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Katastrophen: Hupe statt Sirene

Hebt in der Straße plötzlich ein infernalisches Hupkonzert an, steckt wohl keine Fehlfunktion etlicher Alarmanlagen dort geparkter Fahrzeuge hinter dem Lärm. Dieses ferngesteuerte Hupen warnt vielmehr vor einer Katastrophe.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen (INT) in Euskirchen wollen mit diesem Lärm die Sirenen ersetzen, die in Kriegszeiten auf Angriffe hinwiesen. Nach dem Ende des Kalten Krieges aber wurden die Sirenen von Schuldächern und Gemeindehäusern abmontiert, weil ihr Unterhalt zu teuer war. Im Frieden wollten Feuerwehr und Katastrophenschutz vor Feuersbrünsten, Überschwemmungen oder Chemieunfällen über Fernsehen und Radio, später auch über Handys warnen.

Katastrophenspezialisten warnten vergeblich, die kaum zu überhörenden Sirenen durch elektronische Medien zu ersetzen. Fernseher, Radio und Handy werden schließlich öfter mal ausgeschaltet. Deren Besitzer können dann nur noch von Nachbarn gewarnt werden, die auch um vier Uhr am Morgen noch vor der Glotze sitzen oder mit dem Handy am Bett schlafen. Wieder einführen aber wollen Bund und Länder die Sirenen auch nicht, weil das mehrere hundert Millionen Euro kosten dürfte.

Einen preiswerteren Ausweg aus diesem Dilemma fand INT-Forscher Guido Huppertz. Der Ingenieur nutzt dabei das Notruf-System „eCall“, das auf Betreiben der EU-Kommission ab September 2010 in jedes neue Auto eingebaut werden muss. Dieses Gerät enthält ein GPS-Satellitenortungssystem und eine Mobilfunkanlage. Bei einem Verkehrsunfall sendet eCall Zeitpunkt, Ort und eventuell weitere Daten automatisch an eine Notrufzentrale. Auch wenn die Betroffenen nicht mehr reagieren können und keine Unbeteiligten den Unfall mitbekommen haben, kann so schnell Hilfe losgeschickt werden. So will die EU mit eCall die Zahl der Verkehrstoten senken.

Das System lässt sich aber auch für die Warnung der Bevölkerung vor Katastrophen nutzen, tüftelten die INT-Forscher aus. Baut man ein zusätzliches Modul in eCall ein, können Feuerwehr und Katastrophenschützer im Ernstfall eine Nachricht an die Fahrzeuge senden. Diese schaltet die Hupe ein, wenn sich das Auto in der Region befindet, die gewarnt werden muss. Und da eine plötzlich während der Fahrt betätigte Hupe erheblich mehr Unheil anrichten würde, als sie Hilfe bringt, passiert das nur, wenn der Motor abgestellt ist.

Billiger als neue Sirenen ist ein solches System allemal. Sobald 14 Prozent aller zugelassenen Fahrzeuge diese Katastrophenalarmanlage eingebaut haben, kann man die Bevölkerung umfassend warnen, hat Guido Huppertz ausgerechnet. Nach einer Aufbauphase von zwei bis vier Jahren wäre dieses Warnsystem einsatzbereit. Und überhören dürfte auch der beste Schläfer ein solches Hupkonzert nicht. Schaltet er so vorgewarnt auch noch Radio oder Fernseher ein, erfährt er dort nicht nur, welche Katastrophe droht, sondern auch, wie er sich verhalten soll.

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