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Alkoholisiert. Ethanol und Isopropanol sollten eigentlich Bakterien zuverlässig töten. Doch nicht nur Arzthände gewöhnen sich an die aggressiven Substanzen, sondern - über einen Prozess der Darwin'schen natürlichen Auslese - offenbar auch Mikroorganismen.

© picture alliance / Armin Weigel

Infektionsvermeidung: Alkoholtolerante Krankheitskeime

Desinfektion ist wichtig, um Ansteckungen zu vermeiden. Nun weisen Forscher Keime nach, die auch hohe Konzentrationen solcher alkoholischer Mittel aushalten.

Bestimmte antibiotikaresistente Bakterien können auch alkoholische Desinfektionsmittel aushalten, ohne abzusterben. Das berichten Forscher im Fachblatt „Science Translational Medicine“. Sie hatten Darmkeime vom Typ Enterococcus faecium aus australischen Kliniken untersucht.

Handdesinfektion mit alkoholhaltigen Gels und Flüssigkeiten sind ein wichtiges Mittel, um die Verbreitung von Mikroorganismen in Kliniken zu verhindern. Martin Exner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, zeigt sich angesichts der Studie besorgt. Er sagt, solche alkoholtoleranten Bakterien könnten auch hierzulande auftreten. „Bislang haben wir nur Antibiotikaresistenzen als Problem gesehen. Jetzt müssen wir uns auch mit Alkoholtoleranzen intensiv beschäftigen.“

Das Bakterium veränderte sich ab 2010

In Kliniken weltweit ist es üblich, dass Angestellte sowohl ihre Hände als auch Arbeitsflächen mit alkoholischen Mitteln desinfizieren. Auch Besucher werden angehalten, Spender mit den Mitteln zu nutzen. Verwendet werden Ethanol und Isopropanol. Sie sollen Keime innerhalb kürzester Zeit töten. Als wichtigster Wirkmechanismus gilt, dass die Membranen der Bakterien schwer geschädigt werden.

Die Wissenschaftler um Sacha Pidot von der Universität Melbourne konzentrierten sich bei ihrer Arbeit auf das Darmbakterium E. faecium. In Kliniken machen Varianten davon, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind, Probleme. Sie können insbesondere bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem zu Harnwegs- und Wundinfektionen bis hin zu lebensgefährlicher Sepsis führen. Die Zahl der Infektionen mit E. faecium steigt weltweit. Pidot und sein Team testeten bei insgesamt 139 Proben, die zwischen 1997 und 2015 in zwei Kliniken in Melbourne genommen worden waren, inwieweit Isopropanol die Keime abtötete.

In einem ersten Experiment untersuchten die Wissenschaftler, wie die verschiedenen Proben auf eine Lösung mit 23 Volumenprozent Isopropanol reagierten. Es stellte sich heraus, dass Bakterien, die nach 2010 in Kliniken isoliert worden waren, wesentlich besser mit dem Alkohol klarkamen als früher isolierte Bakterien.

Ein Käfig voller Keime

Gängige Desinfektionsmittel auf Basis von Isopropanol sind mit 70 Volumenprozent deutlich höher dosiert. Deshalb machten die Forscher ein weiteres Experiment mit Mäusen. Sie verunreinigten Käfige mit verschiedenen Stämmen von E. faecium und wischten diese danach mit Tüchern mit 70-prozentigem Isopropanol aus. Danach setzten sie zuvor antibiotikabehandelte Mäuse für eine Stunde in die Käfige und prüften eine Woche später, welche Stämme in den Därmen der Tiere sesshaft geworden waren. Sie stellten fest, dass vor allem ein Stamm von E. faecium, der zuvor als alkoholtolerant identifiziert worden war, die Mäuse besiedelte. Zudem fanden sie bei genetischen Untersuchungen Erbgutveränderungen, die für die Alkoholtoleranz verantwortlich sein könnten, ohne dies aber in späteren Tests klar nachweisen zu können.

Guido Werner, der am Robert-Koch-Institut das Krankenhauskeim-Fachgebiet leitet, sagt, er gehe nicht davon aus, dass unmittelbar eine Problematik ähnlich jener der Resistenzen gegen Antibiotika drohe: „Sonst hätten wir bereits sehen müssen, dass die übliche Strategie bei Ausbrüchen resistenter Keime, nämlich die Desinfektion zu intensivieren, erfolglos wäre“. Es handele sich zudem um Isolate von E. faecium aus nur zwei Kliniken in Australien. Auch sei ein Mechanismus, vergleichbar mit klar zu identifizierenden Resistenzgenen gegen Antibiotika trotz intensiver Suche bislang nicht nachweisbar. Auch, dass etwa das Käfig-Experiment sich eignet, die Situation in Krankenhäusern abzubilden, bezweifelt er: Die Käfige seien vor der Desinfektion förmlich mit Keimen „geflutet“ worden. „Solch hohe Keimzahlen finden sich – hoffentlich – in keiner deutschen Klinik.“

Auch Toleranz gegen Chlor-Mittel

Das Phänomen ist grundsätzlich auch nicht neu. In einer dänischen Studie etwa wurden bereits besonders desinfektionsmitteltolerante Stämme von E. faecium nachgewiesen. Und dass Alkoholtoleranz und Antibiotikaresistenz oft gemeinsam auftreten, ist bekannt. Auch gegen andere, chlorbasierte Mittel gibt es solche Toleranzen. Niederländische Forscher etwa wiesen bei Stämmen von E. faecium eine verringerte Empfindlichkeit gegen Chlorhexidin nach. Im Gegensatz zu ihren australischen Kollegen konnten sie auch eine bestimmte genetische Veränderung, die ein Regulationssystem der Bakterien betrifft, als Ursache nachweisen.

Ob alkoholtolerante E. faecium bereits in Europa angekommen sind, müsse nun genauer untersucht werden, sagt Exner. Nicht auszuschließen ist auch, dass sich weitere solche Stämme entwickeln und sich evolutionär durchsetzen, weil sie im Krankenhaus einen  Vorteil haben. Sowohl Exner als auch Werner sagen, eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema sei notwendig. (mit Material von dpa)

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