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Kolumne: Dr. Wewetzer: Dampfen statt Rauchen

Hartmut Wewetzer fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Diesmal: die elektronische Zigarette.

Neulich war ich auf einer Party, auf der es wie in den guten alten 70er Jahren zuging. Flohmarktmöbel, Kerzenschein, Rotwein, anregende Gespräche – und jede Menge Tabakqualm. Ich glaube, außer mir hat so ziemlich jeder geraucht, wenn ich nach dem Gestank gehe, der noch am Tag darauf von Hemd, Hose und Jacke ausströmte. Auf den Rauch hätte ich verzichten können, und die Raucher übrigens auch. Denn seit einigen Jahren gibt es elektronische Zigaretten. Mit ihnen kann man rauchen, ohne zu rauchen.

Die elektronische oder E-Zigarette sieht meist ähnlich aus wie eine echte Zigarette. Es wird aber kein Tabak verbrannt. Stattdessen wird mit einer batteriegetriebenen Heizspirale nikotinhaltige Flüssigkeit, Liquid genannt, erwärmt und als Dampf beim Ziehen an der E-Zigarette eingeatmet. Neben dem Suchtstoff Nikotin enthält das Liquid Lösungsmittel und Aromen.

Entscheidend ist, dass kein Tabak verbrannt wird und kein für Aktiv- wie Passivraucher gefährlicher blauer Dunst entsteht. Eine E-Zigarette wird „gedampft“, nicht geraucht. Der Nikotinnebel befriedigt lediglich die Sucht, ist also eine Alternative für Raucher, die es nicht schaffen, dem Tabak völlig zu entsagen.

Man sollte meinen, dass deutsche Behörden die E-Zigarette im Interesse der Gesundheit aller willkommen heißen. Leider ist eher das Gegenteil der Fall. So hat das sonst angenehm nüchtern argumentierende Bundesinstitut für Risikobewertung eine Stellungnahme herausgegeben, in der es vor E-Zigaretten warnt. Weil so recht kein handfestes Risiko in Sicht ist, greift man wiederholt zur Heißdampf-Formulierung schlechthin: Gefahren seien „nicht auszuschließen“. Es ist auch „nicht auszuschließen“, dass der neue Papst morgen von einem Meteoriten erschlagen wird. Es ist nur sehr unwahrscheinlich.

Das Bundesinstitut rät dazu, „generell“ auf den Konsum von E-Zigaretten zu verzichten. Eine zumindest für Raucher fragwürdige Empfehlung, denn im Zweifelsfall ist Dampfen das bei weitem kleinere Übel. Das britische Magazin „Economist“ hat kürzlich darauf hingewiesen, dass jedes Jahr mehr als fünf Millionen Menschen an den Folgen des Rauchens sterben. Die E-Zigarette könnte vermutlich viele dieser Leben retten.

Natürlich sollten E-Zigaretten Regeln unterworfen sein und weiter erforscht werden. Nikotin macht süchtig und ist in hoher Dosis giftig, es gehört nicht in Kinderhände und sollte nur von autorisierten Händlern verkauft werden, schlägt der „Economist“ vor. Unsinnig ist dagegen die Forderung, die E-Zigarette müsse wie ein Arzneimittel zur Raucherentwöhnung zugelassen werden, mit entsprechend hohen Hürden. Einen größeren Gefallen kann man der herkömmlichen Tabakindustrie nicht tun.

Bei der Ablehnung der E-Zigarette mögen auch moralische Gründe im Spiel sein. Die Sucht gilt als Charakterschwäche. Zwischen abstinent und süchtig, gut und böse, gibt es scheinbar keine Verbindung. Aber die Wirklichkeit ist nicht schwarz und weiß.

Unser Kolumnist leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel. Haben Sie eine Frage zu seiner guten Nachricht? Bitte an: sonntag@tagesspiegel.de.

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