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Jan-Hendrik Olbertz: ''Mit einer Adresse, die die Welt kennt''

Die Zentrale liegt in Halle: Jan-Hendrik Olbertz, Kultusminister von Sachsen-Anhalt, über die Leopoldina als nationale Akademie.

Die Leopoldina in Halle soll nach dem Willen von Bundesforschungsministerin Annette Schavan die nationale Akademie in Deutschland sein und damit Ansprechpartner für die großen Akademien der Welt. Finden Sie das richtig?

Klipp und klar ja. In Deutschland brauchen wir für die Repräsentanz unserer Wissenschaft und für die Akademien eine gemeinsame Plattform. Dadurch werden wir in der Welt besser sichtbar und fördern zugleich die internationale Kommunikation. Vor diesem Hintergrund wird seit 15 Jahren über eine nationale Akademie diskutiert. Nur ist diese Diskussion bisher eher fruchtlos gewesen.

Wie sieht die nationale Rolle der Akademie aus?

Deutschland braucht angesichts der großen gesellschaftspolitischen Zukunftsthemen die Akademien auch für eine wissenschaftlich gestützte Politikberatung. Für diese Politikberatung wird eine Kommunikationsplattform benötigt, um schnell und effizient Antworten zu geben oder um wichtige Fragen überhaupt erst stellen zu können. Eine so verstandene nationale Akademie soll auch Initiativen von sich aus ergreifen können, um die Gesellschaft auf Zukunftsfragen aufmerksam zu machen.

Die anderen, meist regionalen Akademien in Deutschland fühlen sich durch die Bevorzugung der Leopoldina übergangen. Haben Sie dafür Verständnis?

Nur bedingt. Alle Akademien waren ja aufgefordert, zum Zustandekommen einer nationalen Akademie beizutragen. Auf der Suche nach der richtigen Lösung sind immer umfangreichere Organigramme entstanden mit den Geltungsansprüchen der einzelnen Akademien, aber kaum wirklich funktionsfähige Konzepte. Ungeachtet dessen bleibt auch nach dem Vorstoß von Wissenschaftsministerin Schavan die nationale Akademie ein Kooperationsprojekt, aber mit einer klaren Adresse, die die Welt kennt.

Der Bund und das Sitzland der Leopoldina, Sachsen-Anhalt, könnten die nationale Akademie eigentlich im Alleingang ins Leben rufen. Warum suchen Sie dennoch die Einigung mit den 15 anderen Wissenschaftsministern der Länder in der konstituierenden Sitzung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz am 18. Februar?

Es geht dabei um Akzeptanz und die Bereitschaft zur Kooperation. Die Leopoldina kann aufgrund ihres Fächerspektrums allein gar nicht alle denkbaren Fragen der Politikberatung abdecken. Wenn ich auf eine gedeihliche Zusammenarbeit im Rahmen der nationalen Akademie setze – vor allem mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie und mit der Acatech der Technikwissenschaften, aber auch mit den Länderakademien –, müssen die jeweiligen Sitzländer das Projekt positiv begleiten. Es soll wirklich auf Zusammenarbeit hinauslaufen, nicht auf eine Fortsetzung von Abgrenzungsritualen.

Die Leopoldina hat bewiesen, dass sie in kürzester Zeit für die internationalen G-8-Gipfeltreffen und für die Europäische Union Stellungnahmen zu so wichtigen Fragen wie Klimawandel, Infektionskrankheiten oder zu einer Entwicklungsperspektive für Afrika abgeben kann. Wäre eine solche Schnelligkeit und Konzentration der Aussagen auf ganz wenigen Seiten möglich, wenn zuvor ein Parlament von bis zu 200 Professoren eingeschaltet würde?

Dass die Leopoldina diese Stellungnahmen wirklich sachkundig und unbürokratisch formulieren kann, hat sie für die Aufgabe einer nationalen Akademie prädestiniert. Diese Kompetenz soll jetzt ausgebaut werden. Es geht um effektive Entscheidungen und nicht um ausufernde Abstimmungsprozesse, in denen am Ende immer wieder Geltungsansprüche statt substanzieller Beiträge stehen. Dafür brauchen wir eine Zentrale, von der aus das alles organisiert wird.

Wenn die nationale Akademie für aktuelle Stellungnahmen zu einem der nächsten G-8-Gipfel einen Text erarbeitet, könnte die Leopoldina in ihre Arbeitsgruppe angesehene Wissenschaftler aus anderen Akademien aufnehmen?

Genau das hat die Leopoldina vor. Das ist auch ein Gebot stilvoller und sachbezogener Kooperation in einer solchen nationalen Akademie. Die Leopoldina muss ihre Partner so einbeziehen, dass sie auch als Nationalakademie in der gewohnten Themenrelevanz und Schnelligkeit agiert. Das ist der Sinn des Gründungsvorschlags von Ministerin Schavan.

Sehen Sie allein für die Berlin-Brandenburgische Akademie und die Acatech die Chance zur privilegierten Zusammenarbeit in der nationalen Akademie?

Die beiden genannten Akademien sind die Partner der Leopoldina der Sache nach. Denn sie sind ähnlich wie die Leopoldina über die Ländergrenzen hinaus aufgestellt. Ihr jeweils starker Akzent auf die Fächergruppen zeigt sich bei der Acatech im Namen und bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie in der Geschichte seit ihrer Gründung durch Leibniz und in ihren heutigen Schwerpunkten. Man kann diese beiden Akademien durchaus in eine privilegierte Partnerschaft stellen. Gemeinsam mit diesen Hauptpartnern muss die Nationalakademie dann schauen, wie sie zum Beispiel die Göttinger Akademie, die Bayerische oder Sächsische Akademie immer dann einbezieht, wenn Kompetenzen aus diesen Akademien bei der Bearbeitung bestimmter Stellungnahmen zu erwarten sind. Die Verantwortung aber liegt bei der Leopoldina. Das muss unstrittig sein.

Wie wird die nationale Akademie finanziell ausgestattet, und wer soll die Kosten tragen?

Erst wenn Arbeitsaufwand und Strukturen der Nationalakademie bekannt sind, kann man den Personalbedarf, das Budget und möglicherweise auch notwendige Investitionen ableiten. Es wird auf jeden Fall mehr Geld kosten. Das muss uns die Sache auch wert sein. Der Finanzierungsschlüssel für die Leopoldina ist seit langem so verteilt, dass der Bund 80 Prozent der Gelder gibt und Sachsen-Anhalt 20 Prozent. Das soll auch vorerst so bleiben. Dem Bund steht damit für die Zukunft der ganzen Entwicklung ein gewichtiges Wort zu. Aber wenn ein präziser Arbeits- und Finanzplan vorliegt, werden wir in mittlerer Frist darüber reden müssen, wie der 20-Prozent-Anteil unter den beteiligten Ländern sinnvoll aufzuteilen ist.

Sind Sie sicher, dass die nationale Akademie in diesem Jahr ihre Arbeit aufnimmt?

Ich bin sicher, dass die Nationalakademie 2008 ausgerufen wird. Ich gehe mit Enthusiasmus in die kommenden Beratungen. Das Projekt der nationalen Akademie wird sich auch dadurch legitimieren, dass es im In- und Ausland auf große Aufmerksamkeit stößt.

Das Interview führte Uwe Schlicht.

Jan-Hendrik Olbertz (53) ist seit 2002 Kultusminister in Sachsen-Anhalt. Zuvor war er Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Halle-Wittenberg. Olbertz ist parteilos.

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