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Kolumne: Aha: Warum tragen Ärzte weiße Kittel?

Seit Grippe- und Noroviren grassieren, vermute ich sie überall: an der Haltestange der U-Bahn, auf dem Griff des Einkaufswagens, der Tastatur des Bankautomaten. Zu Hause wasche ich mir zuerst die Hände.

Seit Grippe- und Noroviren grassieren, vermute ich sie überall: an der Haltestange der U-Bahn, auf dem Griff des Einkaufswagens, der Tastatur des Bankautomaten. Zu Hause wasche ich mir zuerst die Hände. Seife ist zwar kein gutes Antiseptikum, sie bringt Krankheitskeime nicht um. Trotzdem kann man potenzielle Erreger damit loswerden, denn sie löst fettige Substanzen, Hautschuppen und Schweiß. Schrubbt man die Hände ein bisschen, spült das Wasser auch die meisten Keime weg.

Den Gynäkologen Ignaz Philipp Semmelweis machte regelmäßiges Händewaschen berühmt. Er stellte fest, dass die Zahl der Frauen, die am Kindbettfieber starben, beträchtlich sank, wenn die behandelnden Ärzte ihre Hände mit Chlorkalk desinfizierten. Durchsetzen konnte er sich mit der Forderung nach mehr Hygiene in den Kliniken zunächst nicht. Seine Kollegen operierten Mitte des 19. Jahrhunderts noch in derselben Kleidung, die sie auch auf der Straße trugen, die Militärchirurgen in Uniform.

Sterile Operationsmethoden fanden mehr Beachtung, nachdem Robert Koch die Erreger der Wundinfektion mit fotografischen Mitteln sichtbar gemacht hatte. „Erst nach 1880 kam man auf die Idee, dass die Erreger über Hände und Instrumente in eine Wunde gelangen“, sagt Johanna Bleker vom Institut für Geschichte der Medizin der Berliner Charité. „Nach der Jahrhundertwende hatten dann alle Ärzte weiße Kittel an.“

Anders als einen schwarzen Gehrock kann man weiße Kittel bei hoher Temperatur waschen, die Keime und Bakterien sicher tötet. Weißwäsche ist hitzebeständig. Auf Weiß sieht man außerdem jeden Fleck. So lässt sich leichter kontrollieren, ob der Arzt einen frischen Kittel trägt oder nicht.

„Weiße Kittel sind ein Sinnbild für Sauberkeit“, sagt Bleker. In infektionsträchtigen Bereichen einer Klinik muss heutzutage auch das Reinigungspersonal täglich den Kittel wechseln, weil Textilien Vehikel für Mikroorganismen sind. Krawatten zum Beispiel sind wahre Keimschleudern und wurden inzwischen selbst von britischen Chefärzten abgelegt.

Allerdings schaffen weiße Kittel allein noch keine Saubermänner. In deutschen Krankenhäusern infizieren sich Jahr für Jahr mehr als eine halbe Million Patienten mit Erregern, mehrere zehntausend sterben daran. Thomas de Padova

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