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Haus der Physik. Das Observatorium in der Marchstraße ist das älteste Gebäude der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin. Es war einst für die Vorgängerorganisation, die Physikalisch-Technische Reichsanstalt gebaut worden.

© PTB

Jubiläum: Die Kunst des Messens

Vor 125 Jahren nahm die Physikalisch-Technische Reichsanstalt in Berlin-Charlottenburg ihre Arbeit auf. Sie war die erste außeruniversitäre Großforschungsanstalt - und Vorbild für viele andere Länder.

Mit dem Namen Werner von Siemens wird meist jene Berliner Firma verbunden, die alsbald zu einem Imperium der Elektrotechnik wurde. „Nebenbei“ war der Unternehmer aber auch maßgeblicher Kämpfer für ein „Reichsinstitut für die experimentelle Förderung der exakten Naturwissenschaften und der Präzisionstechnik“. Ein Institut für die Wissenschaft vom Messen. Vor 125 Jahren, im Oktober 1887, war es soweit. Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt (PTR) nahm zunächst im Hauptgebäude der heutigen TU Berlin ihre Arbeit auf. Es war der Beginn der ersten staatlichen, außeruniversitären Großforschungseinrichtung.

Siemens hatte über ein Jahrzehnt hinweg den Gedanken eines solchen Staatsinstituts immer wieder ins Gespräch gebracht, das Baugelände in der Marchstraße gestiftet und schließlich eine ansehnliche Summe als Startkapital für das Institut zur Verfügung gestellt. Damit war gewissermaßen die Bewilligung weiterer Mittel durch den Reichstag und somit dessen Zustimmung zur Gründung eines solchen Staatsinstituts erzwungen worden.

Sein Engagement drückte das Bestreben der noch jungen und innovativen elektrotechnischen Industrie aus, physikalische Erkenntnisse stärker als bisher für die Praxis nutzbar zu machen. Die Anstalt sollte daher vor allem die Entwicklung eines einheitlichen und zuverlässigen elektrischen Maßsystems voranbringen – aber nicht nur. Siemens gelang es, gemeinsam mit seinem Kollegen und Freund Hermann von Helmholtz, dem damaligen „Reichskanzler der Physik“, das Profil der PTR auf eine breite Basis zu stellen. Für Siemens waren nachhaltige Erfolge nur dann zu erzielen, wenn man auch wissenschaftlich „neue Bahnen zuerst betritt und dieselben zu gründenden Industriezweige zuerst ausbildet.“

Die PTR wirkte nicht nur in Deutschland, sie wurde zum Vorbild für die Gründung weiterer metrologischer Staatsinstitute in den damals führenden Industrienationen. Als Zentrum physikalischer Forschung und des metrologischen Prüfwesens erwarb es sich in vielen Bereichen hohes Ansehen – in den Naturwissenschaften, aber auch in der Industrie.

Umgekehrt bildeten beispielsweise die von Lichttechnik und -industrie geforderten präzisen Strahlungsmessungen den Ausgangspunkt der epochemachenden Leistung Max Plancks: Die von ihm formulierte Strahlungsformel markiert die Geburtsstunde der Quantentheorie und leitet das Zeitalter der modernen Physik ein. Die hervorragend ausgestatteten Laboratorien der Reichsanstalt verhalfen den Wissenschaftlern aber auch auf vielen anderen Gebieten zu großen Fortschritten. Schon die Namen der führenden Mitarbeiter der PTR ergeben ein Kaleidoskop glanzvoller Namen der jüngeren Physikgeschichte. Unter ihnen findet sich mehr als ein halbes Dutzend Nobelpreisträger, wie Walther Nernst und Walther Bothe.

Die Jahrzehnte um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert markieren den Höhepunkt im Wirken der PTR, denn nach dem ersten Weltkrieg mussten sich die Forscher zunehmend auf die metrologische Grundlagenforschung und Prüftätigkeit konzentrieren. Zum weiteren Niedergang der PTR trugen auch die forschungspolitischen Orientierungen des Dritten Reiches bei, die die PTR nicht zuletzt in die nationalsozialistische Aufrüstungs- und Autarkiepolitik einband.

Nach dem zweiten Weltkrieg fand die Tätigkeit der PTR in beiden deutschen Staaten ihre Fortsetzung: als Deutsches Amt für Maß und Gewicht in Ostberlin sowie als Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) mit Hauptsitz in Braunschweig, wobei der Schwerpunkt auf der metrologischen Grundlagenforschung und Grundaufgaben des Mess- und Prüfwesens bestehen blieb. Auch hier gelang es, an die Traditionen der Vorgängerinstitution anzuknüpfen. So erreicht heute das Zeitlabor der PTB mit seinen modernen Atomuhren weltweit Spitzenwerte der Zeit- und Frequenzstandards. Die Bundesanstalt ist aber auch für die Prüfung profaner Einrichtungen wie Wahlcomputern, Spielautomaten und Schreckschusswaffen zuständig.

Im Berliner Teilinstitut der PTB, das in den angestammten Gebäuden in der Marchstraße untergebracht ist, werden unter anderem Messverfahren für die Medizin entwickelt.

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