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Intelligenztests: Sind Kinder älterer Väter dümmer?

Forscher haben herausgefunden, dass Kinder älterer Väter bei Intelligenztests schlechter abschneiden. Auch für psychische Krankheiten sind sie anfälliger. Wie hoch ist das Risiko älterer Väter?

Sechs IQ-Punkte. So groß ist der Unterschied zwischen dem Kind eines zwanzigjährigen Vaters und dem eines fünfzigjährigen Vaters im Durchschnitt. Das hat ein australisches Forscherteam herausgefunden. Für ihre Untersuchung griffen die Wissenschaftler auf ein großes Datenarchiv zurück. Fast 34.000 Kinder, die zwischen 1959 und 1965 in Amerika zur Welt kamen, wurden damals in einer riesigen Studie im Alter von acht Monaten, vier Jahren und sieben Jahren auf ihre geistigen Fähigkeiten getestet. Dabei wurden unter anderem Konzentration, Gedächtnis und IQ untersucht und wie gut die Kinder lesen und schreiben konnten. Forscher der Universität Queensland haben diese alten Daten nun einer neuen Analyse unterzogen und dabei erstmals das Alter des Vaters berücksichtigt. Das Ergebnis, das im Fachblatt „Plos Medicine“ am Dienstag erscheint, lässt sich kurzfassen: Je älter der Vater, umso schlechter schneiden Kinder in den Tests ab. Zumindest im Durchschnitt, über den Einzelfall sagt eine solche statistische Analyse aber nichts aus.

Kinder älterer Mütter schneiden bei Intelligenztest besser ab als Kinder älterer Väter

Natürlich kann man die Studie auch kritisieren: Schließlich muss für Kinder des beginnenden 21. Jahrhunderts nicht in allen Einzelheiten dasselbe gelten wie für amerikanische Kids aus den 60er Jahren. Darüber hinaus fanden die letzten Untersuchungen im Alter von sieben Jahren statt. Nicht auszuschließen, dass die Kinder älterer Väter später aufholen und den Anschluss an ihre Altersgenossen finden. Den grundsätzlichen Alterseffekt kann man aber kaum wegdiskutieren, dazu ist er zu deutlich.

Lässt er sich über soziale Faktoren erklären? Gehen ältere Väter vielleicht auf irgendeine Art und Weise anders mit ihren Kindern um? Möglich wäre das. Aber Forscher nehmen an, dass ältere Väter in der Regel mehr Geld und mehr Bildung bedeuten. Ihre Kinder müssten also eigentlich besser abschneiden nicht schlechter. Und in der Tat ist es so, dass die Kinder älterer Mütter bei Intelligenztests höhere Punktzahlen erzielen als die Kinder jüngerer Mütter. Die Autoren der Studie gehen deshalb davon aus, dass zumindest ein Teil des beobachteten Effekts genetisch ist.

Aber warum sollten ältere Männer dann im Durchschnitt weniger intelligente Kinder bekommen? Aus demselben Grund, weshalb sie auch im Durchschnitt weniger gesunden Nachwuchs erhalten: Weil auch beim Mann eine biologische Uhr tickt und sich in die Erbanlagen, die er weitergibt, mit der Zeit Fehler schleichen.

Auch Krankheiten werden bei älteren Vätern häufiger vererbt

Obwohl dieser Zusammenhang vielen Menschen nicht bekannt ist, ist er nicht neu. Bereits 1912 beobachtete der Stuttgarter Arzt Wilhelm Weinberg, dass eine Krankheit namens Achondroplasie bei Kindern älterer Väter häufiger auftritt. Bei dieser Krankheit schließen die Knochen ihr Wachstum vorzeitig ab und die Betroffenen werden selten größer als 1,50 Meter. Ursache ist fast in allen Fällen eine Mutation im Gen FGFR-3. Das Risiko für eine solche Erbgutveränderung nimmt bei älteren Männern deutlich zu.

„Das liegt daran, dass Männer ein Leben lang neue Spermien bilden“, erklärt der Medizingenetiker Peter Miny vom Kinderspital in Basel. Während Frauen von Geburt an einen Vorrat an Eizellen angelegt haben, produzieren die Hoden immer neue Spermien. Dabei teilen sich die Keimzellen aus denen die Spermien entstehen, die Spermatogonien, etwa alle 16 Tage. Jedes Mal wird dabei das komplette Erbgut kopiert und jedes Mal entstehen einige kleine Fehler in dem drei Milliarden Buchstaben langen DNS-Faden. Über die Jahre können diese Fehler sich ansammeln. Es ist denkbar, dass solche Erbgutveränderungen auch hinter dem Intelligenzunterschied liegen.

Denn die Achondroplasie ist bei weitem nicht die einzige Erkrankung, die ältere Männer häufiger vererben. Neurofibromatose, Marfan-Syndrom, Apert-Syndrom zählen auch dazu. Sie alle sind auf eine einzige Mutation zurückzuführen und sie alle häufen sich bei den Kindern älterer Väter. In letzter Zeit mehren sich außerdem die Hinweise, dass gerade psychische Erkrankungen diesem Muster folgen. So hat eine Studie in Israel gezeigt, dass das Risiko eines Kindes, an Schizophrenie zu erkranken, mit dem Alter des Vaters steigt. Ist der Vater bei der Geburt 40 Jahre alt, ist das Risiko doppelt so hoch wie bei einem zehn Jahre jüngeren Vater. Studien in Schweden, Japan und den USA haben diesen Zusammenhang bestätigt; ähnliche Befunde gibt es für den Autismus. Und vor einigen Wochen veröffentlichte die Fachzeitschrift „Archives of General Psychiatry“ eine Untersuchung, die einen solchen Zusammenhang für manisch-depressive Störungen zeigt.

Was diese Befunde genau bedeuten, darüber streiten die Wissenschaftler noch. „Es gibt viele Möglichkeiten, diese Ergebnisse zu erklären“, sagt Miny. Die typische Schizophrenie zum Beispiel sei eher nicht genetisch bedingt und daher sei es auch sehr unwahrscheinlich, dass Mutationen die Zunahme erklären könnten. Hilger Ropers, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin, sieht das anders: „Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass eine Vielzahl von Patienten auf Grund von Defekten einzelner Gene an Schizophrenie oder Autismus leidet.“ Das häufigere Auftreten dieser Krankheiten bei Kindern älterer Väter finde er daher absolut plausibel.

In Deutschland werden die Väter immer älter

Ob auch Unterschiede in der Intelligenz auf solche kleinen genetischen Unterschiede zurückgeführt werden können, ist hoch umstritten. Fest steht, dass die Zahl der Väter, die Kinder erst in späten Jahren zeugen, rapide zunimmt. Aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes geht hervor, dass im Jahr 2000 28 Prozent der Väter von Neugeborenen älter als 35 waren, 2007 waren es bereits 37 Prozent. Das werde sicherlich zu einem Anstieg von Krankheiten wie Schizophrenie führen, meint Abraham Reichenberg vom King's College London, der an der schwedischen Studie zu manisch-depressiven Störungen beteiligt war. „Das wird enorm wichtig werden für die Gesellschaft. Der Arzt wird in einigen Jahren bei einer geplanten Schwangerschaft auch nach dem Alter des Mannes fragen, da bin ich mir sicher.“Und bei welchem Alter wird der Arzt dann vielleicht von einem Kind abraten? „Ich denke, erst wenn ein Mann deutlich über 40 ist“, sagt Reichenberg. Aber man wisse ja auch nicht, was die Forschung noch alles finden werde. Die biologische Uhr des Mannes scheint sie jedenfalls entdeckt zu haben.

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