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Staubige Angelegenheit. Die Grafik zeigt einen Teil des südlichen Himmels, aufgenommen mit "Planck". Die Farben kennzeichnen, wie viel Strahlung von Staub in den einzelnen Regionen abgegeben wird. Die länglichen Linien markieren das galaktische magnetische Feld. Die weiße gestrichelte Linie zeigt den Ausschnitt, den BICEP2 analysiert hat. Dort gibt es zwar weniger Staub, aber doch genug, um Irritationen hervorzurufen. Die vermeintlichen Signale der kosmischen Inflation sind in Wirklichkeit wohl eher Strahlung des Staubs.

© Abb.: ESA/Planck Collaboration. Acknowledgment: M.-A. Miville-Deschênes, CNRS – Institut d’Astrophysique Spatiale, Université Paris-XI, Orsay, France

Keine Spur von kosmischer Inflation: Zu Staub zerfallen

Belege für die kosmische Inflation gefunden - das behauptete das Team von BICEP2 im vergangenen Jahr. Ein Irrtum, wie jetzt Daten des Satelliten „Planck“ zeigen. Das Muster stammt von galaktischem Staub.

Von Rainer Kayser, dpa

Es war die astronomische Sensation des vergangenen Jahres. Im März verkündete ein internationales Forscherteam, es sei erstmals auf eine direkte Spur der kosmischen Inflation gestoßen. So nennen Astronomen eine nur Sekundenbruchteile dauernde Epoche unmittelbar nach dem Urknall, in der sich der gängigen Theorie zufolge der Kosmos rasant aufgebläht hat. Doch der Jubel war verfrüht. Genauere Messungen mit dem europäischen Satelliten „Planck“ zeigen, dass das vom Spezialteleskop „BICEP2“ (Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization) aufgespürte Signal doch nicht vom Urknall stammt, sondern von Staubwolken in unserer Milchstraße.

„Als wir auf das Signal in unseren Daten stießen, haben wir uns auf die damals verfügbaren Modelle des Staubs in der Milchstraße verlassen“, sagt John Kovac, Leiter des BICEP2-Teams, entschuldigend. Doch inzwischen hat Planck genauere Werte für den Staub geliefert. In einer gemeinsamen Analyse haben die an BICEP2 und Planck beteiligten Forscher die neuen Daten berücksichtigt. Ein Verdacht, der seit Monaten in Fachkreisen kursierte, wurde nun bestätigt: Kosmischer Staub hatte Kovacs Team genarrt. Von dem vermeintlichen Signal der kosmischen Inflation jedenfalls blieb nach der neuen Analyse nichts mehr übrig.

Rätselhafte Wirbel im "Echo des Urknalls"

Das umstrittene Signal sind wirbelförmige Muster in der kosmischen Hintergrundstrahlung. Etwa 380 000 Jahre nach dem Urknall wurde das Universum für elektromagnetische Strahlung durchsichtig. Aus dieser Zeit stammt die gleichmäßig aus allen Richtungen zur Erde kommende Hintergrundstrahlung. Dieses „Strahlungsecho des Urknalls“ ist heute auf eine Temperatur von 2,7 Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Winzige Temperaturschwankungen haben Kosmologen bereits viele Informationen über das Universum, seine Entstehung und Entwicklung geliefert.

Detektor am Südpol. Mit diesem Radioteleskop (im Vordergrund) studierten die Astrophysiker drei Jahre lang die kosmische Hintergrundstrahlung – und entdeckten Hinweise auf Gravitationswellen, die so alt sind wie das Universum.
Detektor am Südpol. Mit diesem Radioteleskop (im Vordergrund) studierten die Astrophysiker drei Jahre lang die kosmische Hintergrundstrahlung – und entdeckten Hinweise auf Gravitationswellen, die so alt sind wie das Universum.

© AFP

Die bislang genaueste Analyse des Urknall-Echos hat von 2009 bis 2013 der Satellit Planck vorgenommen. Mit diesen Daten wurde das Alter des Kosmos von 13,7 Milliarden Jahren auf 13,82 Milliarden Jahre korrigiert. Außerdem zeigten die Messungen, dass nur 4,9 Prozent des Universums aus normaler Materie bestehen, 26,8 Prozent sind Dunkle Materie, 68,3 Prozent Dunkle Energie.

Inflation: In einem winzigen Augenblick platzt das Universum auf

BICEP2 hingegen steht auf der Erde, an der amerikanischen Amundsen-Scott-Südpolstation. Es misst nicht die Temperatur, sondern die Polarisation des kosmischen Hintergrunds, also die Schwingungsrichtung der Wellen.

Die kosmische Inflation dauerte der Theorie zufolge weniger als den quintillionsten Teil einer Sekunde – eine Quintillion ist eine 1 mit 30 Nullen – und blähte das Universum in diesem winzigen Augenblick auf mehr als das Hundertquadrillionfache seiner vorherigen Größe auf. Eine Quadrillion ist eine 1 mit 24 Nullen. Dieses unvorstellbar gewaltige, ruckartige Aufblähen des Kosmos hätte, so die Vorhersage der Theorie, Gravitationswellen erzeugt: Schwingungen von Raum und Zeit. Die Schwingungen wiederum hätten der kosmischen Hintergrundstrahlung ein charakteristisches Polarisationsmuster aufgeprägt. Genau so ein Muster, das erstaunlich gut mit den theoretischen Vorhersagen übereinstimmt, meinte das BICEP2-Team im vergangenen Jahr aufgespürt zu haben.

Staub verfälscht die Messungen - mehr als gedacht

Aber die Angelegenheit ist kniffelig. Auch Staub in der Milchstraße gibt polarisierte Strahlung ab, dieser Einfluss muss berücksichtigt werden. Deshalb haben die Forscher um Kovac sich eine 380 Quadratgrad – gerade einmal zwei Prozent der gesamten Himmelssphäre – große, von Störungen durch Staub möglichst freie Region in der Nähe des Himmelssüdpols ausgewählt. Wie die Planck-Daten nun zeigen, hat diese Vorsichtsmaßnahme nicht ausgereicht.

Im Gegensatz zu BICEP2 hat Planck die Polarisation der Hintergrundstrahlung bei drei verschiedenen Frequenzen gemessen. So können die Forscher wesentlich genauer erkennen, welcher Anteil der Strahlung durch Staub in der Milchstraße produziert wird. Deshalb haben die Teams von BICEP2 und Planck nun noch einmal gemeinsam den Einfluss des galaktischen Staubs analysiert.

Die Suche nach Spuren der Inflation geht weiter

Das Ergebnis ist für das BICEP2-Team enttäuschend: Die polarisierte Strahlung des Staubs ist mindestens doppelt so stark, wie das selbst unter optimistischen Annahmen erwartete Signal der Inflation. Der vermeintliche Nachweis erweist sich als Irrtum. „Das bedeutet nicht, dass es keine Inflation gegeben hat“, betont Reno Mandolesi vom Planck-Team. Es könne immer noch ein Zeichen davon am Himmel geben. Die Suche danach gehe weiter.

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