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Mit Holz baut der Mensch schon immer. Seit kurzem auch wieder höher hinaus, wie dieser weltweit höchste Aussichtsturm aus dem Naturmaterial in Kärnten zeigt. Realisiert wurde er vom Unternehmen Rubner Holzbau. Es ginge aber - mit verdichteten Zellulosefasern - sogar noch stabiler, härter, höher, haltbarer.

© Rubner Holzbau

Konkurrenz für Beton und Stahl: Auf der Suche nach dem Super-Balken

Nachwachsend, recycel- und biologisch abbaubar – und jetzt auch lichtdurchlässig und stabil wie Stahl: Ingenieure basteln mit Holz am Baumaterial der Zukunft.

Holz gehörte zu den ersten Materialien überhaupt, aus denen Menschen Unterkünfte, Werkzeuge und Waffen fertigten. Heute fristet es nicht nur im Bausektor – gemessen am Gesamtvolumen und verglichen mit Stahl und Beton – ein Nischendasein. Projekte wie das einer japanischen Firma, die ein 350 Meter hohes, zu großen Teilen aus dem nachwachsenden Material bestehendes Gebäude plant, lassen zumindest ahnen – oder hoffen –, dass es auch anders ginge. Doch längst sind Forscher und Ingenieure auch dabei, Holz so zu bearbeiten, dass es Eigenschaften bekommt, die mit denen von Stahl und Beton mehr als konkurrieren können.

Lignine raus, dann feste drücken

Ein Team der University of Maryland in College Park etwa hat eine Methode entwickelt, Holz so zu behandeln, dass es zwölf Mal stabiler wird als das Ausgangsmaterial, und etwa zehn Mal härter. „Unser Holz ist so stabil wie Stahl, dabei aber etwa sechsmal leichter“, sagt Lianbing Hu, Chef des kleinen Forschungsteams. Das Material könne „nicht nur mit Stahl, sondern auch mit Titanlegierungen konkurrieren“. Er vergleicht es mit Karbonfasern, es sei aber wesentlich preiswerter.

Zunächst entfernt das Team das Lignin aus der Holzstruktur. Lignine färben das Holz nicht nur braun, sondern machen es auch spröde. Es ist ein Prozess, der ähnlich in der Papierherstellung zum Einsatz kommt. Anschließend wird das Holz bei etwa 65 Grad Celsius gepresst. Dabei werden die Zellulosefasern sehr dicht gepackt. Kleinere Defekte und Hohlräume verschwinden. Danach ist das Material nur noch etwa 20 Prozent so dick wie zu Beginn. Die Holzstruktur allerdings bleibt weitgehend erhalten. Sie besteht überwiegend aus Abermilliarden Fasern, die den Bäumen zur Durchleitung von Wasser- und Nährstoffen dienten.

"Unglaubliches Potenzial"

„Nanozellulose“ nennen die Forscher das so entstandene Material auch. „Unser Holz kann in Autos, Flugzeugen und Bauwerken zum Einsatz kommen; überall dort, wo Stahl verwendet wird“, ist sich Hu sicher. 2016 wurden weltweit 1630 Millionen Tonnen Stahl erzeugt, unter hohem Energieaufwand. Hus moderne Form der Pressholzherstellung wäre auch hier überlegen.

„Das Ganze ist weit weniger geheimnisvoll, als man zuerst glauben sollte“, sagt Marion Frey von der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Zürich . „Wenn man die Belastbarkeit der Zellwände – ohne Hohlräume und Störungen – extrapoliert, kommt man auch in der Theorie auf ähnliche Steifigkeitswerte und übrigens auch auf eine ähnliche Dichte von 1,5 Kilogramm pro Kubikdezimeter.“ Das Material habe tatsächlich „ein unglaubliches Potenzial“. Aber obwohl die Delignifizierung in der Papierherstellung bereits großtechnisch durchgesetzt sei, werde es noch eine ganze Weile dauern, bis solch hochfestes Holz anwendungsreif werde. Viele Detailfragen zu dem neuen Werkstoff müssten noch geklärt werden. Denn auch das verpresste Holz bleibt ein Naturprodukt und kann nicht ohne Weiteres – wie etwa eine Metalllegierung – mit genauestens definierten und garantierten Eigenschaften ausgestattet werden.

Natürliche Nanostrukturen

An der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich arbeitet ebenfalls ein Team von Materialwissenschaftlern an hochfester Zellulose. „Mittlerweile interessiert sich auch die Industrie für unsere Entwicklung“, sagt Institutsleiter Ingo Burgert. Details nennen will er nicht, man sei „in Verhandlungen“. Möglicherweise werde es erste Anwendungen im Automobilbau geben, wo Platz- und Gewichtseinsparungen eine große Rolle spielen, ergänzt Burgert. Wie schnell das gehen wird, hänge vor allem davon ab, in welchem Tempo die Industrie in die Massenproduktion einsteigen könnte. Auch am Bau kann Burgert sich den Einsatz des Superholzes vorstellen. Doch auch er führt produktionstechnische Hürden an, die dafür noch überwunden werden müssten. Und auch die Zuverlässigkeit des Materials müsse noch gesteigert werden.

Wenn es um Nanotechnik geht, dienen natürliche Eigenschaften oft lediglich als Vorbild für technologische Gimmicks. Bekannt geworden ist etwa der Lotoseffekt, bei dem Wasser nicht nur völlig restlos von einer Fläche abläuft, sondern sogar noch Schmutzpartikel mitnimmt. Holzfasern dagegen sind schon fix und fertige, natürliche Nanostrukturen, die nicht erst im Labor nachgebaut werden müssen, sondern beinahe direkt nutzbar sind.

Bei ihren Forschungen ist die Gruppe der University of Maryland denn auch auf eine Möglichkeit gestoßen, Holz lichtdurchlässig zu machen. Auch für diesen Effekt entfernen die Forscher zunächst die Lignine aus dem Holz. Dann wird es mit Epoxidharz getränkt, was es widerstandsfähiger und härter macht. Um es transparent werden zu lassen, haben die Wissenschaftler das Material quer zu den – diesmal nicht gepressten – Holzfasern aufgeschnitten. Denn die lassen das Licht dann fast so gut durch wie Glas, streuen es aber gleichzeitig und schirmen die Hitze ab. Auch das hängt mit den Eigenschaften der natürlichen Nanoröhrchen im Holz zusammen: Der Durchmesser der Fasern erlaubt nur den Lichtwellen die Passage, nicht aber der längerwelligen Wärmestrahlung. Überall wo keine glasklaren Durchblicke nötig sind, könnte das durchsichtige Holz verbaut werden – etwa dort, wo die Privatsphäre gewahrt bleiben soll.

Licht rein, Wärme und Kälte nicht

Durch die Streuung entsteht ein Effekt, der dem von indirektem Licht vergleichbar ist und der in der Innenarchitektur bevorzugt eingesetzt wird. Das Sonnenlicht wird gleichmäßig im Raum verteilt. Durch den Dämmeffekt könnte viel Energie gespart werden, die sonst etwa für den Betrieb von Klimaanlagen aufgewendet werden muss.

Der Streueffekt ermöglicht noch eine weitere Anwendung des neuen Materials: Man könnte es nutzen, um Solarzellen damit zu beschichten. Diese würden danach praktisch kein Sonnenlicht mehr reflektieren und bis zu 30 Prozent effektiver werden.

Eine weitere schon erprobte Anwendung ist „superdurchsichtiges“ Papier aus Nanozellulose. Die Wissenschaftler glauben, dass es auf vielen Gebieten Plastik ersetzen könnte. Auch in Touchscreens könne es verbaut werden. Zudem könnten die natürlichen Nano-Holzröhrchen nach geeigneter Behandlung wahrscheinlich auch eingesetzt werden, um Wasser zu entsalzen und zu entgiften.

Lianbing Hu hat zusammen mit Kollegen bereits eine Firma gegründet. Sie soll die neuen Holzwerkstoffe bald vermarkten.

Uwe Kerkow

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