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© Mike Wolff

Juniorprofessoren: Sie sind jung und erfolgreich – aber zu wenige

Viele Juniorprofessoren machen wissenschaftlich Karriere. Doch nur 800 der geplanten 6000 Stellen wurden an deutschen Universitäten eingerichtet.

„Also, ich bin ein großer Fan“, ruft Anke Lüdeling begeistert ins Telefon. Juniorprofessorin zu sein, biete einem so viele Freiheiten und sei eine tolle Chance, „was los zu machen“. Lüdeling war eine der ersten Juniorprofessorinnen Deutschlands, als sie im Sommer 2002 die Stelle an der Humboldt-Universität antrat. Seit einem Jahr darf sich die 41-Jährige nun „ordentliche Professorin“ am Institut für deutsche Sprache und Linguistik nennen – ohne dass sie eine Habilitationsschrift verfasst hat. Ihre damalige Entscheidung hält sie für die beste, die sie hätte treffen können.

Die Juniorprofessur ist heute einer von mehreren Wegen, die zu einem Universitäts-Lehrstuhl führen. Im Berliner Hochschulgesetz ist verankert, dass man ebenso nach einer „mindestens fünfjährigen beruflichen Praxis“ – auch außerhalb des Hochschulbereiches – zum Universitätsprofessor berufen werden kann. Und nach wie vor ist es möglich, sich durch die klassische Habilitation zu qualifizieren.

Damit bieten die meisten deutschen Hochschulen heute eine Bandbreite von Möglichkeiten, einen Universitätslehrstuhl zu erlangen. Paradoxerweise war das gar nicht im Sinne der Erfinderin der Juniorprofessur. Edelgard Buhlmann (SPD), Bundesbildungsministerin bis zum Jahr 2005, führte das Karrieremodell Juniorprofessur im Zuge einer Hochschulreform zu Beginn des Jahrzehnts ein. Unikarrieren sollten beschleunigt werden, die Universitäten sollten sich einer Verjüngungskur unterziehen. Zeitnah nach der Promotion sollten junge Wissenschaftler mit den Aufgaben einer Professur betraut werden und sich in Eigenständigkeit üben. Ein weiteres erklärtes Ziel war die Abschaffung der Habilitation. Im Jahr 2001 schrieben die ersten Universitäten – unter ihnen die Freie Universität und die Humboldt-Universität – Stellen für Juniorprofessoren aus. Sie erhielten 75 000 Euro pro Junior.

Anke Lüdeling liebte vor allem die Selbstständigkeit: Ohne einen übergeordneten Professor konnte sie ihr eigenes Forschungsfeld erobern, eigene Drittmittel einwerben und Mitarbeiter heranziehen: „Auch wenn ein Chef gut ist, ist es immer noch toller, keinen Chef zu haben. Und mit über 30 Jahren will man einfach nicht mehr an die Hand genommen werden.“ Ihrer Meinung nach ist die Juniorprofessur die beste Vorbereitung auf den Beruf des Professors – auch wenn sie mit viel Druck und natürlich auch mit Fehlern und Ängsten verbunden ist. Doch wann solle man zum Beispiel sonst lernen, eigene Mitarbeiter anzuleiten? „Teilweise sind die Leute hier über 40, wenn sie das erste Mal Verantwortung tragen – und wir können doch nicht klein gehalten werden, bis wir über 40 sind!“ In ihrer Stimme liegt nun fast so etwas wie Empörung.

Viele Vertreter der klassischen Geisteswissenschaften sträubten sich bei der Einführung gleichwohl gegen die Idee der Juniorprofessur. Sie waren und sind auch heute noch der Meinung, dass eine innerhalb der Juniorprofessur zu leistende Forschung der herkömmlichen Habilitationsschrift nicht ebenbürtig sei und halten das Modell in ihrem Fach für grundsätzlich verfehlt. Und so ist Bulmahn, die Mutter der Juniorprofessur, schließlich mit der Idee, die Habilitation ganz aus dem System verschwinden zu lassen, an dem Widerstand der Universitäten gescheitert.

Auch Christoph Markschies, Präsident der Humboldt-Universität, hat sich daran gestört, dass die Einführung der Juniorprofessur mit dem Vorhaben verknüpft wurde, „die Assistenten aus der Sklaverei befreien zu wollen“. Die Juniorprofessur sei bereits mit einer Menge Verpflichtungen verbunden. Sie verlange ein hohes Maß an Selbstständigkeit, die Fähigkeit zu lehren und gleichzeitig noch ein Habilitationsäquivalent zu verfassen. Wissenschaftliche Assistenten dagegen seien zwar einem Professor unterstellt, arbeiteten dafür aber auch in einem geschützten Raum, sagt Markschies.

Das bestätigt Alexander Gröschner, der gerade erst vor fünf Monaten einen Ruf auf eine Juniorprofessur ablehnte, um an der Universität Jena eine Assistentenstelle am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie anzutreten. Zwar sieht auch er Vorteile in dem neuen Karrieremodell und bezeichnet es als „richtiges Sprungbrett“ in seinem Fach, doch in seiner individuellen Situation war die kumulative Habilitation eine ebenso attraktive Alternative. Bei der Entscheidung spielten nicht nur die guten Forschungsmöglichkeiten am Lehrstuhl eine Rolle, sondern auch die familiäre Situation: „Ich weiß jetzt, dass ich grundsätzlich berufungsfähig bin, doch brauche ich mit 32 Jahren den Professorentitel noch nicht unbedingt. Die Frage ist doch vielmehr, wo man sich wohlfühlt und welche konkreten Entwicklungsoptionen und Arbeitsbedingungen einem geboten werden.“

Nur knapp 15 Prozent der von Edelgard Bulmahn bis 2010 geplanten 6000 Juniorprofessuren sind bisher besetzt worden, doch die Institution scheint sich vor allem in den Natur- wie den Sozialwissenschaften zu einem beliebten Modell zu entwickeln (siehe Kasten). Kurosch Rezwan, der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft Juniorprofessur, sagt, die Berufung eines Juniorprofessors bedeute für Universitäten, dass sie sehr langfristig planen müssen. Da es zum Aufgabenfeld eines Juniorprofessors gehöre, sich ein eigenes Forschungsteam aufzubauen, müsse von Beginn an klar sein, wie nach den maximal sechs Jahren weiter verfahren wird. „Wir empfehlen den Universitäten, eine Juniorprofessur nur dann auszuschreiben, wenn absehbar ist, dass eine volle Professorenstelle dem Ende entgegengeht, die dann vom Juniorprofessor übernommen werden kann“, sagt Rezwan. Der Förderverein bemängelt, dass bislang nur 20 Prozent der Stellen mit dieser sogenannten Tenure- Track-Option ausgestattet sind.

Tenure Track soll im Umkehrschluss jedoch nicht bedeuten, dass die Juniorprofessur ein Selbstläufer sein soll. Dreimal muss sich ein Junior höchst anspruchsvollen Bewertungsverfahren stellen: Bei der Bewerbung, im Rahmen einer Zwischenevaluation und vor dem Antritt der ordentlichen Professur. Rezwan sagt, dass die Juniorprofessur eine Herausforderung und nur für besonders gute Wissenschaftler geeignet sei, die neben zahlreichen Verpflichtungen in der Lage seien, ausreichend zu publizieren: „Es handelt sich um einen handverlesenen Zirkel von Leuten, die diese Leistungen erbringen können und wollen.“ Seiner Meinung nach dürfte aus diesem Grund auch von Seiten der klassischen Geisteswissenschaften nichts gegen das neue Modell einzuwenden sein.

Auch Stefan Beck, von 2003 bis 2007 Junior- und heute Voll-Professor am Institut für Europäische Ethnologie der HU, findet fast nur positive Worte für die Institution. In seinem Forschungsfeld stelle die Juniorprofessur den geeigneteren Qualifizierungsweg dar: „Manche Wissenschaften funktionieren über dicke Bücher, unsere aber funktioniert über empirische Teamforschung. Die Habilitation scheint mir ein einsameres Geschäft zu sein.“ Allerdings sei es ein Dilemma der Juniorprofessur, sagt Stefan Beck, dass man zwar weniger verdiene, aber ebenso viele Verpflichtungen habe wie ein Professor. Der Wissenschaftliche Assistent dagegen sei von derartigen Pflichten entbunden und könne somit wesentlich mehr Zeit in die Forschung investieren. Damit stoße man allerdings auf ein generelles Problem: „Die Lehrstühle sind grundsätzlich durch ihre administrativen Pflichten völlig überbelastet.“

Friederike Schröter

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