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Kulturwissenschaft: Nahostexperte Steinbach verlässt Hamburg

Udo Steinbach ist seit einem Jahr Direktor des Deutschen Nahost-Instituts in Hamburg. Nun verlässt er die Hansestadt. Fundierte Forschung sei dort nicht mehr möglich.

Der renommierte Nahostexperte Udo Steinbach verlässt Hamburg. Steinbach, der in der Hansestadt seit über 30 Jahren das Deutsche Orient-Institut leitete und seit einem Jahr Direktor des daraus hervorgegangenen Deutschen Nahost-Instituts ist, will sich Ende des Jahres in Berlin als selbstständiger Berater für Nahostfragen niederlassen. Hintergrund ist ein Streit um die Ausrichtung und um die juristische Nachfolge seines Instituts, der jetzt eskalierte. „Die kulturwissenschaftlich fundierte Nahostforschung, für die ich seit Jahrzehnten stehe, ist in Hamburg nicht mehr möglich“, sagte der 64-jährige Wissenschaftler dem Tagesspiegel.

Steinbachs Orient-Institut wurde Anfang dieses Jahres an das Deutsche Institut für globale und regionale Studien (German Institute of Global and Area Studies, Giga) in Hamburg überführt. Zuvor war das ebenfalls in der Hansestadt beheimatete Übersee-Institut als Dachorganisation aufgelöst worden. Es sollte neu gegründet und mit einem innovativen Forschungsauftrag versehen werden, nachdem ihm seine Trägerin, die Leibniz-Gemeinschaft, 2004 ein schlechtes Zeugnis ausgestellt hatte. Unter dem Dach des Übersee-Instituts war das formal von der Orient-Stiftung getragene Deutsche Orient-Institut eigenständig. Direktor Steinbach bestimmte in Finanz- und Personalfragen. Im Giga ist das neue Nahost-Institut eines von vier Regional-Instituten, die dem Giga-Präsidenten unterstehen. Die Nahostwissenschaftler wurden von der Leibniz-Gemeinschaft verpflichtet, eng mit ihren Kollegen aus den Afrika-, Asien- und Lateinamerika-Instituten des Giga zusammenzuarbeiten. „Vertiefende, kulturwissenschaftliche Analysen“ seien da kaum noch gefragt, klagt Steinbach.

Giga-Präsident Robert Kappel widerspricht Steinbachs Darstellung. Der Nahostexperte verlasse das Institut Ende des Jahres lediglich drei Monate vor seiner regulären Pensionierung. Steinbachs Nachfolge sei bereits ausgeschrieben und er hoffe, einen ebenbürtigen Nachfolger für den „Grandseigneur der Nahostforschung“ zu finden, sagt Kappel. Die Globalisierung und die Umbrüche in der Weltpolitik führten allerdings zu neuen wissenschaftlichen Fragestellungen.

Steinbach dagegen betont, dass er unter anderen Arbeitsbedingungen gerne bis zu seinem 67. Geburtstag in Hamburg geblieben wäre. Anlass für Steinbach, jetzt mit seiner vorzeitigen Kündigung an die Öffentlichkeit zu gehen, ist der Verlust der Bibliothek des Orient-Instituts. Die mit 37 000 Bänden für Norddeutschland zentrale Bibliothek wurde am Dienstag teilweise abtransportiert.

Dahinter steht der in Berlin ansässige Nah- und Mittelostverein (Numov), der das aus Hamburger Sicht nur noch auf dem Papier weiter bestehende Deutsche Orient-Institut und die Orient-Stiftung vertritt. „Der Verein, der die Orient-Stiftung 1960 gestiftet hat, ist Eigentümer der Bibliothek“, sagt die Vorsitzende Helene Rang. Das bestätigt Giga-Präsident Kappel. Gleichwohl sei es „schockierend“, dass die wertvolle Bibliothek zerschlagen werde. Es sei völlig unklar, ob sie in Berlin weiter zugänglich bleibe.

Bedauerlich sei es, dass sich der Hamburger Senat in dem seit Monaten schwelenden Rechtsstreit um die Büchersammlung nicht stärker engagiert habe, heißt es in der Hansestadt. Helene Rang wollte sich gestern nicht zur Zukunft der Bibliothek äußern. Ihr Verein, der ansonsten „als Dienstleister die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens“ fördert, erhebt auch Anspruch auf die von Steinbach herausgegebene Zeitschrift „Orient“. „Das Schicksal der Bibliothek und der Zeitschrift sind ungewiss“, sagt Steinbach. Der Verein habe weder Geld noch Mitarbeiter, um beide zu betreiben. Amory Burchard

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