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Krebsforschung: Übertragbarer Hundekrebs ist ein weltweites Problem

Befragung von Tierärzten ergibt: Ansteckender Hundekrebs ist vor allem in Ländern mit streundenden Hunden ein Problem.

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Krebs ist nicht ansteckend – in der Regel. Die Ausnahme ist ein Tumor der Genitalien bei Hunden, das Sticker-Sarkom oder auch Canine Transmissible Venereal Tumor (CTVT). Dieser Krebstyp entstand Schätzungen nach vor etwa 11000 Jahren bei einem ostasiatischen Hund oder Wolf und veränderte sich durch Genmutationen so, dass er per Geschlechtsverkehr übertragbar wurde. Seitdem sind diese Krebszellen weitergegeben worden – und zwar so effizient, dass heute Hunde in 90 von 109 Ländern betroffen sind, schreiben Andrea Strakova und Elizabeth Murchison im Fachblatt „BMC Veterinary Research“.

Nur strenge Quarantäne hilft

Die Forscher der Universität Cambridge hatten 645 Tierärzte weltweit befragt. In Nordeuropa, wo es wenig streunende Hunde gibt, wurde CTVT demnach nur bei importierten Hunden gefunden. In Neuseeland, wo besonders strenge Quarantäne-Regeln gelten, seien hingegen keine CTVT-Fälle bekannt. „Streunende Hunde sind ein Reservoir für CTVT“, sagt Murchison. Deshalb seien eine aufmerksame Kontrolle dieser Hunde und strenge Quarantäneregeln für den Import und Export von Hunden nötig. Hunde zu sterilisieren helfe zwar, die Ansteckungsgefahr zu reduzieren. Allerdings sei das kein hundertprozentiger Schutz, da die Krebszellen auch über Bisse, beim Lecken oder Schnüffeln übertragen werden können.

Der ersten Genanalyse des übertragbaren Hundekrebses CTVT widmete die Fachzeitschrift "Cell" 2006 ihr Titelbild.
Der ersten Genanalyse des übertragbaren Hundekrebses CTVT widmete die Fachzeitschrift "Cell" 2006 ihr Titelbild.

© Cell

Ursache rätselhaft

Wie die Krebszellen sich im Körper eines infizierten Hundes gegen dessen Immunsystem behaupten können, ist Forschern noch immer ein Rätsel. „Ursprung dieses kuriosen Krebses ist vermutlich eine Gruppe von Hunden oder Wölfen, die miteinander eng verwandt und sich entsprechend genetisch sehr ähnlich waren“, sagt Robin Weiss vom University College in London, der das Stickler-Syndrom seit Jahren untersucht. Im Januar veröffentlichten Murchinson, Weiss und andere Forscher im Fachmagazin "Science" einen Vergleich des Erbguts der Krebszellen mit Erbgut gesunder Hunde. Dabei entdeckten sie 1,9 Millionen Mutationen, die über 10000 Gene der Krebszellen veränderten und zum Verlust von 646 Genen führten. Tausendfach seien Stücke des Erbguts umarrangiert, verloren gegangen oder verdoppelt worden. 

Trotz dieses Chaos im Erbgut unterscheiden sich die väterlichen und mütterlichen Genkopien der Krebszellen nur wenig - ein Hinweis darauf, dass der Tumor innerhalb einer kleinen, genetisch sehr ähnlichen Inzuchtpopulation entstanden sein könnte. „Das hat wahrscheinlich geholfen, den Tumor zu verbreiten“, sagt Weiss. Denn damit das Immunsystem eines infizierten Tieres Krebszellen angreifen kann, müssen sich die Krebszellen von den körpereigenen Zellen ausreichend unterscheiden. 

Immunsystem wird eingelullt

Zwei Eigenschaften scheinen den Tumor fit fürs Überleben in fremden Wirten zu machen. Zum einen sind die so genannten Gewebekompatibilitätsgene (Dog Leucocyte Antigens, DLA) des Tumors verändert. Diese Gene setzen ein unverwechselbares Muster molekularer Fähnchen auf die Oberfläche der Zellen, so dass die Immunabwehr fremde von eigenen Zellen sofort unterscheiden kann. In den CTVT-Zellen sind diese Gene aber so weit gedrosselt, dass die Zellen von der Immunabwehr noch als hundeähnlich aber noch nicht als „fremd“ eingestuft werden. Zum anderen produziert der Tumor Botenstoffe, die das Immunsystem einlullen und in falscher Sicherheit wiegen. 

Dazu gehört auch, dass der Tumor nicht aggressiv ist, sondern unter dem Radar des Immunsystems bleibt. Erst dadurch wird er übertragbar. Denn damit eine Hündin einen Rüden anstecken kann, muss der Tumor mindestens solange verträglich sein, wie die Hündin braucht, um wieder läufig zu werden. Würde CTVT die Hündin schnell töten, wäre auch keine Übertragung möglich. Weiss hofft, aus dieser "interessanten Balance zwischen Tumor und Wirt“ zu verstehen, wie Krebszellen dem Immunsystem entgehen, beziehungsweise wie das Immunsystem in die Lage versetzt werden kann, Krebszellen wieder zu erkennen.  „Die übliche Vorstellung ist, dass ein Tumor im Laufe seiner Entwicklung immer mehr Mutationen anhäuft und dadurch immer aggressiver wird“, sagt Weiss. CTVT hingegen habe sich anfangs sehr schnell verändert und sei ein aggressiver Krebs gewesen, habe sich dann aber stabilisiert. 

Gesichtskrebs des Beutelteufel ist noch aggressiver als CTVT

Diese Stabilisierung steht beim zweiten Beispiel eines übertragbaren Krebses noch aus: Der Gesichtskrebs beim Tasmanischen Beutelteufel wird wie auch CTVT durch Bisse übertragen. Allerdings sterben die Tiere daran, weil sie sich aufgrund der Wucherungen nicht mehr ernähren können. Auch beim Beutelwolf werden die Krebszellen der Artgenossen vom Immunsystem nicht erkannt, weil sich die Tiere genetisch sehr ähnlich sind, denn heute lebende tasmanische Beutelwölfe gehen auf wenige Exemplare zurück. 

Auf den Menschen kann CTVT nicht überspringen. Von Mensch zu Mensch können Krebszellen aber unter bestimmten Umständen durchaus übertragen werden. „Es gibt etwa 30 Fälle von Krebs-Übertragungen im Zuge von Transplantationen“, sagt Weiss. „Dabei konnten fremde Krebszellen anwachsen, weil die Körperabwehr des Empfängers für die Transplantation medikamentös unterdrückt worden war.“

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