft- oder Wasserbewegungen spüren können.

Die Biolumineszenz der Beute war hingegen für die See-Elefanten nur bei etwa 20 Prozent der erfolgreichen Jagdzüge sichtbar. „Unsere Ergebnisse lösen ein jahrzehntelanges Rätsel darüber, wie tief tauchende Robben ihre Beute ohne das von Walen verwendete Biosonar lokalisieren, und enthüllen eine weitere Anpassung der Säugetiere an die völlige Dunkelheit“, fasst Hauptautor Taiki Adachi von der University of California Santa Cruz in einer Mitteilung zusammen.

Diese Untersuchung ergänze frühere Vibrissenstudien, die an Säugetieren in Gefangenschaft durchgeführt wurden, und bringe das Gebiet der sensorischen Ökologie der Nahrungssuche voran: „Der nächste Schritt ist die Durchführung von vergleichende Feldstudien an anderen Säugetieren, um besser zu verstehen, wie der Tasthaarsinn das natürliche Verhalten der einzelnen Säugetierarten in unterschiedlichen Umgebungen prägt“, erklärt Adachi.

Alice Lanzke - dpa

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