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Krebs: Der bessere Spürhund

In Deutschland ist Brustkrebs die zweithäufigste Todesursache von Frauen. Durch die in den letzten Jahren verbesserte Diagnostik werden die Tumore früher erkannt. Beim rechtzeitigen Entdecken von Brustkrebs ist das MRT-Verfahren der Mammografie mittlerweile überlegen.

Jährlich sehen sich 55.000 Frauen in Deutschland mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert. Die Krankheit ist die zweithäufigste Todesursache von Frauen, an erster Stelle stehen die Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In den letzten Jahren ging die Zahl der Frauen, die an diesem Tumor sterben, zurück. 80 Prozent der Patientinnen überleben die Diagnose inzwischen mindestens fünf Jahre. Die Ursachen für die positive Entwicklung: Die Tumoren werden durch bessere Diagnostik früher erkannt, es gibt neue Medikamente für die Therapie und die Arzneien haben weniger Nebenwirkungen. Dennoch sterben in Deutschland 18.000 bis 19.000 Frauen pro Jahr an den Folgen des Mammakarzinoms, wie der Tumor in der Fachsprache heißt.

Diese Zahl soll das Mammografie-Screening, die Röntgen-Reihenuntersuchung der Brust, weiter senken. Das Mammografie-Screening wird allen Frauen zwischen 50 und 69 Jahren im Abstand von zwei Jahren in speziellen Zentren angeboten. Aber während sich das Mammografie-Screening in Deutschland gerade etabliert, zeichnet sich ab, dass es eine zuverlässigere Methode gibt, um Frühformen von Brustkrebs festzustellen: die Kernspin- oder Magnetresonanztomografie (MRT). Die Radiologin Christiane Kuhl von der Uniklinik Bonn belegt die präzisere Früherkennung kleiner, gut behandelbarer Tumoren – denn ihnen gilt das Brustkrebs-Screening in erster Linie – mit einer Studie, die sie in der Fachzeitschrift „Lancet“ (Band 370, Seite 485) veröffentlichte.

Das Ergebnis der Studie ist so eindeutig, dass es im Kommentar der Zeitschrift dazu heißt: „Die MRT ist nicht mehr nur eine Untersuchung, die die Mammografie ergänzt, sondern eine eigenständige Methode für die Suche nach Frühformen von Brustkrebs.“
Fast alle Mammakarzinome beginnen neueren Erkenntnissen zufolge als duktale In-Situ-Karzinome (DCIS). Das sind Vorstufen der bösartigen Formen. Die Vorstufen entstehen aus den Innenwandzellen der Milchdrüsengänge. Solange die Vorstufen in den Milchgängen bleiben, sind sie noch kein „richtiger“ Krebs. Die Zellen haben sich noch nicht über Blut und Lymphe im Körper ausgebreitet.

Gefährliche Vorstufe zu 98 Prozent aufgespürt

Die Mediziner unterscheiden zwei verschiedene Arten von DCIS. Niedriggradige DCIS bleiben vergleichsweise gutartig und verlassen den Milchdrüsengang eher selten. Die aggressivere Variante (hochgradige DCIS) wandert fast immer aus den Milchdrüsengängen aus und entwickelt sich zu gefährlichen invasiven Brustkrebsformen, die Lymphknoten und andere Körpergewebe befällt.

Zwischen Anfang Januar 2002 und Dezember 2006 untersuchten Kuhl und ihre Kollegen 7319 Frauen. Die Studienteilnehmerinnen waren aus vier verschiedenen Gründen an das Bonner Brustkrebszentrum überwiesen worden: Entweder hatte ein Arzt einen auffälligen Befund bei der Röntgenuntersuchung festgestellt oder es gab spürbare Zeichen für Brustkrebs oder die Frauen hatten ein erhöhtes erbliches Risiko für den Tumor. Andere kamen zur Früherkennung.

Die Wissenschaftler machten bei allen Frauen sowohl eine Mammografie als auch ein MRT. Bei 469 Frauen fanden sie einen bereits in das umgebende Gewebe hineinwachsenden „invasiven“ Tumor. 167 Frauen hatten eine Frühform, ein DCIS, wie die Untersuchung einer Gewebeprobe bestätigte. Bei 153 Frauen, also 92 Prozent von ihnen, wurde diese Frühform im MRT erkannt und bei 93 Frauen (56 Prozent) durch Mammografie. 89 Frauen hatten eine aggressive Form des DCIS. Diese hochgefährliche Vorstufe wurde zu 98 Prozent (bei 87 Frauen) durch MRT aufgespürt, aber nur zu 52 Prozent (46 Frauen) durch die Mammografie. Fast die Hälfte der aggressiven Frühformen wäre also übersehen worden, wenn lediglich eine Röntgenuntersuchung erfolgt wäre.

„Unsere Studie räumt mit Lehrbuchmeinungen auf“, sagt Kuhl. „Es ist immer behauptet worden, die MRT eigne sich nicht, um Brustkrebsvorstufen in den Milchgängen zu finden. Das Gegenteil ist richtig: Die MRT ist empfindlicher als die Mammografie, wir haben doppelt so viele aggressive Frühformen gefunden wie mit der Röntgenuntersuchung.“

Der zweite Irrtum sei, die MRT löse zu häufig Fehlalarm aus, habe also zu oft ein falsch-positives Ergebnis. Dieser Vorwurf wird auch der Mammografie gemacht. Jede achte Frau in der Studie der Bonner Radiologen musste sich der Entnahme einer Gewebeprobe unterziehen. Dabei wird über eine dünne Hohlnadel etwas von dem verdächtigen Gewebe angesaugt und untersucht (Vakuumbiopsie). Bei 52 Prozent des nach einer auffälligen Mammografie entnommenen Gewebes fand sich ein Tumor und bei 59 Prozent der Frauen, denen aufgrund eines verdächtigen Befundes im MRT Drüsengewebe entnommen worden war.

Höhere Sicherheit der MRT

„Bei unseren Patientinnen war also ein Fehlalarm seltener nach der Kernspinuntersuchung als nach der Mammografie“, resümiert Kuhl. Zugleich sei die Sicherheit der MRT höher: Bei 74 der Frauen mit einem DCIS (44 Prozent) ließ sich die Brustkrebsvorstufe nicht mit Mammografie erkennen; aber nur bei 14 Frauen (acht Prozent) wurde eine solche Frühform im MRT übersehen.

Den Grund für diese Unterschiede sehen die Wissenschaftler darin, dass es bei DCIS kleinste Kalkablagerungen in den Milchgängen geben kann, die nur unter dem Röntgenstrahl, nicht aber im Magnetfeld sichtbar werden. Gerade die schnell wachsenden aggressiven Vorstufen machen sich aber offenbar häufig nicht durch Kalkablagerungen bemerkbar. Deshalb werden gerade sie vermutlich seltener durch Mammografie und zuverlässiger durch MRT aufgespürt.

Kuhl sieht noch ein weiteres Vorurteil beseitigt. Nämlich, dass sich diese Untersuchung nur für Frauen mit erhöhtem Risiko eigne. „Viele unserer Studienteilnehmerinnen haben sich im Rahmen der normalen Krebsfrüherkennung beteiligt. Die MRT kann die Diagnose von Brustkrebsfrühstadien bei allen Frauen verbessern, nicht nur bei Risikopatientinnen.“

Dennoch möchte die Radiologin ihre Ergebnisse nicht als Argument gegen das Mammografie-Screening verstanden wissen. „Die Mammografie ist als Basisuntersuchung zur Früherkennung unverzichtbar.“ Die MRT sei teurer und aufwendiger und für den Einsatz beim Brustkrebs-Screening derzeit nicht reif. „MRT wird bei Brustuntersuchungen noch zu selten angewandt und von den Krankenkassen bezahlt, als dass Radiologen damit ausreichend Erfahrung hätten sammeln können“, meint Kuhl. „Um Brustkrebsvorstufen im MRT zu erkennen, braucht man ein geschultes Auge.“

Nicola Siegm, -Schultze

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