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Nicht ganz dicht. Menschen hindern auf riesigen Flächen Gras am Wachsen. Sie nennen das dann Rasen – und einen wichtigen Teil ihrer Kulturlandschaften. Wasser, Dünger und Energie, die dafür verbraucht werden, ergeben eine Ökobilanz nahe der einer Betonplatte.

© imago stock

Kulturlandschaft: Rasen ist nicht grün

Weltweit sind riesige Flächen von dichtem, kurz gehaltenem Gras bewachsen. Sinnvoll ist das eher selten.

So unterschiedlich die Siedlungen auf der Erde auch sein mögen, so einheitlich werden die Grünflächen in den Städten dominiert. Von Rasen. Meist kurz gemähtes Gras wächst – beziehungsweise wird am Wachsen gehindert – auf bis zu 800.000 Millionen Quadratkilometern weltweit. Zum Vergleich: Deutschland hat 357.000 Quadratkilometer Fläche. Maria Ignatieva von der University of Western Australia in Perth und Marcus Hedblom von der schwedischen Agrar-Universität in Uppsala legen jetzt in der Zeitschrift „Science“ dar, wie alles andere als nachhaltig diese Praxis ist.

Viel wässern, viel düngen

Der vergangene Sommer hat es auch in Deutschland vielerorts gezeigt: Entweder das Grün wurde eifrig bewässert oder es wurde zu Braun. Am Oberrhein und in Teilen Hessens verboten Gemeinden das Bewässern zeitweise völlig. Und Rasenflächen sind nicht nur durstig. Bestimmte Bereiche eines Golfplatzes würden „bis zu 200 Mal im Jahr gemäht, Rasen im Fußballstadion bringt es auf rund 60 Mal“, sagt Norbert Kühn vom Fachgebiet Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung der Technischen Universität Berlin (TUB). Die ausgesäten Gräser wie das Deutsche Weidelgras wachsen nach dem Schnitt stark und bilden bei entsprechender Bewässerung dichte Wurzelgeflechte, die auch kräftige Tritte mit Stollen von Fußballschuhen wegstecken.

Zum Wachsen braucht ein solcher widerstandsfähiger Rasen vor allem vier Zutaten: Sonnenlicht, Kohlendioxid, Nährstoffe und Wasser. Letztere beide werden rasch knapp. Also muss ein solcher Rasen nicht nur oft gemäht, sondern auch gut gedüngt und gewässert werden.

Das aber führt zum Beispiel in den Trockenregionen der USA dazu, dass drei Viertel des in privaten Haushalten verwendeten Wassers in die Vorgärten rieselt, schreiben Ignatieva und Hedblom. Und der sattgrüne Rasen ist ausgerechnet in Regionen wie den Wüstengebieten Nordamerikas oder Arabiens besonders beliebt, in denen Wasser knapp ist.

Er fungiert dort auch als Statussymbol. Obendrein bringt auch der immense Einsatz von Düngemitteln dort Probleme. Denn ein erheblicher Teil der Nährstoffe versickert ungenutzt. Schädliches Nitrat gelangt so ins Grundwasser.

Golf oder Fußball

Zwar holt das Gras Kohlendioxid aus der Luft. Das wird aber nach dem Mähen, sobald das organische Material zersetzt wird, wieder frei. Die Energie- und CO2-Bilanz ist insgesamt schlecht. Nachhaltigen solchen Rasen kann es kaum geben. Das gilt auch für Mitteleuropa und auch in den Regionen, wo – wie etwa in dem Urstromtal, in dem Berlin liegt – meist reichlich Wasser im Untergrund und Bewässern zumindest weniger problematisch ist. Allein dadurch eignet sich hier ein grüner Rasen auch nicht so gut als Symbol des Wohlstandes. „In Berlin findet man selbst vor Regierungsgebäuden heutzutage kaum noch intensiv gepflegten Rasen“, sagt Kühn. Stark belastete Flächen aber brauchen überall viel Wasser. Auf den Abschlagflächen eines Golfplatzes und im Fußballstadion behält der intensiv gepflegte Rasen also seinen Platz.

„Einen Ersatz für das eng verzweigte Netzwerk im Untergrund eines oft gemähten Rasens aus Gräsern hat bisher jedenfalls noch niemand vorgestellt“, sagt Kühn. Als nachhaltigere Alternative kommt dort also allenfalls Kunstrasen infrage. Doch auch der wird energie- und materialintensiv produziert – und entlässt Kunststoffpartikel in die Umwelt.

Auf vielen anderen Flächen reicht ein Grün, das viel seltener gemäht wird und daher nicht nur weniger Arbeit macht, sondern auch weniger Wasser und Dünger verbraucht und so viel nachhaltiger ist. Als Liegewiese im Freibad etwa, auf der ab und zu vielleicht ein wenig Volleyball gespielt wird, wäre er geeignet. Und auf den Flächen vor Regierungsbauten oder in Vorgärten, die ohnehin nicht oder kaum betreten, sondern nur bewundert werden, wären die Blüten einer echten Wiese eine Alternative zum Einheitsgrün des Rasens.

Unter dem grünen Klee

Da Esparsette, Löwenzahn, Klee und Co. ihre Wurzeln deutlich tiefer in den Boden schieben als Gras, kommen sie besser an Wasser und würden so auch in den sich aufgrund des Klimawandels wahrscheinlich häufenden Trockenperioden länger grün bleiben als Gras. Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit könnten viele Städte daher nicht unbedingt grüner, sondern eher bunter werden.

Tatsächlich nennen die Autoren des „Science“-Artikels Initiativen in Deutschland, bei denen gezielt Rasenflächen in artenreichere und seltener gemähte Wiesen umgewandelt worden sind, als positive Beispiele. Ohnehin ist „Rasen“ eigentlich gar nicht unbedingt das, was heute oft darunter verstanden wird. Das Wort steht auch schlicht für eine dicht und vergleichsweise niedrig bewachsene Fläche. „Magerrasen“ etwa ist ein ökologischer Begriff. Er ist artenreich, braucht wenig Nährstoffe – und auch eher wenig Wasser.

Hinweis d. Red.: Wir haben einen orthographischen Fehler in diesem Artikel korrigiert. Korrekt ist der Begriff "Deutsches Weidelgras" an der Stelle, an der "Deutsches Weidegras" stand.

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