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Schwachstelle. Der russische Turner Nikolai Krjukow verletzte sich bei der Weltmeisterschaft 2007 in Stuttgart am Kniegelenk.

© picture-alliance/dpa

Knieschmerz: Gelenkspiegelung bringt kaum Vorteile

Verschleiß im Kniegelenk macht vielen Menschen zu schaffen. Das Entfernen von krankhaftem Knorpel und Meniskusteilen hilft auf Dauer jedoch wenig.

Mit den Jahren stellen sich bei vielen Menschen Schmerzen in den Gelenken ein. Besonders häufig vom Verschleiß, Arthrose, betroffen ist das Kniegelenk. Der Gelenkknorpel nutzt ab und die Menisken – zwischen den Gelenkflächen gelegene ringförmige „Stoßdämpfer“ aus Bindegewebe – werden rissig. Allein in Deutschland erfolgen jedes Jahr mehr als 413000 Gelenkspiegelungen (Arthroskopien) des Knies.

Mit Hilfe kleiner Schläuche verschafft sich der Chirurg zunächst einen Zugang zum Gelenk. Dann wird krankhaftes Material aus dem Gelenk entfernt, etwa Teile von Meniskus oder Knorpel, und die Gelenkflächen werden geglättet. Der Nutzen dieses Eingriffs ist jedoch umstritten. Auch eine neue Studie im Fachblatt „BMJ“ kommt zu dem Schluss, dass Gelenkspiegelungen bei schmerzhaftem Knieverschleiß nur einen unbedeutenden Vorteil bieten.

Dänische und schwedische Forscher werteten 18 Untersuchungen aus, in denen Nutzen und Nachteil der Gelenkspiegelung bei Patienten mittleren und höheren Lebensalters mit anderen Therapien, etwa Bewegung, Schmerzstillung oder einer Scheinbehandlung verglichen wurde. In neun Studien mit insgesamt 1270 Patienten im Alter zwischen 48 und 63 fand sich ein kleiner Vorteil zugunsten der therapeutischen Gelenkspiegelung. Drei und sechs Monate nach dem Eingriff hatten die Patienten weniger Schmerzen. Später war kein Unterschied zu Nichtoperierten mehr nachweisbar. Dagegen machte es für das Funktionieren des Kniegelenks kaum einen Unterschied, welches Verfahren eingesetzt wurde.

In weiteren neun Studien fanden die Wissenschaftler Hinweise auf Nebenwirkungen der Gelenkspiegelung. Die sind selten, doch fallen sie bei der großen Zahl der Arthroskopien ins Gewicht. Registriert wurden mit absteigender Häufigkeit Blutgerinnsel (Thrombosen) in den „tiefen“ Venen, Infektionen, Lungenembolie (verstopfte Lungenschlagader) und Todesfälle. Ihre Ergebnisse stützten nicht „die Praxis der arthroskopischen Chirurgie als Behandlung für Patienten mittleren oder höheren Alters mit Knieschmerzen“ lautet das Fazit der Forscher.

Noch weiter in seiner Kritik geht der Orthopäde Andy Carr von der Universität Oxford. Die therapeutische Knie-Arthroskopie werde zu häufig eingesetzt, sie sei nicht effektiv und potentiell schädlich, kommentiert Carr im „BMJ“. Nach Schätzungen komme es bei knapp jeder tausendsten Gelenkspiegelung zu einem Todesfall und bei vier von 1000 Arthroskopien zu einer Venenthrombose.

„Eine erhebliche Zahl von Menschenleben könnte gerettet und Venenthrombosen verhindert werden, wenn das Behandlungsverfahren seltener oder gar nicht mehr eingesetzt würde“, argumentiert Carr. Vielleicht sei man jetzt an einem Wendepunkt angekommen.

In Deutschland hatte sich das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen 2014 mit dem Thema Gelenkspiegelung bei Knieverschleiß (Gonarthrose) beschäftigt. Das Institut hält den Nutzen des Verfahrens für „nicht belegt“.

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