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Kolumne: Aha: Warum wird man nach dem Tod kaum zum Fossil?

Ötzi. Vierzig plus, etwa mein Alter. Zuletzt trug er eine Ziegenfelljacke und mit Gras ausgestopfte Bergschuhe. Bergwanderer fanden die Gletscherleiche in Südtirol. 5300 Jahre hatte sie dort als Mumie im Eis überdauert.

Oder Lucy. Wir wissen nicht, ob sie tätowiert war wie Ötzi und wie dieser an die Heilwirkung von Baumpilzen glaubte. Aber der Bau ihres Skeletts verrät, dass sich Lucy schon vor mehr als drei Millionen Jahren auf zwei Beinen fortbewegte. Die spektakuläre Entdeckung machte eine ganze Hominidenart berühmt: Australopithecus afarensis, benannt nach dem Fundort, dem Afardreieck, einer Tiefebene in Äthiopien, die mehrfach überschwemmt wurde und wieder trockenfiel.

Ötzi. Lucy. Und ich? Kann auch ich eines Tages zum Fossil werden?

Für einen Berliner sind die Aussichten schlecht. Eine Mumifikation scheidet aus. Ötzi wurde schockgefroren wie viele sibirische Wollhaarmammuts vor ihm. In einem solchen Fall können selbst Gene erhalten bleiben. Wo aber kein Permafrost oder extreme Sonneneinstrahlung herrscht, gibt es weder Kälte- noch Trockenmumien. Und so lassen sich Bakterien und andere Mikroorganismen kaum davon abhalten, ihr Werk der Zersetzung zu beginnen.

Nur wenige Lebewesen gelangen nach dem Tod in ein Milieu, das sie vor einer raschen Zersetzung bewahrt. „Auf dem Festland sind die Chancen generell sehr gering“, sagt Helmut Keupp, Geologe und Paläontologe an der Freien Universität Berlin. Denn hier werde im Lauf der Jahrtausende eher Material durch Erosion abgetragen als akkumuliert. „Günstiger sind die Verhältnisse im Meer, am besten im Schwarzen Meer. Da kann eine Leiche komplett erhalten bleiben.“

Das Tiefenwasser des Schwarzen Meeres ist lebensfeindlich, eine Todeszone, in der nur jene Bakterienarten überdauern, die ohne Sauerstoff auskommen. Lebewesen, die in diese sauerstofffreien Tiefen hinabsinken, sind vor Aasfressern geschützt. Mit der Zeit legt sich Schlick schichtweise über ihren Leichnam, sie werden im Meeresboden eingebettet. Wenn sich der Grund nach und nach zu Sedimentgestein verfestigt, können sie fossilisieren. Ans Licht gelangen sie aber nur, falls sich der Boden eines Tages wieder aufwölbt oder trockengelegt wird. Das passiert relativ häufig: Viele Fossillagerstätten sind einstige Moore, Seen oder Flachmeere. Thomas de Padova

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