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Wissen: Kinder sind komplex

Vielen Erzieherinnen fehlt Kompetenz

Seitdem Deutschland nach dem Pisa-Schock aufgewacht ist, verbreitet sich immer stärker die Einsicht, dass man mit der Bildung gar nicht früh genug beginnen kann. Kindergärten öffnen sich bereits für Zweijährige. Erfahrungen mit den Risikogruppen aus der deutschen Unterschicht und den Migrantenfamilien zeigen, dass eine systematische Einführung in Lesen, Rechnen und Naturverständnis mit Schulbeginn bereits zu spät kommt. Damit müssen sich die Erzieherinnen ganz anderen Herausforderungen stellen als dem Aufbewahren und Betreuen. Heute und künftig geht es auch um Bildung in den Kindertagesstätten.

Die Weiterbildungsinitiative frühpädagogische Fachkräfte (WIFF) hat 1179 Lehrkräfte an Fachschulen der Sozialpädagogik befragt. Das Ergebnis: Die Sozialpädagogen oder Erzieherinnen verstehen sich auf das pädagogische Kerngeschäft wie das Spielen und die Gestaltung von Beziehungen unter Kindern. Aber großer Weiterbildungsbedarf besteht für den Umgang mit komplexeren Anforderungen. Wie sollen Erzieher mit Eltern zusammenarbeiten, die sich in belastenden Lebenslagen befinden? Wie sollen sie mit dem Thema der Einbeziehung behinderter Kinder umgehen? Wie ist eine sensible Erziehung der Kinder in Fragen der Geschlechterrollen zu gestalten? Diese Problembeschreibung ruft nach wissenschaftlicher Forschung, Weiterbildung oder einem Hochschulstudium für Erzieher.

Befragt wurden auch 1000 Bachelorstudenten von frühpädagogischen Studiengängen. 86 Prozent verbinden Karriereerwartungen mit ihrer wissenschaftlichen Qualifikation, und 91 Prozent hoffen auf eine bessere Bezahlung. Hier beginnen die Probleme. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts, sagte, so qualifizierte Erzieher und Erzieherinnen dürften nicht mehr schlechter bezahlt werden als Grundschulpädagogen. Allerdings schließt er aus, dass künftig alle Leiter von Kindergärten mindestens einen Bachelorabschluss in der Tasche haben müssen. Für die Leitung einer Kindertagesstätte qualifiziere auch langjährige berufspädagogische Erfahrung, erklärte Rauschenbach vor Journalisten in Berlin.

Die Sprecher des WIFF fordern: Erzieher und Erzieherinnen, die bisher überwiegend von Fachschulen und Berufsfachschulen ausgebildet worden sind, müssten sich weiterbilden und den Erfolg der Weiterbildung auch mit Zertifikaten nachweisen. Mit einem Weiterbildungszertifikat an der Wand sei es jedoch nicht getan. Erzieher sollten wie in Bayern die Möglichkeit erhalten, dass ihnen die Weiterbildung bei einem künftigen Hochschulstudium mit drei Semestern angerechnet werde. Noch sind die Aussichten für Bachelor- und Masterstudenten in der frühpädagogischen Erziehung relativ günstig, weil die inzwischen 70 Studiengänge auf diesem Feld auch Lehrkräfte und Forscher benötigen. Darüber hinausgehende Prognosen wagt der WIFF nicht.

82 Prozent der Schulleiter an den Fachschulen für Sozialpädagogik sprechen sich für die Vereinheitlichung der Ausbildung in Deutschland aus. Das ist aber gar nicht so einfach, weil sich in der Frühpädagogik Berufsfachschulen, Fachschulen, Hochschulen und Universitäten tummeln. Bereits die Eingangsqualifikationen für die Ausbildung zum Frühpädagogen reichen vom Haupt- und Realschulabschluss bis zum Abitur, wobei von ehemaligen Haupt- und Realschülern vor der Aufnahme in eine Berufsfachschule auch Praktika in Kindergärten verlangt werden. Wo künftig bei der Eingangsqualifikation die Grenzen gezogen werden sollen, ließen die Experten der WIFF offen.

In der Förderung der frühpädagogischen Ausbildung engagieren sich inzwischen Bund, Länder und Kommunen. Eine Initialzündung ist der Bosch-Stiftung zu verdanken, die einen entsprechenden Schwerpunkt eingerichtet und Modellstudiengänge gefördert hat. Uwe Schlicht

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