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Jürgen Zöllner (65, SPD) ist seit 2006 Wissenschaftssenator in Berlin. Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der Charité, des gemeinsamen Uniklinikums von FU und HU.

© Mike Wolff

Jürgen Zöllner im Interview: "Die Charité wird Großes leisten"

2011 ohne Defizit, mehr Geld für Forschung und Lehre: Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner sieht die Unimedizin im Aufwind.

Herr Zöllner, die Charité kommt nicht aus den finanziellen Schwierigkeiten. Seit Jahren ist sie im Minus, der Vorstand plante für dieses Jahr erneut mit einem Verlust von 20 Millionen Euro. Der Aufsichtsrat, dem Sie vorsitzen, fordert aber für 2011 eine schwarze Null. Ist das realistisch?

Ich bin sehr dankbar und glücklich, dass der Vorstandsvorsitzende Karl Max Einhäupl jetzt auf dem Neujahrsempfang angekündigt hat, die Charité werde – nach kontinuierlicher Reduzierung der Defizite in den Vorjahren – 2011 tatsächlich eine schwarze Null schreiben. Da sehe ich mein Vertrauen in diesen Vorstand bestätigt. Ich bin überzeugt, dass dieser Vorschlag das für die Krankenversorgung, für die Forschung und für die Lehre Notwendige berücksichtigt.

Wo will die Charité kürzen, um zusätzlich 20 Millionen Euro einzusparen?

Das kann ich im Einzelnen noch nicht sagen. Das wird im Aufsichtsrat zu diskutieren sein. Ich gehe davon aus, dass der Vorstand auch externen Sachverstand bemüht hat.

Unlängst hat Finanzsenator Ulrich Nußbaum den Charité-Vorstandsvorsitzenden Karl Max Einhäupl scharf angegriffen. Indirekt drohte Nußbaum, Einhäupl absetzen zu wollen. Wie stehen Sie zu Nußbaums Äußerungen?

Das will ich nicht kommentieren. Ich kann nur positiv sagen, dass ich der festen Überzeugung bin, dass der Vorstandsvorsitzende wie der gesamte Vorstand eine optimale Lösung für Berlin darstellen.

Der Vorwurf steht im Raum, ein Wissenschaftler wie der Mediziner Karl Max Einhäupl sei nicht geeignet, eine so große Einrichtung wie die Charité zu führen.

Ich kann diesen Vorwurf ganz und gar nicht nachvollziehen. Selbstverständlich kann auch ein Wissenschaftler dazu in der Lage sein. Man darf auch nicht vergessen, dass es sich bei der Charité nicht um ein beliebiges Universitätsklinikum handelt. Die Charité hat den Anspruch, in Europa und in der Welt wissenschaftlich eine Spitzenstellung einzunehmen. Das muss sich wissenschaftlich glaubwürdig im Vorstand widerspiegeln. Ich schätze auch die anderen Vorstandsmitglieder sehr: Denken Sie an den Kaufmännischen Direktor, Matthias Scheller, den wir aus einem Dax-Unternehmen an die Charité geholt haben, oder an die Dekanin, Annette Grüters-Kieslich, und Ulrich Frei, den ärztlichen Direktor. In der Kombination leisten sie exzellente Arbeit.

Wie sieht es mit dem Landeszuschuss für Forschung und Lehre aus? Bis 2010 musste die Charité 98 Millionen Euro einsparen. Gibt es ab diesem Jahr einen Aufwuchs?

Es muss eine Trendumkehr geben. Die Charité muss einen genauso guten Vertrag bekommen wie die Hochschulen der Stadt. Er sollte genauso eine leistungsorientierte Komponente haben, mit der Möglichkeit für die Charité, bei guten Leistungen den Zuschuss um bis zu 15 Prozent zu steigern. Ich bin optimistisch, dass der Senat darüber bald Einvernehmen erzielen wird. Es wäre eine große Leistung, wenn man bedenkt, dass reichere Länder ihre Mittel für die Wissenschaft zurückschrauben. Ich bin bereit, das als Messlatte für mich zu nehmen, ob uns das gelingt.

Bedeutet das, Sie werden zurücktreten, wenn das nicht gelingt?

Eine Messlatte ist ein Maßstab für den Erfolg oder Misserfolg von Politik. Dies gehört für mich zur Glaubwürdigkeit und hat nichts mit Rücktrittsdrohung zu tun.

Finanzsenator Nußbaum will Mittel für Baumaßnahmen in den Jahren 2012/13 zurückfahren. Steht die Zusage des Senats, 185 Millionen Euro für die Sanierung des Bettenhauses in Mitte auszugeben, auf der Kippe?

Nein, darüber gibt es überhaupt keine Diskussion. Der gesamte Senat ist froh, dass wir eine langfristige Bauperspektive für die Charité haben.

Wie steht es um das Steglitzer Benjamin-Franklin-Klinikum? An der Freien Universität gibt es Befürchtungen, Steglitz werde benachteiligt.

Es steht fest, dass spätestens 2013 zum Doppelhaushalt 2014/15 im Senat über zusätzlich notwendige Investitionen für Steglitz und auch das Virchow-Klinikum entschieden wird. Das Virchow-Klinikum wird ja leider in der Debatte oft vergessen. Wir werden da insgesamt auf eine Summe kommen, die über die 330 Millionen Euro hinausgeht, die derzeit als Investitionen für die drei Standorte der Charité vom Senat zugesagt sind.

Die Sanierung von Steglitz ist aber hinter die des Bettenhochhauses zurückgestellt. Bestätigt das nicht die Sorgen der FU, das Klinikum Steglitz werde vernachlässigt?

Die Bauvorhaben, die jetzt im Rahmen der Bettenhaussanierung zu leisten sind, sind so groß, dass zusätzliche Projekte gar nicht zu bewältigen wären. Wenn die Charité bei den aktuellen Projekten im Zeitplan bleiben sollte, wird sie Großes leisten, wenn man sich die Geschichte des Bauens in Berlin anguckt.

Der Senat fordert eine engere Kooperation zwischen der Charité und dem landeseigenen Klinikkonzern Vivantes. Ist es realistisch, wenn Konkurrenten kooperieren sollen, oder wäre eine Fusion sinnvoller?

Der Senat hat eine klare Position: In der nächsten Legislaturperiode sollen auf der institutionellen Ebene andere Kooperationsmodelle geprüft werden. Eine Idee wäre eine Holding, bei der beide Einrichtungen unter einem gemeinsamen Dach selbstständig agieren. Da haben Sie unter einem Dach aber immer noch zwei Konkurrenten. Meiner Meinung nach sollte daher auch ein Ansatz geprüft werden, der über eine solche Holding hinausgeht und einheitlichere Strukturen vorsieht. Das Modell eines klassischen Universitätsklinikums würde man bei so einem Modell aufgeben. Das wäre eine Chance für die Charité in der immer mehr durch große Konzerne geprägten Krankenhauslandschaft in Deutschland.

Die Fragen stellte Tilmann Warnecke.

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