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Interview mit Bernd Huber: „Mehr Strahlkraft durch den Bund“

Der Präsident der Universität München will eine völlig neue Finanzierung der Wissenschaft. Bei Standorten mit internationalem Rang wie Berlin, München und Heidelberg sollte der Bund Unis mitbetreiben dürfen. Die Geisteswissenschaften sollten nicht vernachlässigt werden.

Herr Huber, in Deutschland lebt gerade die Debatte über Bundesuniversitäten wieder auf. Wie stehen Sie dazu?

Ich finde es gut, dass jetzt darüber debattiert wird, wie es nach dem Ende der Exzellenzinitiative im Jahr 2017 weitergeht. Man kann die Förderung aus dem Exzellenzwettbewerb ja nicht dauerhaft als Projektförderung fortführen. Daran, dass die Verfassung dem Bund die Förderung ganzer Universitäten verbietet, kann man aber sehen, wie Deutschland sich selbst fesselt. Ich kenne kein Land, in dem der Bund seine Universitäten nicht finanzieren darf. In der Schweiz gibt es zum Beispiel ein wunderbares Wechselspiel zwischen den Kantonen und dem Bund.

Bundesforschungsministerin Annette Schavan vermeidet den Begriff Bundesuniversität. Sie spricht von neuen engen Kooperationen zwischen Universitäten und außeruniversitären Instituten nach Vorbild des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Denken Sie ebenfalls in diese Richtung?

Es mag wohl sein, dass die Verschmelzung zum KIT für die TU Karlsruhe das Richtige war. Aber für den Großteil der Universitäten ist das kein Vorbild. Denn die Masse der außeruniversitären Institute forscht in den Naturwissenschaften oder in der Technik. Würden klassische Universitäten wie etwa die LMU mit solchen Instituten fusionieren, käme es zu einer völligen Verschiebung ihres Profils. Für unsere Gesellschaft sind aber auch die Geistes- und Sozialwissenschaften äußerst wichtig. Dort sind übrigens auch die Masse der Studierenden eingeschrieben.

Die Wissenschaftspolitik soll sich nicht an wirtschaftsnahen Fächern ausrichten?

Die Geistes- und Sozialwissenschaftler sind doch wirtschaftsnah. Kein Sektor wächst so sehr wie der Dienstleistungssektor, der ganz stark auf Geistes- und Sozialwissenschaftler angewiesen ist. Und selbst am Internet arbeiten doch nicht nur Informatiker. Mal abgesehen vom unmittelbaren Bezug auf den Arbeitsmarkt ist es für eine Gesellschaft zudem essenziell, dass sie sich mit ihrer eigenen Entwicklung, ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzt. Da spielen die Geistes- und Kulturwissenschaften die zentrale Rolle. Wenn man über die Organisation von Wissenschaft und über Bundeshilfen für Universitäten nachdenkt, sollte man deshalb nicht immer nur an Umwege über die außeruniversitären Einrichtungen denken. Bund und Länder sollten auch unabhängig davon bestimmte Universitäten partnerschaftlich betreiben.

Schavan hat die Humboldt-Universität als Kandidatin ins Gespräch gebracht, konkretere Pläne gibt es schon für das Uni-Klinikum Charité und das Max-Delbrück-Centrum in Berlin. Wie kann vermieden werden, dass der Eindruck von Willkür entsteht?

Wenn es um die Auswahl von Bundesunis geht, kann man sich an zwei schon existierenden Linien orientieren. Die Exzellenz in der Forschung, wie sie im Exzellenzwettbewerb festgestellt wurde, ist eine. Universitäten, die dabei nicht in der Spitze mithalten können, könnten vom Bund in der zweiten Linie gefördert werden, in der Lehre. Dabei lässt sich an den Hochschulpakt anknüpfen.

Dann würden die Unterschiede zwischen den Universitäten noch größer. Haben nicht alle Universitäten eine nationale Bedeutung und müssten darum vom Bund gefördert werden?

Natürlich haben Universitäten immer eine gesamtstaatliche Bedeutung. Standorte wie Berlin, München oder Heidelberg haben aber nun einmal durch die Ballung wissenschaftlicher Kapazitäten eine Strahlkraft, die über die nationale Bedeutung hinausgeht. Bei vielen kleineren Hochschulen ist dagegen die Verknüpfung mit der lokalen Wirtschaft viel wichtiger als die nationale oder gar die internationale Dimension. Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass es diese Unterschiede gibt.

Werden sich die Länder den Plänen zur Charité widersetzen?

Das kann ich nicht abschätzen. Prinzipiell finde ich den Schritt richtig. Die Charité wird aber kaum als Modell dienen können, weil es sich um eine sehr spezifische Konstellation handelt. Es ist das größte Universitätsklinikum Deutschlands, ohne Zweifel hervorragend betrieben, verbunden mit zwei Universitäten. Das findet man so anderswo nicht.

Ein Ungleichgewicht gibt es schon jetzt: Die außeruniversitären Institute, die zu 50 bis 90 Prozent vom Bund finanziert werden, stehen besser da als die landesfinanzierten Universitäten. Halten Sie das für ein Problem?

Es spiegelt das Problem des Kooperationsverbotes wider. Wenn der Bund die Forschung gezielt unterstützen will, muss er derzeit Finanzmittel über die außeruniversitäre Forschung bereitstellen. Das führt im Moment vor allem zu einer starken Expansion der Institute der Helmholtz-Gemeinschaft. Wir bekommen so – wie von mir beschrieben – ein unausgewogenes Verhältnis zwischen Natur- und Geisteswissenschaften.

Wie ist es innerhalb der außeruniversitären Forschung? Immer wieder wird gefordert, alle Organisationen sollten einheitlich mit 70 Prozent vom Bund und mit 30 Prozent von den Ländern gefördert werden, damit die Institute gleiche Chancen haben.

Die Diskussion, wer hier welchen Anteil übernimmt, geht völlig am Punkt vorbei. Letztendlich müssen wir versuchen, das bestehende System zu überwinden. Wir müssen jetzt den Schritt gehen, das Kooperationsverbot zu kippen und eine direkte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ermöglichen.

Der Wechsel des Kieler Leibniz-Instituts Geomar in die Helmholtz-Gemeinschaft ist vielfach kritisiert worden, weil der Bund damit Schleswig-Holstein entlasten wollte. Die Lage in den Haushalten der Länder wird aber nur noch schwieriger werden. Ist es dann nicht sinnvoll, wenn der Bund rettet was zu retten ist?

Dieses Beispiel zeigt überdeutlich, wohin das Kooperationsverbot führt. Man musste diesen komplizierten Weg gehen, um das Klinikum der Universität Lübeck finanziell zu entlasten. Das ist absurd. Nein, es wäre viel einfacher, wenn Bund und Land sich gemeinsam bei universitären Einrichtungen engagieren könnten. Das hätte auch den großen Vorteil, dass man aus dem bisherigen Projektcharakter der Förderung herauskommt. Universitäten sind schließlich mehr als ein Bündel von Projekten.

Bernd Huber (50) ist seit 2002 Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). In der Amtszeit des Volkswirtschaftlers wurde die LMU zu einer von neun Eliteunis gekürt.

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