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Affinität. Schon als Kind wollte Jane Goodall „mit wilden Tieren leben“.

© Jane Goodall Institute/dpa

Jane Goodall wird 85: Die mit den Affen lebte

Sie hat die Primatenforschung auf den Kopf gestellt – ohne akademische Ausbildung. Jetzt feiert Jane Goodall ihren 85. Geburtstag.

Es ist natürlich vollkommen unwissenschaftlich, und messen kann man es auch nicht. Aber es gibt Leute, die können einen ganzen Saal ausfüllen, auch wenn sie nicht einmal 60 Kilo wiegen. Jane Goodall ist so ein Mensch. Sie schafft es mit ihrer schieren Präsenz und ihrer leisen Sprechstimme, ein zum Überlaufen gefülltes Auditorium maximum in Bann zu schlagen. Und mit einem lauten imitierten Morgenruf eines Schimpansen – Hu-hu-hu-hu-hu-hu-hu-hu-hu-huwuh – das Gestühl zum Vibrieren zu bringen.

„Hello“ heiße das bei den Tieren, sagt sie dann mit wieder sehr leiser Stimme und jenem Lächeln, das einst für sie mindestens so wichtig war wie ihre Forschungsergebnisse, um sie zum ersten weiblichen weltweiten Medienstar der Naturforschung zu machen. Der Ruf ist als Teil ihrer Vorträge zu ihrem Erkennungszeichen geworden. Am 3. April wird sie 85 Jahre alt.

Sie wollte mit wilden Tieren leben

Valerie Jane Morris-Goodall wurde in eine britische Mittelschichtsfamilie geboren. Der Vater war Ingenieur, die Mutter Schriftstellerin. „Ich wollte mit wilden Tieren leben und Bücher darüber schreiben“, erzählte Goodall dem „Guardian“ – inspiriert von Tarzan und Dr. Dolittle. Doch die Leute sagten ihr, sie sei doch „nur ein Mädchen“ und empfahlen ihr, Missionarsfrau oder Stewardess zu werden. Nur ihre Mutter lachte nicht über ihren Berufswunsch.

Über Umwege machte Jane Goodall schließlich ihren Traum wahr: Ihre Eltern konnten ihr kein Studium finanzieren, daher besuchte sie eine Sekretärinnenschule. Schließlich arbeitete sie als Kellnerin, um sich die Überfahrt nach Kenia leisten zu können. Dort bewarb sie sich beim Paläoanthropologen Louis Leakey, der sie 1960 nach Tansania schickte, um mehrere Monate lang Schimpansen zu beobachten. Eine Zeit des politischen Umbruchs auf dem Kontinent – daher hatte sie als weiße Frau große Vorteile, stellte sie in der „New York Times“ rückblickend fest: Afrika „bewegte sich in Richtung Unabhängigkeit und weiße Männer waren bedrohlich und wurden von Afrikanern nicht gemocht. Aber als Frau wollten sie mir alle helfen.“

Als die 26-Jährige ihr Lager im Gombe Stream Nationalpark am Rande des Tanganjika-Sees aufschlug, wurde sie von ihrer Mutter begleitet, denn Frauen durften damals nicht alleine im Park leben. Am Anfang schien ihre Expedition ein hoffnungsloses Unterfangen zu sein: Über Monate erhaschte sie nur kurze Blicke auf die Menschenaffen.

Als sie endlich das Vertrauen der Schimpansen gewann, machte sie jedoch drei überraschende Entdeckungen: Einer der Schimpansen nagte am Kadaver eines Kleintiers. Das widerlegte die vorherrschende Annahme, dass Affen kein Fleisch fressen. Außerdem benutzte derselbe Schimpanse, den sie inzwischen David Greybeard (Graubart) getauft hatte, einen Grashalm, um Termiten aus ihrem Bau zu fischen. Damit bewies er, dass nicht nur Menschen Werkzeug benutzen.

Und dann befreite Greybeard auch noch einen Ast von Blättern, um besser nach den Leckerbissen stochern zu können – und stellte damit Werkzeug her. Ohne jede akademische Ausbildung hatte Jane Goodall damit die Primatenforschung auf den Kopf gestellt. Ihr Buch „In the Shadow of Man“ (1971) wurde in 48 Sprachen übersetzt.

Der charakteristische Pferdeschwanz ist inzwischen weiß

Rund 40 Filme wurden über die Forscherin gedreht. In der „New York Times“ erinnerte sie sich an den ersten von 1965, den 25 Millionen Nordamerikaner sahen: „’Miss Goodall and the Wild Chimpanzees’ war so fehlerhaft. Orson Welles war der Erzähler, und ich nahm mir deshalb einen Anwalt, und Orson Welles musste ihn nochmal aufnehmen.“

2016 kam der Dokumentarfilm „Jane“ heraus, mit Filmmaterial aus den 60ern, das der National-Geographic-Kameramann Hugo van Lawick gedreht hatte. Er sollte später ihr erster Ehemann werden. Die Blondine mit dem charakteristischen Pferdeschwanz wirkte damals eher wie ein Filmstar als eine ernstzunehmende Verhaltensforscherin. Goodall sieht das sehr pragmatisch: „Wenn meine Beine mir geholfen haben, für die Schimpansen Werbung zu machen, dann war das nützlich“, sagte sie der Zeitschrift „Time“. Mitte der 80er-Jahre gab Goodall ihre Forschungsarbeit im Naturreservat auf: „Ich merkte, dass die Schimpansen verschwanden, die Wälder zurückwichen, schreckliche Dinge in der medizinischen Forschung passierten“, sagte sie dem „Guardian“. „Ich wusste, dass meine Zeit gekommen war, etwas dagegen zu unternehmen.“

Selbst heute, mit Mitte 80, ist sie noch 300 Tage pro Jahr unterwegs, engagiert sich weltweit für Klimaschutz, Naturschutz und ein nachhaltiges Umweltbewusstsein. Ende 2016 sprach sie sich gegen die umstrittene Hirnforschung an Affen am Tübinger Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik aus.

Über die Jahre hat sie sich ihren trockenen Humor bewahrt: „Du wächst von einem Baby zu einer alten Dame heran, und dann wird man älter – oder nicht, je nachdem, wie viele Facelifts man hat“, witzelte sie gegenüber der „New York Times“. Ihr Pferdeschwanz – neben dem Schimpansenruf ihr anders Markenzeichen – ist inzwischen weiß geworden. Gombe, wo alles begann, besucht sie zwei Mal pro Jahr. „Ich vermisse es, im Wald zu sein. Wenn ich an die Beziehung denke, die ich mit den Schimpansen Flo und David Greybeard hatte – das war magisch, und es wird nie wieder zurückkehren. Niemand wird es jemals wieder so machen.“

Dass sie es überhaupt gemacht hat, und die Welt – mit Schimpansenruf, Charme und Ausdauer – auf unsere nächsten Verwandten und deren Bedrohungen aufmerksam gemacht hat und dies bis heute tut, ist ihr großer Verdienst. (rif, dpa)

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