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Eine Gruppe von Schülern - hier in einer Willkommensklasse für Flüchtlinge - im Gespräch mit ihrem Lehrer.

© Daniel Karmann/picture alliance / dpa

Islam in der Schule: Religion macht Muslime nicht zu schlechteren Schülern

Warum schneiden muslimische Schüler schlechter ab? Entscheidend für den Schulerfolg ist nicht der Glaube, sondern das Elternhaus.

Schüler mit Migrationshintergrund schneiden im deutschen Schulsystem unterdurchschnittlich ab. Das Risiko, beim Pisa-Test auf der untersten Kompetenzstufe zu bleiben, ist für 15-Jährige mit ausländischen Wurzeln dreimal so hoch. Weniger als halb so oft schaffen Jugendliche ohne deutschen Pass das Abitur, doppelt so viele verlassen die Schule ohne Hauptschulabschluss. Besonders weit zurück liegen Schüler mit türkischen Wurzeln.

Bildungsforscher erklären dies immer wieder mit dem sozialen und Bildungshintergrund der Eltern. Rechnet man diese Faktoren heraus, gebe es keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen den Leistungen von Schülern mit und ohne Migrationshintergrund. Bildungs- und Migrationssoziologen der Universitäten von Konstanz und Göttingen kommen jetzt zu demselben Schluss – obwohl sie explizit auch den religiösen Hintergrund der Schüler berücksichtigt haben (zur Langfassung der Studie geht es hier).

62 Prozent sagen, ihr Glaube sei ihnen sehr wichtig

In der öffentlichen Debatte werde das schlechtere Abschneiden muslimischer Schülerinnen und Schüler zuweilen auf ihre konservative Religiosität zurückgeführt, schreiben die Autoren einer von der Stiftung Mercator geförderten Studie, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Dies weisen Claudia Diehl (Konstanz) und Matthias Koenig (Göttingen) ebenso zurück wie die gegenläufige These, muslimische Schüler würden wegen ihrer kulturell-religiösen Herkunft diskriminiert.

Diehl und Koenig haben für ihre Analyse den deutschen Datensatz einer europäischen Studie zu Neuntklässlern aus Zuwandererfamilien genutzt. Auffallend ist zum einen, dass der Glaube insbesondere für muslimische Schülerinnen und Schülern eine besonders große Rolle spielt – 62 Prozent geben an, dass er ihnen „sehr wichtig“ sei. Bei Protestanten mit Migrationshintergrund sind es dagegen nur 14 Prozent, bei Katholiken nur zehn Prozent.

Schlechtere Noten auch wegen sprachlicher Nachteile

Negativ auswirken würde sich die Religiosität – auch gemessen an der Häufigkeit des Gebets oder des Moscheebesuchs – aber bei den Muslimen nicht, betonen Diehl und Koenig. Zwar haben sie insgesamt etwas schlechtere Noten als der Schnitt. Dies lasse sich aber „nahezu vollständig damit erklären, dass sie mehrheitlich aus Elternhäusern mit niedrigerem Sozial- und Bildungsstatus stammen und zu Hause häufiger ihre Herkunftssprache verwenden“, heißt es.

Unter Schülern mit gleichem Status der Eltern und ähnlichen kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten zeigten sich keine signifikanten Notenunterschiede in Deutsch und Mathematik. Das gilt auch für Jugendliche mit besonders stark ausgeprägter Religiosität und Aktivität in der Gemeinde. Die ausgeglichenen Notenunterschiede belegen für Soziologen ebenso, dass bestimmte konfessionelle Gruppen bei der Notengebung nicht diskriminiert werden. Es ließen sich sogar positive Effekte hoher Religiosität feststellen: Die Leistungsmotivation besonders aktiver Muslime sei etwas stärker ausgeprägt als bei anderen.

Jungen gelingt seltener der Sprung aufs Gymnasium

An einem Punkt hat das Forscherteam gleichwohl einen negativen Effekt festgestellt: Religiöse muslimische Jungen wechseln seltener zur 10. oder 11. Klasse auf das Gymnasium als weniger religiöse. Möglicherweise hätten Jungen, die stark in eine Moscheegemeinde eingebunden sind, zum Abitur „attraktivere innerethnische Alternativen“, sagt Claudia Diehl. Ihnen könnten nach dem Mittleren Schulabschluss Lehrstellen oder Jobs in Unternehmen von Glaubensbrüdern angeboten werden.

Insgesamt sei es eine „Fehlwahrnehmung“, den geringeren Bildungserfolg von Muslimen ihrer islamischen Religiosität zuzuschreiben, betonen die Autoren. Die Mercator-Stiftung mahnt größere Anstrengungen an, um Nachteile für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern auszugleichen – und Kitas und Ganztagsschulen auszubauen.

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