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Ionen-Forschung: Reise zum Urknall

In Darmstadt entsteht eine der weltweit größten Anlagen zur Erforschung des Aufbaus von Materie. Auch die Entstehung des Universums wollen die Forscher damit nachstellen können.

Eines von Deutschlands größten Forschungsprojekten der kommenden Jahre wird an diesem Mittwoch in Darmstadt auf den Weg gebracht. Vertreter aus 15 Staaten unterzeichnen bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) ein Kommuniqué und geben damit den Startschuss für den weltweit einmaligen Teilchenbeschleuniger FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research). Die 1,2 Milliarden Euro teure Anlage für die Forschung mit Ionen- und Antiprotonenstrahlen soll der internationalen Gemeinschaft helfen, die Entstehung des Universums und den inneren Aufbau der Materie besser zu verstehen. Die Bauarbeiten werden 2008/2009 beginnen und sieben Jahre dauern. Für 2012/13 sind die ersten Experimente geplant.

"Wir stellen die Physik des Universums im Labor nach und können hier Mini-Big-Bangs produzieren", beschreibt Horst Stöcker, Wissenschaftlicher Geschäftsführer der GSI, die künftige Anlage. "Wir produzieren Materie wie in der ersten Mikrosekunde des Urknalls. Da war es eine Million Mal heißer als im Innersten der Sonne, und die ist 10 Millionen Grad heiß", sagt er. Rund 14 Milliarden Jahre nach dem Urknall solle so mit FAIR unter anderem erforscht werden, wie die chemischen Elemente entstanden, denen wir unser Leben verdanken.

Zwar sei im Moment nicht abzuschätzen, was die künftig 3000 Forscher in Darmstadt genau entdecken werden. Aber Stöcker ist überzeugt: "FAIR ist auf 25 Jahre hin die Zukunft der GSI." Und die Anlage werde die Schwerionenphysik-Einrichtung schlechthin in Europa und der ganzen Welt sein. Ionen sind elektrisch geladene Atome oder Moleküle, als Schwerionen bezeichnen die Physiker alle Ionen, die schwerer sind als das zweitleichteste Element Helium. Die GSI hat langjährige Erfahrung mit der Erforschung schwerer Ionen und gehört zu den weltweit führenden Instituten auf diesem Gebiet - so wurden dort zahlreiche neue Elemente erzeugt, unter anderem das nach Hessen benannte Element 108, Hassium, und das Darmstadtium getaufte Element 110. Die GSI ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und gehört zu 90 Prozent dem Bund, zu zehn Prozent dem Land Hessen.

Auf der Suche nach Unbekanntem sollen in dem Beschleuniger FAIR auch Sternenexplosionen nachgestellt werden. Alle Elemente, die schwerer als Eisen sind, müssen in diesen sogenannten Supernovae entstanden sein. Durch die ungeheure Energie bildeten sich dabei bisher unbekannte Isotope, die in Bruchteilen von Sekunden in uns bekannte Elemente wie Uran oder Blei zerfallen sind.

Herzstück von FAIR wird ein Doppelringbeschleuniger mit einem Umfang von 1100 Metern. Er soll Ionenstrahlen mit bislang unerreichter Intensität auf Atomkerne schießen. Die aktuelle Anlage auf dem GSI-Gelände wird gewissermaßen zum Vorbeschleuniger degradiert, sagt Sprecher Ingo Peter. Mit FAIR sollen Teilchen in wenigen Sekunden mehrere Millionen Kilometer zurücklegen und schließlich mit 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit (knapp 300.000 Kilometer pro Sekunde) auf Atomkerne gefeuert werden. So können Forscher Vorgänge nachstellen, wie sie bei der Entstehung des Weltalls vermutet werden. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die Entstehung der Elemente und die Zusammensetzung der Atomkerne.

Anders als beim Beschleuniger des Europäischen Teilchenforschungszentrums CERN sei bei FAIR aber nicht die Geschwindigkeit, sondern die erreichte Intensität entscheidend. "Beim CERN wird ein unentdecktes Land gewissermaßen auf der Autobahn rasend schnell durchquert. Wir fahren mit 1000 Jeeps über Feldwege. Uns entgeht nichts", erklärt Peter den Unterschied der wissenschaftlichen Ansätze: "Die CERN-Forscher sagen uns, wie es am Ende des Landes aussieht. Wir sagen ihnen, was sie übersehen haben. Das Land, dessen Aufbau wir erkunden, ist die Materie."

Das Bundesforschungsministerium übernimmt 65 Prozent der FAIR-Kosten, Hessen beteiligt sich mit 10 Prozent. Die übrigen 25 Prozent steuern die 14 Partnerländer bei, dazu gehören neben europäischen Staaten wie Spanien, England, Italien und Polen auch China, Indien und Russland.

Internet: www.gsi.de/fair

Harald Schmidt[dpa]

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